SYRIEN - Eine Perle des Orients
DAMASKUS
Heute zum Abschied von Aleppo sind zwei junge, hübsche Syrerinnen mit langen, schwarzen Haaren an der Rezeption. Sie sind freundlich und der Checkout geht schnell von statten. Die Busfahrt geht vorbei an Hamah und immer weiter Richtung Süden. Mit jedem Kilometer wird die Vegeta-tion
kärger und wüstenähnlicher. Ein paar bienen-stockähnliche Trullihäuser stehen am Straßenrand, umgeben von ein paar trockenen Nadelbäumen, die windschief und unsymmetrisch der Sommerhitze trotzen. Kurz vor Homs kommt ein Fahrgast mit dem Busbegleiter in Streit. Ich verstehe zwar nicht, was sie reden, aber an Hand der Gestik und der Art zu sprechen, merkt man deutlich, dass es sich um Unstimmigkeiten handeln muss. Am Busbahnhof von Homs stürzen die Leute neugierig zu den Fenstern. Der rabiate Fahrgast wird jetzt sogar handgreiflich, doch der Busbegleiter kann den Schlag mit einer geschickten Armbewegung abwehren. Zorn spricht aus seinen braunen Augen. Die Fahrt geht ohne den Unruhestifter weiter, ob man ihn rausgeschmissen hat, oder ob er so wie so ausge-stiegen wäre, weiß ich nicht. Dabei ist der Busbegleiter doch nett. Als er bemerkt, wie ich immer wieder zum Fenster hinaus fotografiere, setzt er sich zu mir, will ein Gespräch anfangen, doch es kann zu keiner vernünftigen Unterhaltung kommen, da er kein Deutsch oder Englisch, und ich kein Arabisch spreche. Es geht nur soviel hervor, dass er Kurde aus dem Norden des Landes ist. Dann bringt er mir ein Glas heißen Tee aus einer Thermoskanne. Nachdem es lange Zeit durch eine staubige, aber schöne Berglandschaft ging, wird die Gegend jetzt städtischer. Die Bebauung nimmt zu und die Häuser werden immer höher und bald befinden wir uns im nachmittäglichen Großstadtverkehr von Damaskus.
Das Damascus Inernational Hotel liegt in einem modernen Stadtviertel mit vielen Hochhäusern. Ohne die Fußgängerüberführungen gäbe es kaum eine sichere Stelle, die Straßen zu überqueren. Die Fahrweise ist rücksichtslos nur auf den eigenen Vorteil und das Interesse, möglichst schnell voran zu kommen, bedacht. Rote Ampeln finden kaum Beachtung, ebenso, wie die Verkehrspolizisten, die mit schrillen Trillerpfeifen an größeren Kreuzungen versuchen, für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Autos biegen trotz Rotlicht nach rechts ab und fädeln sich geschickt in den mit siebzig oder achtzig Stundenkilometern fließenden Verkehr einer wichtigen Hauptstraße ein, ohne sich gegenseitig zu stören. Das kann schon beeindrucken, vor allem, wenn man in einem Land lebt, in dem viele Fahrer schon beim Anwenden eines simplen Reißverschlussverfahrens hoffnungslos überfordert sind.
Eine alte Dampflok steht vor dem Gebäude des alten Hidjaz-Bahnhofes,
in dem ein Museum untergebracht ist. Der heutige Bahnhof befindet sich einige Kilometer weiter südlich. Aus einem Laden strömt der Geruch frisch gebratenen Kebabs und aus einem anderen dringt die raue Stimme von George Wassuf, einem bekannten syrischen Sänger. Die An-Nasser-Straße ist
gut besucht. Oft sind die Älteren noch fest in ihren Traditionen verwurzelt und kleiden sich dem entsprechend mit Dschalabiyah, den langen Umhängen und Kefiye, den Arafat-Kopftüchern, die es nicht nur in rot-weiß, sondern auch in schwarz oder grau gibt. Viele aber bevorzugen mittlerweile schon Hemd und Stoffhose. Jugendliche hingegen lieben es modern, in Jeans und engen T-Shirts in chicken Farben. Die Frauen, die fast alle mit Kopftuch auf die Straßen gehen sind keineswegs einfältig gekleidet. Die Farben und Muster der Kopftücher sind oft grellbunt und unterschiedlichst gestaltet und passend auf die der Kleider abgestimmt.
