SYRIEN - Eine Perle des Orients
TÜRKEI
Ich beschließe heute in die Türkei zu Ali zu fahren und dort zu dem entspannenden Teil des Urlaubs über zu gehen. Es ist nicht ganz einfach dorthin zu kommen. Mehrfaches Umsteigen ist nötig. In Latakya, in Antakya in der Stadt und noch einmal am Busbahnhof und von dort weiter nach Tasucu.
Latakya ist eine große Stadt, mit über 500 000 Ein-wohnern, würde sicher etwas bieten. Mein Entschluß aber steht fest. Zehn erlebnisreiche, interessante Tage liegen hinter mir und ich bin etwas faul geworden.
Syrien hat mir sehr gefallen, die großen Städte mit ihren pulsierenden Suqs und großen Moscheen, die alten Wasserräder in Hamah, die immerwährend ächzend und rumorend drehen, Palmyra mit seinen antiken Säulen und Mauern, die Wüste und die freundlichen Menschen, mit denen ich auf Grund von Sprachbarrieren viel zu wenig Kontakt hatte.
Nach Latakya zu kommen ist kein Problem, alle halbe Stunden fährt ein Bus. Von dort aus gibt es wieder ein Transit-Taxi, was grenzüberschreiende Fahrten in die Türkei macht. Die Fahrt geht auf kleinen Straßen durch Dörfer und Berge mit leuchtend-grünen Kiefernwäldern. Der Fahrer spricht zum Glück Türkisch. Sein tägliches Grenz-übertreten hat den Kontakt zu
türkischsprachigen Menschen gefördert und ihm langsam die Sprache gelehrt.
"Icer misin - Rauchst Du?" fragt er mich in einem Dorf kurz vor
der Grenze.
"Hayir - Nein."
"Iki tane paket sigara bavuluna koya bilermisin - Kannst Du zwei
Stangen mit in deinem Koffer über die Grenze bringen?"
Jeder darf zwei Stangen steuerfrei mit ausführen. Drüben kann der Fahrer vier Stangen günstig verkaufen und macht somit noch ein zusätzliches Geschäft.
Der Grenzübergang ist klein und unbedeutend. Wenig Reiseverkehr herrscht. Die Zöllner nehmen den ganzen Kofferraum auseinander, suchen nach Schmuggelware, finden aber nichts und wir dürfen weiterfahren.
Das Türkische Verkehrssytem ist gut ausgebaut und umständlich zugleich. Das Transit-Taxi in der Stadtmitte an dr Stelle, wo ich vor zehn Tagen in das Taxi nach Aleppo gestiegen bin. Von dort bringt mich ein weiteres Taxi zum Busbahnhof. Die Fahrt kostet zehn Lire. Die Ampel wird rot, wir müssen halten.
"Ich halte an der roten Ampel, ich halte mich an die Verkehrsregeln. Bei rot zu fahren kostet zweihundert Lire. Früher hat das niemanden interessiert, aber jetzt sind die Regeln strenger geworden." sagt der Chauffeur fast als Entschuldigung.
Dann erzählt er die Geschichte von einem anderen Fahrgast, der aus Syrien kam:
"Fahr doch weiter!" hatte er an der roten Ampel gesagt.
"Nein wir müssen warten."
" Ich habs eilig."
"Da steht ein anderes Taxi, wenn es dir nicht passt, kannst du
das nehmen."
Der Fahrgast stieg aus, ging zu dem anderen Taxi und kam entsetzt wieder zurück:
"Ich fahr doch bei dir mit, der andere verlangt fünfzehn Lire."
Am Busbahnhof gehe ich an den Schalter:
"Taşucu var mi?"
"Eee." antwortet der Angestellte; die Syrisch-Arabische Weise
"Ja" zu sagen.
Wieder in einem Land zu sein, in dessen Sprache ich denken und sprechen kann, ist ein seltsam angenehmes Gefühl. Ich erkläre ganau, was ich brauche; einen Bus, der nach Taşucu und weiter Rchtung Antalya fährt. Mein Ort, Boğsak, liegt zehn Kilometer hinter Taşucu. Es gibt einen Bus von Antakya nach Izmir, Taşucu und Boğsak liegen auf seiner Route.
