Indien 2013
Von Mumbai nach Goa
Goa - das Paradies am Indischen Ozean, das seit den 60-ern die Hippies angezogen hat. Traumhafte endlose Strände, man wohnt in idyllischen Strandhütten, hüpft mal ins türkisfarbene Wasser, schlürft einen leckeren Cocktail zur happy hour und bummelt abends an der endlosen Kette kleiner Restaurants vorbei, die das frische Seafood ausgestellt haben. Essen wir heute Schwertfisch oder Krebs?
Nun zur Realität (die mir zumindest teilweise bekannt war, aber dennoch die schlimmsten Erwartungen übertraf): Seit ich gestern mit Zug in 13 Stunden von Mumbai hier ankam, herrscht seit 20 Stunden Unwetter mit unfassbaren Wassermengen, es schüttet pausenlos aus allen Wolken, das Trommeln auf dem Dach ist so laut, dass man kaum sein eigenes Wort versteht, Sturmböen fegen durch die Palmen, man kann praktisch nicht vor die Tür, Strand macht ohnehin keinen Sinn. Selbst von meinem Zimmer zum Aufenthaltspavillon wate ich durch knöcheltiefes Wasser. Der Wetterbericht sagt AKTUELL 24°, "leichter" Regen!! Der ist genauso daneben wie zu Hause (Jürgen, ich hab's gesagt)!! Wenn das so weitergeht, ist Goa der absolute Reinfall. Mal ganz abgesehen davon, dass ich so ziemlich der einzige ausländische Tourist hier bin, die Hotels und Restaurants haben zu, die Strandhütten sind längst abgebaut, die Shops mit Planen abgedeckt, der Strand (hier Benaulim) durch den Sturm fast weg.....
Der Traumstrand von Benaulim - er ist sonst 100 bis 200 m breit und hat feinsten Sand... So sieht es leider wenig einladend aus... na gut, ich war wenigstens mal da
Dabei hatte es ganz gut angefangen. 8 Stunden Flug und schwupps steigt man in einer der größten Stadt der Erde aus dem Flieger - 16 Mio. Menschen sollen hier leben - und alle scheinen gleichzeitig unterwegs zu sein, selbst um 2 Uhr nachts sind die Straßen um den Flughafen herum hoffnungslos verstopft. 39 Grad, 100% Luftfeuchte, ab und zu ein Schauer! Immerhin finden wir das Hotel mit dem GPS punktgenau, und der Nachtboy erwartet mich bereits.
Von den Bewohnern leben 55% in Slums, der größte Slum Asiens Dharavi umfasst über 1 Mio. Menschen. Die dort ansässigen Unternehmen sollen einen Jahresumsatz von 665 Mio. US-$ erwirtschaften!
Na ja, am nächsten Tag scheint erst mal die Sonne und es sieht ganz freundlich aus. Das Zimmer ist deutlich zu teuer, aber Raj, der Manager supernett und hilfsbereit. Außerdem liegt es direkt neben dem Taj Mahal Hotel, das kostet natürlich auch .
Ja, das Taj Mahal Hotel: vermutlich das beste und teuerste Hotel Indiens. Viele werden sich erinnern: die pakistanischen Terroristen hatten 2008 genau diese Hotel gestürmt und in der Lobby auf alles geschossen, eine Rauchwolke quoll aus der Kuppel, die Polizei brauchte drei Tage, um sie überwältigen, so groß ist das Hotel. Heute ist die Lobby wieder so vornehm, dass man sich gar nicht richtig traut, einzutreten. Überall Marmor, selbst die Toiletten sind höchst feudal, sie erinnern mich an die im Hilton Shanghai anno 1990: Pinkeln muss man noch selbst, aber dann kommt ein Boy, der den Wasserhahn aufdreht und das Wasser angenehm temperiert, dann reicht er Waschlotion, und anschließend ein vorgewärmtes Handtüchlein. Wahnsinn was man alles so braucht, wenn man reich ist...
Interessant übrigens: Das Hotel wurde vom indischen Milliardär Tata erbaut, der sich während der Kolonialzeit darüber geärgert haben soll, dass er ein Hotel nicht betreten durfte, "Whites only!"
Auch hier wie überall jede Menge Sicherheitskontrollen, die vorfahrenden Fahrzeuge werden mit großen Spiegeln von unten inspiziert, so was kenne ich noch von den DDR Grenzkontrollen auf der Transitstrecke. Auch im größten Bahnhof Asien, - der unaussprechliche offizielle Name lautet Chhatrapathi Shivaji Terminus, im Volksmund kurz VT (Victoria Terminus) - gibt es Dutzende von Sicherheitsschleusen - auch hier hatten die Terroristen viele Dutzend Menschen erschossen -, hier ist es allerdings die "indische Lösung": Alle strömen durch diese Schleusen, es piept und blinkt ohne Unterlass, aber niemand vom zahlreichen Sicherheitspersonal interessiert das, mal abgesehen, dass nicht weit daneben ein weiterer breiter Durchgang ist - ohne Schleusen.... Die Mündung der Gewehre sind zum Teil mit Tesaband verklebt!?
