Deutschlandtour mit dem Lidl-Ticket
Trabi on Tour !
Was ich mir für heute vorgenommen habe ??? Eine klassische Stadtrundfahrt durch Leipzig, aber mit einem besonderen Gefährt. Ich bin noch nie in meinem Leben Trabi gefahren und heute ist der Tag des Tages !
Während der Reisevorbereitungen hatte ich nach einer Möglichkeit gesucht, eine Stadtrundfahrt per Trabi zu buchen. Das war in Leipzig und Berlin theoretisch möglich. Allerdings immer nur als Selbstfahrer-Tour im gemieteten Trabi allein oder (bezahlbarer) als Gruppe. Für eine allein-reisende Person, die eine geführte und gefahrene Trabitour wollte, gab´s jedoch weder in L noch in B eine Option. Aber man kann ja mal nett fragen. Und so fragte ich in L per email an. Ich bekam so hammernett und prompt Antwort, das war echt unglaublich. Man bot mir genau das, was ich wollte, zu einem Preis von 120 EUR für ca. 1,5 Stunden an: Trabi, Stadtrundfahrt mit Fahrer/Guide, Möglichkeit zum selber fahren, Abholung/Rückbringung am Hotel, perfekt !!!!
Pünktlich um 10.00 Uhr vormittags stand dann dieser freundlich-graue Trabi vor der Hoteltür und ein sehr netter eloquenter junger Mann namens ? (Name leider vergessen) stellte sich mir als mein Fahrer/Guide für die kommenden 1,5 Stunden vor.
Mein Eindruck vom Fahrzeug ? Tja, ich war angenehm überrascht: Man saß darin besser und bequemer, als je von mir zuvor gedacht. Das Fahrgeräusch war wesentlich leiser, als vermutet. Das Motorgeräusch war zwar schon irgendwie Knattern, aber eigentlich auch nicht schlimmer, als das klingelnde Tuckern eines VW-Käfers. Und die Karre war doch in der Beschleunigung ziemlich fix unterwegs mit den 30 PS unter der Haube. Aber klar, das Ding wiegt ja auch nichts.
Also, nichts wie los !
Am Leipziger Zoo vorbei ging es zunächst in den Stadtteil Gohlis.
Mein Fahrer/Guide erzählte übrigens saugut Geschichten über alles, was wir jetzt so links und rechts sahen. In herrlichem sächsisch - aber er konnte auch astrein hochdeutsch. Er war übrigens definitiv ein Kind der Nach-Wende, ich schätzte ihn auf ca. 22 Jahre.
In der Schokoladenfabrik VEB Goldeck wurde laut seinen Erzählungen beste Schokolade hergestellt, die dann in den Westen exportiert und bei uns dann z.B. als Sarotti-Schokolade verkauft wurde. Die wiederum wurde dann häufig als West-Paket wieder in die DDR verschickt und dort freuten sich die jeweiligen Empfänger über "West"-Schokolade. Wenn das so stimmt, ist es krass und stimmt mit den Aussagen des Schokoladen-Museums in Köln nicht überein. Außerdem frage ich mich: Aus welchem kommunistischen Bruderstaat hatten sie damals die Kakaobohnen ???
Schiller und Goethe waren zu ihrer Zeit ja ganz groß in Leipzig zugange...
In diesem irgendwie halben Haus hat Schiller gewohnt und schrieb die Ode an die Freude. "Freude schöner Götterfunken, Töchter aus Elisium..." Geil, ich kann den Text noch...
Ansonsten sollen sich Schiller und Goethe schwer amüsiert haben hier in Leipzig. Da gibt´s ja dann auch noch die berühmte Keller-Kneipe...
Wir durchqueren weitere Stadtviertel, vor allem Wohnviertel mit extraklasse restaurierten Jugendstil- und Gründerzeithäusern. Scheinbar im 2. Weltkrieg kaum zerstört, aber während der DDR-Zeit heruntergekommen bis zum geht-nicht-mehr. Heute jedoch wieder tipp-topp restauriert und wunderschön.
Ekelhafte, heruntergekommene Plattenbau-Siedlungen gibt es aber auch noch hie und da. Allerdings eher selten zu sehen. In den Außenbezirken Leipzigs sind sicher mehr davon vorhanden, ist meine Vermutung.
