SYRIEN - Eine Perle des Orients
DEIR-EZ-ZOR: ABU KAMAL
Die Toyota Hiace sind praktisch, klein und wendig, dennoch bieten sie reichlich Platz für zehn bis fünfzehn Reisende. Der Fahrer zeigt mir den Weg zur Polizeistation, bei der sich jeder, der nach Abu Kamal fahren will, eintragen lassen muss. Ein uniformerter Beamter mit Händen wie Maulwurfsschaufeln kritzelt mit einem abgeschriebenen Bleistift meinen Namen in Arabischen Lettern in ein dickes Schreibheft, in welchem sich
schon hunderte zuvor haben verewigen lassen. Die Fahrt geht vorbei an Dattelpalmen, Obstbäumen und grünen Gemüsefeldern, die ihr Dasein nur dem Eufrat, der einzigen Lebensader weit und breit, zu verdanken haben. Kleine Bauerndörfern liegen auf dem Weg. Das Leben ist ländlich. Einfache Häuser prägen diese Dörfer und noch hat dr Traktor den Esel nicht ganz verdrängt.
Abu Kamal ist eine kleine Stadt mit etwa fünfzigtausend Einwohnern, direkt am Eufrat. Die wichtigste Straße ist die Baghdad Street, die weiter in die Hauptstadt des nur acht Kilometer entfernten Iraq führt, dorthin, wo einst Saddam Hussein und sein missratener Sohn Uday ihr Unwesen trieben.
Abu Kamal hat keine besonderen Sehenswürdigkeiten, es gibt absolut nichts, was einen Touristen anziehen würde. Vielleicht ist es auch gerade das, was hier so interessant ist: Die unmittelbare Nähe zum Iraq, die vielen Autos, die von dort herüber kommen und an den fremden roten Kennzeichen zu erkennen sind, die Ursprünglichkeit, die vielen Einheimischen, die in ihrer schönen fremdartigen Kleidung, aus weißen
Dschalabiyahs und leuchtenden Kefiyes, besteht, auf dem Vorplatz der Moschee, deren Kuppel hell wie Marmor in der Sonne glänzt, auf schattigen Bänken unter Bäumen sitzen, reden und immerwährend mit ihren Gebetsketten spielen, der alte Suq mit seinen Ständen, wo die frischen Kräuter langsam vor sich hinwelken und dem Fleisch, was von summenden Fliegen gut besucht, in der prallen Sonne liegt, der Laden, in dem lederne
Pistolenhalfter von den Wänden hängen und kleine Pappschächtelchen mit Munition darin in den einfachen Holzregalen stehen, die grauen Esel, abgemagert bis auf die Rippen, die gelangweilt in den Gassen stehen und mit dem Schwanz die lästigen Fliegen vertreiben, die alten Spitzbogengewölbe, und die vielen bunten Sachen, die vor den Läden hängen. Ich bestelle ein Shawarma und nehme eine Flasche Guavensaft, der so exotisch fruchtig schmeckt, aus dem Kühlschrank. Das ist das, was ich am Alleinreisen so liebe: die Gepflogenheiten der einzelnen Länder kennen zu lernen, zu sehen, was es wo gibt, was es in andern Ländern nicht gibt. Das Land oder eine Stadt aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen, als aus einer großen Gruppe heraus, die nach strengem Zeitplan im Eiltempo von Highlight zu Highlight von Suq zu Suq und von Restaurant zu Restaurant getrieben wird.
Wieder geht ein erlebnisreicher Tag zu Ende, der Beinaheunfall, den wir fast gebaut häten, als ein Auto unseren Weg abschnitt und sinnlos auf die Bremse trat, sodass wir ausweichen mussten und fast in die Wüste hinausgefahren wären, Abu Kamal, oder der Rucksacktourist, der nach Dura Europos wollte und bis nach Deir ez-Zor mitgefahren ist, weil der Fahrer vergessen hat, ihn an der richtigen Stelle aussteigen zu lassen. Jetzt habe ich alles gesehen, was ich mir vorgenommen hatte und weiß noch nicht so recht, wie ich meine Reise fortseten soll. Entweder ans Mittelmeer und dort noch ein zwei Tage bleiben, bis ich endgültig in die Türkei in Alis Hotel fahre, wo ich die letzten zwei Jahre schon gewesen bin und wo mir die nette,
familiäre Athmosphäre so gefallen hat, oder über Qamishli nach Südostanatolien und von dort aus über Urfa und Mardin weiter zu Ali. Ich entscheide mich für ersteres. Morgen nach Tartus und wenn es dort einen netten Strand gibt bleibe ich noch ein paar Tage dort.
Aufbruch: | 01.09.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 22.09.2007 |