Neben der Zitadelle beginnt der Suq al Hamdiye. Auch, wenn er architektonisch nicht ganz so toll und orientalisch gestaltet ist, wie der in Aleppo, ist er trotzdem schön, wenn auch auf eine ganz andere Weise. Eine breite Gasse führt, hoch überdacht, zwischen den alten Läden, in deren Schaufenstern die verschiedensten Waren zu finden sind. Billige Händler haben in der Mitte einfache Stände aufgebaut und verkaufen Haushaltswaren, Spiel- und Schreibsachen. Zwei kleine Jungs führen immer wieder ein aufziehbares, propellerähnliches Spielzeug vor, was wie ein Hubschrauber in die Höhe fliegt, um dann wieder herunter zu fallen und irgendwo zwischen den Menschenmassen auf dem Boden zu landen.
Auf dem Platz vor der Omayyaden-Moschee erinnern die alten Arkaden des Jupiter-Tempels, die auf hohen, schlanken Säulen gelagert sind, an römische Perioden. Dahinter führt der Suq mit seinen vielen, engen, verwinkelten Gassen fort. In den kleinen Läden gibt es alles, was man sich nur vorstellen kann. Kleider, Stoffe, Schmuck, Antiquitäten, Teppiche, Spielsachen, Schultaschen, Gewürze, Lebensmittel, Metzgereien, Obst und frische Kräuter. Die bunten Waren liegen fein säuberlich geordnet in den kleinen Geschäften aus oder hängen von der Decke, durchmischt von Schildern mit Namen und Reklamen, syrischen Flaggen und den Porträts des Präsidenten. An manchen Ecken kann man einen Blick in einen der schönen Innenhöfe mit grünen Pflanzen und plätschernden Springbrunnen erhaschen oder eines der vielen Minarette, oft dick und niedrig, lugt über den engen Gassen hervor.
Es duftet nach feinem Pomander, wenige Schritte weiter steigt einem der würzige Geruch von Räucherstäbchen in die Nase und wird dann von dem Gestank eines alten Lieferwagens abgelöst, der sich langsamer als Schrittgeschwindigkeit seinen Weg durch die Massen bahnt.
Auch Motorradfahrer kommen ab und zu und drücken, wenn auch nur für ein kleines Stück genug Platz da ist, sinnlos aufs Gas und verschrecken Passanten. Breite Frauen in schwarzen Niqabs enten mit vollen Taschen und treten verschreckt zur Seite. Junge Männer mit schwarzen Schnäuzern, und alte, verwegene Gestalten mit braunen Gesichtern, runzliger Stirn und weißen Bärten, gekleidet in weite Dschalabiyahs, fluchen. Kefiyes sind wie Turbane um ihre Köpfe gewickelt, oder werden von einer schwarzen Kordel gehlten.
Einmal kommt sogar ein ganzer Konvoi von Bussen aus dem Libanon durch den Suq gefahren. Alles drängt sich flach an die Wände oder muss sich in einen Laden flüchten, um nicht überfahre zu werden. Drinnen sitzen Männer in vornehmen Anzügen und starren neugierig aus den Fenstern, als führen sie durch einen afrikanischen Nationalpark.
Seit mir ein Kumpel das Internet-Backgammon gezeigt hat, habe ich Lust, ein richtiges Backgammon Spiel zu haben. Ich gehe in einen der Läden in der Hauptgasse und sehe mich um. Kunstgenstände füllen die Regale. Ausstellungstücke aus Holz, aber auch aus anderen Materialien gibt es zu kaufen. Kamele, ja sogar Elefanten. Kleine verzierte Schatullen oder Möbel. Ich lasse mir ein paar schöne Exemplare von Tavla-Spielen zeigen. Es gibt ganz kleine und ganz große. Alle sind schön und aufwändig aus verschiedenen Holzarten gearbeitet. Die Ränder der Zungen für die Spielsteine sind aus ganz dünnen Streifen aus hellem Holz, das Innere mit Mustern aus anderen, dunkleren Holzarten eingelegt. Dunkle Quadrate und Mosaike zieren die Mitte des Spielfeldes. Ich kaufe ein Mittelgroßes, da ich im Koffer sonst nicht genug Platz habe. Nie weiß man, wie das Flughafenpersonal mit dem Gepäck umgeht, und wenn es kaputt ginge wäre es schade.