Das Bahnhofsgebäude ist so gewaltig, dass es zum Weltkulturerbe zählt, täglich reisen hier 2 Mio. Menschen in über tausend Zügen, ein irres Gewusel, da bekommt man es schon fast mit Angst zu tun, wenn ein überfüllter Vorortzug ankommt und die Massen geschäftig auf einen zustürmen.
Es scheint hier nur Superlative zu geben: Im Norden blicke ich auf die Mahalakshmi Dhobi Ghats, sozusagen der städtische Waschsalon, denn niemand, der es sich leisten, wäscht hier die Wäsche selbst. Hier wohnen und arbeiten Tausende von Wäschern, in 1026 Betonbottichen stehen sie knietief in der heißen Waschbrühe und schlagen die Wäsche auf die Steine. Das Wunder besteht darin, dass die Wäsche auch immer wieder zu ihrem Besitzer zurückfindet, da hängen hunderte gleich aussehender Hemden zum Trocknen nebeneinander...
Und da wir schon bei Wundern sind: die Daba-Wallahs! Nie gehört? Millionen indische Angestellte möchten zum Mittag auf ihr häusliches warmes Mittagessen nicht verzichten. Also kocht die Ehefrau vormittags im Vorort das gewohnte Essen, packt es in einen Topf, eine Art Henkelmann (Dabbah), einer der 5.000 Daba-Wallahs (alle mit weißer Kleidung und weißem Käppi) holt es ab, es wird zigfach umgeladen, mit dem Fahrrad oder Zug transportiert und findet dann seinen Besitzer in der City. Der leere Topf wird dann nachmittags wieder genauso zurück transportiert. Das Problem: es werden täglich 200.000 Rationen ausgeliefert und viele der Daba-Wallahs sind Analphabeten, daher besteht die Kennung auf den Töpfen aus Ringen und Zahlen verschiedener Farben. Das System ist so sicher, dass die Ehefrauen auch schon mal eine Uhr oder Geld in den Topf legen. Es heißt, dass es bei 6 Mio. Auslieferungen nur einen Irrläufer gibt, eine unfassbare Quote! Alle großen Unternehmens-beratungen waren bereits da, um sich das System anzusehen....
Zu den weiteren Merkwürdigkeiten zählen auch die Türme des Schweigens mitten in einem der besseren Viertel. Die Anhänger des Zoroastrianismus , sie heißen in Indien auch Parsen ("also sprach Zarathustra"=Zoroaster. Sie überlassen die Toten - auf diesen Türmen des Schweigens - den Geiern zum Fraß und dem Wetter, die Gebeine werden dann im Beinhaus bestattet. Schon merkwürdig, das hier mitten in Mumbai zu finden... Mr. Tata ist übrigens auch Parse... Natürlich kann man nicht hinein, ist wohl auch eher nicht wünschenswert, man kann aber von der Straße einen Blick darauf werfen.
Den Tag lasse ich dann in Bar The Dome im 8.Stock des Interconti ausklingen, von wo man einen sagenhaften Blick auf Mumbai und die Küstenstraße Marine Drive und Nariman Point hat. Leider sind auch die Preise für Indien astronomisch, aber es gibt einen Thai Cocktail mit Lemongrass, Orangen und höllisch scharfen Chilistückchen, dazu veg. Sushi mit rosa Ingwerstreifen und grünem Wasabi, so scharf, dass es explosionsartig in die Nase steigt und die Augen tränen lässt. Man gönnt sich ja sonst nichts....
Eine interessante Methode, die Einfahrt freizuhalten, guckst Du hier:
Diese Dame ist völlig übermüdet....
In der Nähe der Türme des Schweigens liegen die hängenden Gärten und dort ist auch ein Bereich, zu dem sogar ich Zutritt haben darf!!
Ich habe gerade länger mit meiner Tochter Moana telefoniert, sie ist ja auf ihrer Weltreise (von wem hat sie das bloß...) seit März unterwegs und jetzt eben in Mamallapuram bei Chennai, wir wollen uns Ende Woche in Hampi treffen, da freue ich mich sehr. Dort (in Mamallapuram) scheint den ganzen Tag die Sonne ... während es hier weiterhin schüttet!!! Und nun fällt auch noch dauernd der Strom aus ud ich muss meine Diarrhoe auskurieren, aber es geht schon wieder aufwärts...
Aufbruch: | 28.06.2013 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 13.08.2013 |