Um fremde Welten zu sehen, muss man nicht ans Ende der Welt fahren

Reisezeit: April 2015  |  von Nicolas Krattiger

Split

Der versteckte Charme dieses Massentourismusmagnets

Die Reise neigte sich dem Ende zu. Mit einer gewissen Wehmut, das wunderschöne Bosnien verlassen zu müssen, machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg nach Split, die letzte Etappe unserer Reise. Ist Split überhaupt noch eine Bemerkung wert, nachdem, was Bosnien zu bieten hatte? Eine von Touristen überlaufene, von Souvenirshops zugepflasterte, auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte, typische südeuropäische Stadt am Mittelmeer? Doch Split ist mehr als das. Ihr Charme hatte sich mir, wie schon in Mostar, nachts offenbart, wenn die ganzen Touristenhorden weg waren und man die „Hafenpromenade“ und die Altstadt quasi für sich allein hatte, wenn man dann einen kühlen, salzigen Windzug im Gesicht spürte und man auf einer Bank mit Freunden einfach reden und die Zeit vergessen konnte. Früh morgens spazierte ich mit einer Kollegin, erst durch die verschlafenen Gassen des alten Fischerquartiers, dann durch eine wunderbare Parkanlage, auf den Hausberg im Norden der Stadt, wo man auf halbem Weg eine Aussichtsplattform vorfindet. Von hier aus hat man die beste Aussicht, wenn die ersten Sonnenstrahlen schüchtern hinter den Bergen hervorlugen und die dalmatinische Küste und die Stadt in ein märchenhaftes, sanftes Licht tauchen. Als wir uns zurück hinunter in die Stadt begaben, war diese wieder von Touristen überlaufen.

Zauberhaft, wenn sich die Sonne langsam bereit macht, um schon bald die Nacht in den Tag zu verwandeln.

Zauberhaft, wenn sich die Sonne langsam bereit macht, um schon bald die Nacht in den Tag zu verwandeln.

In Split hatten wir am Vorabend noch ein Gespräch mit einem kroatisch-bayrischen Professor - öhm kroatischen Bayer, eh nein, professorischen Bayer… oder doch professo-bayrischen Kroaten? – wie dem auch sei, Aleksandar Jakir ist Geschichtsprofessor, in Deutschland aufgewachsen, spricht deshalb perfekt Deutsch und lehrt an der Universität Split als Experte für Geschichte des 20. Jahrhundert. Er klärte noch Fragen, die offen geblieben waren oder die während unserer Reise aufgeworfen wurden. Das Treffen mit ihm war eine gute Abrundung und historische Rekapitulation des Erlebten, und so konnten wir uns zwar schweren Herzens, aber guten Gewissens auf den Weg zurück in den mitteleuropäischen Luxus machen.

Split - die Kreuzfahrttouristen-Stadt an der Adria. Am Tag vom Glockenturm aus fotografiert.

Split - die Kreuzfahrttouristen-Stadt an der Adria. Am Tag vom Glockenturm aus fotografiert.

Was noch zu sagen bleibt

Was bleibt zu sagen? Mittlerweile bin ich wieder seit einigen Tagen zu Hause, so langsam aber sicher haben sich auch wieder meine Gedanken zurück in die Schweiz zu meinem Körper hier an den Schreibtisch gesellt. Es ist schwer, nach solchen Erlebnissen zurückzukehren in den Alltag. Ich denke, das Gesehene und Gelernte hat mich auf gewisse Punkte bezogen sensibler gemacht. Vielleicht habe ich jetzt ein leicht anderes Weltbild als vor der Reise? Gut möglich.. vielleicht hat die Reise mich auch in meinen Überzeugungen bestärkt, dass wir Menschen uns doch alle sehr ähnlich sind – jedenfalls mehr, als dass wir uns unterscheiden – und dass gemeinsames Zusammenleben möglich ist. Was ich sicher weiss, ist mein nächster Punkt auf der Tagesordnung: Planen einer Interrail-Reise im Sommer nach Kroatien, Montenegro und Serbien, vielleicht ein weiterer Einblick in ein Europa innerhalb unseres Europas.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Achttägige Studienreise nach Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Details:
Aufbruch: 03.04.2015
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 11.04.2015
Reiseziele: Kroatien
Bosnien und Herzegowina
Der Autor
 
Nicolas Krattiger berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.