Das Stadion von Leipzig, bzw. jetzt Red-Bull-Arena. Fußballfan bin ich jetzt nicht, aber selbst ich weiß, dass Red Bull dem Leipziger Team momentan echt Flügel verleiht...
Mein Trabi und ich ! Der Parkplatz ist groß genug, wenig andere Autos, keine Bäume, Menschen oder Tiere. Relativ gefahrloses "Selber-Trabi-fahren" sollte hier für mich möglich sein. Ich setze mich hinters Steuer. Vor allem die Lenkradschaltung ist natürlich gewöhnungsbedürftig. Im Fußraum ist pedal-mäßig alles normal. Der Motor spricht recht gut auf´s Gas an und ja, die Karre fährt sich einwandfrei !
Zwischendurch frage ich mal aus purer Neugier, warum es denn noch relativ viele Trabis gibt, aber kaum noch Wartburg´s ? Die Wartburg´s waren ja wohl schließlich die DDR-Mercedes´, oder ? Tja, diese Frage konnte mein Guide auch nicht abschließend beantworten. Es gab davon wohl sowieso weit weniger und besser gehalten haben sie wohl auch nicht. Und es gibt da scheinbar auch ein riesiges Ersatzteil-Problem.
Herr Honecker beliebte übrigens, schwedisch oder französisch im Volvo oder Citroën unterwegs zu sein...
Entlang dieser langen Straße - Partymeile und Kneipenzone - kommt mein Guide so richtig ins Erzählen und Schwärmen. Es ist die Karl-Liebknecht-Straße, im Volksmund "Karli" genannt. Eine Ausgeh-Hochburg für junge Leute am Wochenende...
Mein Trabi-Taxi-Fahrer erzählt mir von wirklich irren Kneipen, die es entlang der Karli geben soll: Darunter wohl eine, die ein "offenes" Damenklo ihr eigen nennt. Mädels wandern ja meistens grüppchenweise auf die Toilette und damit sie sich in dieser Bar noch besser unterhalten können, soll es in diesem Lokal keine Trennwände geben - auf dem Örtchen. Man mag es kaum glauben...
DDR-Werbung steht in L zumindest unter Denkmalschutz, mittlerweile. Zurecht, finde ich. Die sogenannte "Löffelfamilie" des VEB Feinkost Leipzig ist so eine schöne, nostalgische Reklametafel. Der Unterhalt solcher (beleuchteten) Werbetafeln kostet Geld, natürlich. Deswegen steht unterhalb der Tafel hier eine kleine Fotobox - und wer Geld einwirft, um ein nostalgisches Foto-Box-Bild zu erhaschen, bringt das Neon-Bild der Löffelfamilie zum Leuchten ! Cool, oder ?
Und für die ewig-gestrigen, oder neo-hippen Leute: Das Kollektiv. Eine Ur-DDR-Kneipe mit Original-Ausstattung und Original-Menü. Dort gibt es mit Sicherheit das Leipziger Allerlei. Mittlerweile ist das Lokal natürlich "Kult".
Aber auch im Waldviertel von L hatte mein Guide mir z.B. eine Bäckerei gezeigt, in der es original DDR-Brötchen bis zum heutigem Tage nach altem, bewährtem Rezept gibt. Die sollen hammerlecker schmecken. Ich finde es toll, dass sich das Gute aus dem Schlechten bewahrt hat.
Noch ein schönes Beispiel für DDR-Werbung: "Wie aus dem Ei gepellt" war eine Reklame für den ehemaligen "VEB Färberei und chemische Reinigung".
Nun befinden wir uns auf dem riesigen MDR-Gelände mit unheimlich vielen neuen Gebäuden. Es ist die Medien-City von Leipzig. Zielsicher kutschiert mich mein Fahrer vor den Eingang dieses Gebäudes mit obiger Aufschrift und sagt "this is it ! Das wollen immer alle Touristen fotografieren, also bitteschön, ich mache auch gerne ein Foto von Ihnen vor der Tür, wenn Sie wollen !"
Sch.., ich bin sowas von raus und weiß gar nicht, was er überhaupt meint und wovon er redet. What - the hell, f... shit - soll das darstellen ??? Ich bin überfordert und traue mich kaum, zu fragen. Denn offenbar stehe ich vor einer der berühmtesten Lokalitäten Leipzig´s der Jetzt-Zeit.
