Um fremde Welten zu sehen, muss man nicht ans Ende der Welt fahren
Achttägige Studienreise nach Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Zagreb
Man muss nicht immer weit wegfahren, um in fremde Welten einzutauchen. Vierzehn Stunden Busfahrt vom Schweizer Mittelland aus reichen. Über den Gotthard und die Autobahn Mailand – Venedig – Triest erreicht man bald einmal Zagreb, Tor zu einem Europa innerhalb Europas, Tor zu jener Region, wo das Kurze 20. Jahrhundert blutig begann und blutig endete.
Wir waren eine Gruppe von rund fünfundzwanzig Studenten der ältesten Jahrgangsstufe unseres Gymnasiums, die sich für die Reise nach Kroatien und Bosnien-Herzegowina eingeschrieben hatten. Organisiert von unserer Geschichtslehrerin, sollte uns in einer Woche diese den meisten Mitteleuropäern weitgehend unbekannte Region namens Balkan und seine Geschichte nähergebracht werden. Neben Frau Z., der Lehrerin, die ihre zweite Heimat in Kroatien gefunden hat, begleiteten uns auch Martin, ein deutscher Historiker und Journalist, der ebenfalls in Kroatien lebt, und natürlich Mehmed, unser Busfahrer aus Ex-Jugoslawien.
Zagreb und Einblicke in die kroatische Gesellschaft
Zagreb war die erste Station unserer Reise. Spät abends fuhren wir in die Stadt ein. Wenn man die Geschäfte und die Schriftzüge wegnehmen würde, dann könne man sich in dieser Stadt auch in Österreich wähnen, wurde uns noch im Bus gesagt. Und es war tatsächlich so. An sich eine typische Hauptstadt, mitteleuropäisches Flair, der grosse Platz erinnerte mich an Helsinki, das Regierungsviertel an Tallinn. An einen vor nicht allzu langer Zeit beendeten Krieg mahnte hier wenig bis nichts.
Am ersten Morgen trafen wir eine Mitarbeiterin von Documenta. Documenta wurde in der Absicht geschaffen, die kroatische Gesellschaft zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in der Geschichte anzuregen. Das bisherige Selbstbild gleiche dem des gutmütigen Schäfchens, das vom blutrünstigen Wolf aus dem Südosten angegriffen wurde. Dass Opfer auch zu Tätern werden können und wurden, werde zumindest verdrängt. Noch heute werde in den Familien zu wenig über den hier „domovinski rat“ – homeland war - genannten Krieg gesprochen – nicht die beste Erziehung für Kinder und Jugendliche, gerade in Zeiten, in denen die nationalistischen Parteien wieder an Macht gewinnen. Das Treffen mit einem ehemaligen französischen UNO-Kriegsbeobachter im Jugoslawienkrieg am späteren Nachmittag war, wie ich mich erinnere, nicht minder interessant. Wobei von diesem Treffen die Anekdoten über die Fahrkünste seines kenianischen Kameraden mehr in Erinnerung geblieben sind als die, naja – nicht wirklich kritischen Schilderungen seiner Erlebnisse als Blauhelmsoldat.
Aufbruch: | 03.04.2015 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 11.04.2015 |
Bosnien und Herzegowina