Als wir in Boğsak ankommen ist es fast halb elf. Ali ist nicht da, sein Sohn Ümit hält die Stellung und begrüßt mich freundlich. Gut, dass ich unterwegs angerufen habe, sonst wäre ich jetzt vielleicht vor verschlossenen Türen gestanden. Bevor ich auf mein Zimmer gehe, hole ich mir noch ein Efes zum
Tagesabschluss. Auf der Terrasse ist es ruhig und die Sterne flirren wie immer. Manchmal quält sich einer der alten, schwer überladenen LKWs die nahe gelegene Küstenstraße hoch und brummt wie kleines Schiff, das in der Ferne übers Meer schippert.
Jetzt stehen noch knapp zwei entspannende Wochen am Meer an. Gestern hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. Die einen sind tief in ihrem Glauben verwurzelt und halten sich strickt an das Fasten von Sonnenauf- bis Untergang, andere hingegen sitzen Mittags schon in den kleinen Restaurants der Stadt und lassen es sich schmecken. Eine junge, hübsche Türkin in türkisem Bikini läuft mit zwei Flaschen über den Strand und setzt
sich zu ihrem Freund.
Ali ist wieder zurück. Er war ein paar Tage in den Bergen, wo es kühler ist. Er lädt mich abends zum Grillen ein. Es gibt fein gewürztes Fleisch, Fladenbrot und Salate. Interessiert sitzen er und seine Familie da und hören zu, als ich von Syrien erzähle. Wir schauen Fotos auf dem kleinen Display der Digitalkamera an.
"Heute Abend kommen neue Gäste aus Deutschland." verkündet er eines Abends, als ich zum essen komme und fragt, ob ich gleich oder erst später essen wolle.
Ich esse gerne spät, entscheide mich aber doch gleich zu essen, da man nicht genau weiß, wann sie kommen werden. Wenn man den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat, ist acht Uhr spät genug.
"Denen erzählen wir, dass wegen Ramadan das Frühstück schon um fünf serviert wird." scherze ich.
"Das machen wir." lacht Ali, und als sie dann da sind sitzt ihm
der Schalk total im Nacken. Er stellt mich den Gästen als seinen ältesten Sohn vor:
"Das ältester Sohn." zeigt er auf mich, "das mittlerer und das kleinster." sagt er und deutet auf Ümit und Mert.
Die neuen Gäste sitzen jetzt beim Essen, Ümit bewirtet sie fleißig und Mert hilft ihm dabei. Zwei Kinder im Alter von neun und fünfzehn Jahren, die schon früh ihre Aufgaben haben und diese gut zu bewältigen wissen. Wahrscheinlich denken die Neuankömmlinge jetzt:
"Das ist aber ein feiner großer Bruder, lässt die kleinen schaffen und selber sitzt er mit den Eltern in der Stube und schaut fern."
"Kahvalti kaçta, söyle sene! Sag ihnen, wann es Frühstück
gibt!" fordert Ali mich auf, bevor sie auf ihre Zimmer gehen.
"Frühstück gibt es wegen Ramadan schon um fünf."
"Das soll jetzt ein Scherz sein? Oder?" sagt die stattliche Frau
mit den dunklen Locken etwas erschreck.
"Nein, natürlich ist das ein Scherz, ab acht Uhr."
Nachmittags kehre ich vom Strand zurück. Yussuf, der Reiseleiter ist heute Früh vom Vansee gekommen. Gerade will er seine neue Gruppe auf einen kleinen Ausflug in die nächste Umgebung mit nehmen und Ali ermuntert mich mit zu gehen, wenn ich will.
Gleich hinter dem Haus steigen die Ausläufer des Taurusgebirges steil an. Ein steiler Weg führt zickzack hinauf. Faustgroße, helle Steine liegen wie Geröll, machen das Gehen nicht gerade einfacher. Leuchtend grüne Kiefernwälder schmiegen sich an den Hängen und niederes Gestrüpp liegt wie Tupfer auf den grauen Felsen. Das Meer ist tief blau, nur da, wo
sich die Sonne spiegelt schimmert ein glitzernder Streifen, wie
eine Straße aus Silber.