Mein Begleiter erkennt meine ratlose Miene offensichtlich. "In aller Freundschaft ? Die Fernsehserie ? Die MDR-Krankenhaus-Soap ?" erkundigt er sich vorsichtig. "Ach ja, na klar, natürlich ! Ich stand nur gerade auf dem Schlauch, sorry. Wie cool ist das denn ?"
Ganz ehrlich: Ich habe noch nie auch nur eine Folge davon gesehen, ich habe keinen blassen Schimmer, worum es da geht und lüge mich nur zur Ehrenrettung da irgendwie raus. Die einzige Krankenhaus-TV-Serie, die ich je verfolgt habe, war "ER" Emergency Room aus den USA in den 90ern, aber da spielte ja auch George Clooney mit.
Okay, kostenlosen Geschichtsunterricht gebe ich hier nicht. Man möge bitte selber googlen nach der Völkerschlacht von 1813 vor den Toren Leipzigs. Nur soviel sei gesagt: 100 Jahre nach dieser Schlacht stand das Denkmal parat, 1913. Es ist eines der größten Denkmäler Europas und eigentlich nicht besonders schön. Man darf auch hinein und kann nach ganz oben für eine gute Aussicht aus 91 m Höhe. Ich bin nicht hinein gegangen, kann das Innere also nicht beurteilen. Von draußen ist es - naja, nett. Cooler Pool im Vordergrund. Ansonsten ein Granit-Klotz, der so rein gar nichts versprüht an Charme. Dennoch - die Leipziger scheinen das Teil zu lieben und auch echt stolz auf dieses Wahrzeichen der Stadt zu sein.
"Völki" ist natürlich fester Bestandteil der City-Tour. Und muss man ja auch gesehen haben als Besucher - keine Frage.
Überraschenderweise sagt mein Guide jetzt " wir sind fast durch, aber ich möchte dir noch was zeigen". Und so knattern wir heraus aus der Stadt in ländliches Gebiet, durchqueren Vororte und Dörfer und sind plötzlich in einem riesigen Seen-Gebiet. Das - so erklärt mir mein Begleiter - waren früher Braunkohle-Abbau-Gebiete. So ein altes Braunkohle-Werk hat man auch stehen lassen, als Industrie-Museum. Aber die ganzen Löcher, Kuhlen usw. hat man geflutet und so ist kurz vor den Toren Leipzigs ein riesiges Naherholungsgebiet entstanden. Da kann man schwimmen, rudern - ach, fast alles. Und auf diese Weise hat Leipzig theoretisch jetzt sogar Zugang zur Nordsee. Denn man könnte tatsächlich über diese Seen-Landschaft und Kanäle Zugang zur Elbe erlangen und so irgendwann und irgendwie in die Nordsee hineinschippern.
Stalinstachel von Leipzig - nein, aber sowjetische Messehalle. Das Gebäude ist alt - aus den 20ern, der Goldstachel stammt aus den 50ern inklusive des roten Sterns... Noch heute steht das Gebäude leer. Es soll aber demnächst wieder irgendwas einziehen. Was auch immer.
DAS soll jetzt echt so aussehen, wie ein Buchdeckel - hmmm. Bücherregal aus den 70ern schon eher, ich würde gerne mal rein, denn da drinnen sollen alle Bücher Deutschlands stehen. Bzw. auf deutsch. Ich würde gerne mal nachsehen, ob sie meine Lieblingsbücher auch parat haben. Nächstes Mal...
Das ist nicht Plattenbau - sondern ziemlich schick - war aber vielleicht mal "Platte", bevor man mit dem Fassaden-Tuning angefangen hat. Jedenfalls hat hier in diesem Haus mal Angela Merkel gewohnt, während ihrer Studentenzeit in Leipzig.
Katholische Kirchen gab´s in der DDR kaum. Diese namens St. Trinitatis ist eine. Natürlich nach der Wende gebaut, verrät schon die moderne Optik. Von den humorvollen Leipzigern als St. Tetris veräppelt. Nicht ganz zu unrecht...
Und da ist sie: Die Sowjet-Architektur par excellence in Leipzig ! Monumental. Klotzig. Protzig. Riesig. Und dennoch nicht unschön. Ich mag das durchaus sehen und besonders cool ist, dass es noch heute das Ring-Café in diesem Klotz gibt, wie auch schon vor zig Jahren zuvor...
Leider, leider ist die überaus amüsante Trabi-Tour nun vorbei. Wir erreichen wieder mein Hotel und ich verabschiede mich wehmütig von dem süßen, kleinen, grauen Knatterauto und dem so netten und witzigen Tourguide.