Die Omayyaden-Moschee von Damaskus ist nicht weniger beeindruckend als die von Aleppo. Das Gotteshaus ist immer gut besucht, von gottesfürchtigen Menschen, von syrischen und ausländischen Touristen. Der Innenhof strahlt geradezu in seiner ganzen Helligkeit. Je genauer man sich das Bauwerk ansieht, desto imposanter wird es. Das Schatzhaus, was auf acht Säulen steht und filigran bemalt ist, der alte Holzbalkon, der auf halber Höhe des dicken Hauptminaretts hervorsteht, der Brunnen in der Mitte, das helle Jesusminarett, in dessen Mauern Muster mit dunkleren Basaltsteinen einglassen sind, und von dem man glaubt, dass Jesus eines Tages herabsteigen wird, wenn er wieder auf die Erde zurückkehrt. Von jenem Tag an wird die Welt noch vierzig weitere Jahre bestehen, bevor sie unter gehen wird.
Viele haben sich im Schatten der Südmauer niedergelassen, um sich auszuruhen, oder einfach nur, um sich die Zeit zu vertreiben. Über dreitausend teure Teppiche befinden sich im Inneren der Moschee. Glatte, weiße Marmorsäulen stützen die Dachkonstruktion des Gebetshauses und in dem Schrein soll angeblich das Haupt Johannes das Täufers aufbewahrt werden.
Eine weitere sehenswerte Mosche in Damaskus, die ich unbedingt besichtigen will, ist die Sayyidah Zeinab in einem heruntergekommenen Viertel im Südosten der Stadt. Ich nehme ein Taxi und der Fahrer fragt, ob ich aus der Türkei, oder dem Iran komme.
Schon von Weitem sieht man die goldene Kuppel, die im hellen Licht, der noch immer hoch stehenden Mittagssonne, fantastisch glänzt. Am Eingang muss man eine Sicherheitsschleuse mit Metalldedektoren passieren. Diese
schiitische Grabstätte, die von der iranischen Regierung mitfinanziert wird, stellt ein potenzielles Ziel für Anschläge sunnitischer Terroristen dar und muss deshalb mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen geschüzt werden.
Die blauen Kacheln erinnern mit ihren filigranen Mustern und religiösen Inschriften eindrucksvoll an die Moscheen im Iran und die zwei eigenwillig gestalteten Minarette ragen hoch und drohend in den klaren Himmel auf. Im Inneren hängen kristllerne Kronleuchter, deren Licht tausendfach an Spiegeln und silbernem Schmuck reflektiert wird. Es blitz und funkelt.
Viele iranische Pilger kommen hier her, um den prunkvollen
Schrein der Sayyidah Zeinab, einer Enkelin des Propheten Mohammeds zu besuchen.
Zurück in der Innenstadt esse ich Döner, was hier Shawarma heißt. Wieder lerne ich zwei Wörter Arabisch,
"Kabir? Saghir?" fragt der Shawarmamann, schon hat er das dünne Papier in der Hand.
"Groß oder klein?"
Gut durchgebatenes Fleisch vom Drehspieß wird in dünnes, knuspriges Fladenbrot gerollt und eine cremige Jughurtsauce verleiht dem ganzen zusammen mit einer Art eingelegtem Gemüse einen leicht säuerlichen Geschmack.
Der Jebel Qassiyun, der Hausberg von Damaskus spitzt zwischen zwei Hochhäusern hervor. Dicht an dicht drängen sich die einfachen Behausungen weniger wohlhabender Familien den steilen Hang hinauf. Erst von oben wird bewusst, wie riesig Damaskus doch ist. Offiziell zählt die Stadt 1,8 Millionen Einwohner, der Taxifahrer aber, der mich zum Hotel gebracht hat, sprach von fünf Millionen in der Nacht und tagsüber, wenn
die Pendler von anderen Städten zum Arbeiten und Einkaufen kommen, von sechs Millionen.
Moderne Hochhäuser und Minarette fügen sich in das weißgraue Meer der Stadt ein. Hier und da sind breite Straßen zu erkennen und wie große grüne Flecken liegen Parks im Häusermeer. Die Omayyadenmoschee sticht klar aus dem Wirrwar der Altstadtgassen hervor und irgendwo am Horizont
verschmiltzt das Grau der Häuser mit dem der Wüste. Eine lange Treppe führt den steilen Berg hinab durch einen kleinen Park und Kinder nutzen die breiten Steingeländer als Rutschbahn. Der Weg zum Hotel führt durch die moderne Fußgängerzone, die immer gut frequentiert ist. Abends, wenn
die Luft auf etwa dreißig Grad abgekühlt hat, kommt man zum Bummeln, Einkaufen oder trinkt einen frisch gepressten Fruchtsaft und setzt sich dazu auf eine der Bänke die zwischendrin in kleinen Grünanlagen aufgestellt sind.
Aufbruch: | 01.09.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 22.09.2007 |