"Ja, wenn du schon so gut Deutsch kannst, willst Du mir dann
vielleicht die Gegend zeigen?" fragt der kräftige, ältere Herr. "Ich
sag einfach Du, ich bin der Bert."
"Ich bin auch aus Deutschland. Ali hat gestern nur einen Scherz
gemacht. Ich bin nicht von hier."
"Ahh, solche seid Ihr also. Ihr seid mir ja richtige Scherzbolde!"
"Ich hab mich schon gewundert, woher du so gut Deutsch sprichst." sagt die Dame, die ich gestern mit der Frühstückszeit
geschockt habe. Sie nennt sich Friedlinde. "Aber ich hätte es jetzt auch geglaubt."
Dabei habe ich doch gar keine Ähnlichkeit mit Ali und seinen Söhnen. Sie sind klein und kugelköpfig. Die einzige Gemeinsamkeit ist der dunkle, südländische Typ.
Auf der Höhe wachsen Johannisbrotbäume. Die Früchte sind gerade reif und hängen wie längliche, dunkelbraune Schoten an den Ästen. Yusuf pflückt eine, und gibt uns zu kosten; ist zäh, klebrig und schmeckt aromatisch süß und erinnert an Kakao. Wir erreichen ein kleines Dorf. Die einzigste Zufahrtstraße ist eine holprige Schotterpiste. Der Vali, der Dorfvorsteher ist da, unterhält sich gerade mit einem anderen Mann. Yussuf spricht sie an:
"Iyi Akşamlar."
"Iyi Akşamlar."
Aus dem Gespräch geht hervor, dass der andere ein Schulbusfahrer ist. Bald beginnt die Schule und jetzt wurde eine Busverbindung für die Kinder eingerichtet. In den letzten Jahren hat die Regierung viel für die Bildung getan: Schulen gebaut und Busse für die Kinder bereit gestellt.
Alis Frau kann gut kochen. Sie schafft es immer wieder ein schmackhaftes Essen zu kreiren. Feine türkische Gerichte, aus Fleisch, Gemüse, Kartoffeln, Fladenbrot und Reis. Schon an den Suppen, die es als Vorspeise gibt, könnte man sich satt essen, wenn sie fruchtig, sämig zusammen mit scharfen Chilliflocken auf der Zunge zergeht. Katzen kommen und fordern maunzend ihren Tribut. Die beiden Katzenbabies sind süß und sind überall beliebt. Das eine ist flaumig und weiß, Mert hat es Pamuk "Baumwolle" genannt. Das andere ist kohlrabenschwarz und hat leuchtend grüne Augen. Sogar die Schnurrhaare sind schwarz. Wenn ich abends auf der Terrasse sitze kommt sie aus dem Dunkeln geschlichen, setzt sich zu mir und lauscht in die Stille.
Etwas ist schief gelaufen. Bert und das eine Pärchen haben eine Wanderreise gebucht, Friedlinde und Detlef aber eine Kulturreise. Auf Grund zu weniger Teilnehmer konnte nur ein Reiseleiter zur Verfügung gestellt werden. Jetzt muß Yusuf sehen, dass er alle zufrieden stimmt, abwägen und Ausflüge
zusammenstellen, die für alle etwas bieten. Bert möchte gerne wandern. Er ist über siebzig aber noch gut in Form und in der Lage weite, anstrengende Fußmärsche zu bewältigen. Friedlinde und Detlef hingegen sind es nicht
gewohnt weit zu laufen, sind nicht trainiert und haben ganz andere Interessen. Das zweite Paar ist unkompliziert, macht alles gerne mit.
Jeden Tag am Strand zu liegen ist zu langweilig und ich bin froh, dass ich, wenn ich will, mit den anderen auf einen Ausfluggehen kann.
Einmal machen wir eine einfache Wanderung im Tal, vorbei an Bäumen mit reifen Feigen, und an Weinstöcken, wo wir von den süßen Früchten naschen. Ein andermal fahren wir hoch ins Taurusgebirge hinauf, wo man eine alte Kirchenruine besichtigen kann, und wo es auch ein leckeres Pick Nick gibt.
Die letzten Tage lasse ich dann gemütlich am Strand ausklingen.
Aufbruch: | 01.09.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 22.09.2007 |