Im Hotel mache ich mich kurz frisch und bin dann schon wieder auf Achse Richtung Innenstadt.
Richard Wagner wurde 1813 in Leipzig geboren und deswegen steht seit 2013 dieses Denkmal anlässlich seines 200. Geburtstages hier. Allerdings heute vor einem Bürogebäude, das wohl ehemals Stasi-Gebäude war. Ist sowieso ehemalige Stasi-Ecke hier. Wenige Meter weiter steht nämlich das heutige "Museum in der runden Ecke" - im ehemaligen Stasi-Hauptquartier von L. In dem Gebäude war wohl ursprünglich mal eine Feuerversicherung untergebracht, später jedoch die Stasi. Heute ist es ein Museum, das null Eintritt kostet, zwar nicht der absolute Burner ist, aber trotzdem sehenswert. Die Mitarbeiter dort sind vor allem total nett und hilfsbereit. Ein Rundgang lohnt sehr und kostet wenig Zeit - und wie gesagt - kein Geld.
Aber ist halt Stasi-Geschichte, kann man sich als "Wessi" kaum vorstellen, was die so getrieben haben...
Auf dem prominenten Grundstück stand seit dem Mittelalter Auerbachs Hof, wo dann ja auch der berühmte Keller war. Wo eben Goethe und Schiller feucht-fröhlich-feiernd zugange waren. 1911 kaufte ein gewisser Anton Mädler den Gebäudekomplex und ließ alles abreißen. Die Mädlerpassage entstand. Und wurde fortan als Messehaus genutzt - bis 1989. Nach der Wende riss sich der unrühmliche Jürgen Schneider das Areal für 80 Mio. DM unter den Nagel. Was mit dem besagten J.S. passierte, ist ja hinlänglich bekannt: Er gab sich als Immobilien-Tycoon, betrog, log und täuschte Banken, wanderte dafür in den Knast, lebt aber scheinbar noch immer irgendwo und irgendwie...
Die Mädler-Passage ist hingegen noch immer Aushängeschild von Leipzig, beherbergt edle Boutiquen und - natürlich - auch immer noch Aucherbach´s Keller. Immerhin sollen gewisse Anteile an der Passage heute einer Enkelin von Anton Mädler gehören.
Eigentlich finde ich das Tagesangebot für dieses Restaurant nicht zu teuer, aber ich habe noch keinen Hunger. Also bin ich auch nicht die Treppen hinuntergegangen, weil ich mir denke, dass die im Restaurant bestimmt keinen Bock auf Leute haben, die nur gucken und fotografieren wollen und nichts konsumieren.
Mein persönliches Highlight: Die DDR-Küche aus den frühen Seventies. Stinknormale Westküchen, wie z.B. auch unsere, sahen nämlich kaum anders aus.
Im Dachstuhl wird ein Luftangriff aus dem 2. Weltkrieg simuliert geräuschstechnisch. Da gefriert einem das Blut in den Adern...
Das interaktive Stadtmodell ist auch toll, man hat per Klick auf einen Schalter den Direktvergleich von Mittelalter zu heute. Sowas hat Köln auch, aber hier befasse ich mich länger mit der Spielerei, weil´s irgendwie cooler gemacht ist.
Den Rest des Spätnachmittages verbringe ich mit logistischen Erfordernissen für die Weiterreise: Ich muss dringend schwere Sachen loswerden ! Also kaufe ich in einer Postfiliale das größte Packset, das zu bekommen ist, befülle es in meinem Hotel mit der Froschjacke, den Winterboots, Schmutzwäsche und einigen anderen (schweren) Sachen, die ich nicht mehr brauche, schleppe das heavy Teil in den Bahnhof zur nächsten DHL-Annahme und schicke es nach Hause. So, Ballast losgeworden !
Inzwischen jetzt doch hungrig, kaufe ich im Bahnhofs-Aldi ein Mikrowellen-Menü und schnabuliere es zur passenden TV-Unterhaltung via Internet (Shopping Queen) in meinem Zimmer.
Telefonisch kündige ich das Eintreffen des Paketes bei meiner Mom an und schmiede ansonsten Pläne für den morgigen, letzten Tag in L.
Es steht noch einiges auf dem Zettel !
Aufbruch: | 11.11.2016 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 27.11.2016 |