Deutschlandtour mit dem Lidl-Ticket
3 Nüsse für Aschenbrödel...
Ich wache sehr früh auf, gehe runter ins 80-Jahre Frühstücksparadies dieses Hotels und schnabuliere ein richtig leckeres Frühstück. So mit allem, Rührei und Lachs und so.
Dann plünne ich mich an, so richtig: Mütze, Schal, Handschuhe, Wanderstiefel, Daunenjacke. Es wird hochgehen zu den Schlössern und dafür muss ich durch den Wald...
♫ : lalalala-lalaleila-lala. Ich wandere nun durch den Allgäuer Wald. Nein, nicht wirklich: Die Straße verläuft gleich nebenan, keine 10 m vom Waldweg entfernt. Aber trotzdem ist es "Wald-Feeling", wenn man nicht nach links guckt. Es ist puderzucker-weiß und als dann auch noch ein paar Schneeflocken vom Himmel rieseln, fühle ich mich wie das Aschenbrödel auf dem Weg zum Ball im Märchenschloss, wie in dem alten tschechischen Märchenfilm... Es fehlen natürlich einige entscheidende Accessoires, wie der Schimmel, die magischen Nüsse, die Eule, die Tauben und das Kleid...und die Schuhe, vor allem die Schuhe ! Ach ja, der olle Prinz kommt natürlich auch nicht aus dem Dickicht geschossen...
Der Traum ist spätestens ausgeträumt, als ich den imposanten Parkplatz am Fuße der Schlösser erreiche. Hier ist in der Hochsaison sicher alles zugeparkt, heute herrscht fast gähnende Leere. Rund um´s Ticketcenter, wo ich meine Reservierung auch noch in die echten Tickets tauschen muss, gibt es reichlich touristische Infrastruktur: Souvenirläden mit unsäglichem Kitsch, Restaurants und Hotels, Geschäfte, eine Tourist-Information und die Bushaltestelle. Und natürlich die Kutschenstände.
Ich bin reichlich früh dran, tausche meine Tickets, wobei ich noch einen kleinen Kombi-Rabatt bekomme, weil ich die Reservierungen für beide Schlösser online gemacht habe, ohne den Kombi-Tarif auszunutzen. Sehr nett von der Ticketschalter-Dame !
Es gibt 2 Optionen, zu den Schlössern hochzukommen: Zu Fuß (was zum Schloss Neuschwanstein ca. 40 Minuten dauert, recht anstrengend und teilweise steil ist und zum Schloss Hohenschwangau ca. 20 Minuten) oder per Kutsche, was 6 EUR/Weg kostet. Ich entscheide mich für die Kutsche.
Zu Fuß unterwegs sind etliche Menschen, hauptsächlich Asiaten - ich vermute mal, Chinesen. Sie schwitzen ordentlich auf dem steilen Weg und tragen teilweise noch nicht mal mehr eine Jacke. Der Weg hinauf ist wunderschön und führt durch Wald mit teilweise fabelhaften Ausblicken. Oben angekommen, gibt es einen Freiluft-Wartebereich mit ein paar Schautafeln und wieder herrlicher Aussicht. Die jeweils nächsten Führungen werden digital und nummeriert über ein Display angezeigt. Ich habe eine der ersten Führungen des Tages und muss noch warten. Um diese Wartezeit totzuschlagen, gibt es zu dieser Jahreszeit so gut wie keine Möglichkeiten. Das nahegelegene Restaurant ist geschlossen, der Souvenirshop ebenfalls (es ist nur ein kleiner Kiosk im Schlosseingang geöfffnet) und ausgerechnet jetzt ist auch der Zugang zur Marienbrücke über die Pöllat-Schlucht geschlossen. Die Fassade des Eingangsbereichs des Schlosses ist eingerüstet und eine Baustelle. Das leichte Schnee-Geriesel von meinem Aschenbrödel-Waldspaziergang ist in Regen übergegangen und so ist die halbe Stunde, die ich totschlagen muss, richtig fies. Angeschlossen an den kleinen Souvenir-Kiosk im Schlosseingang gibt es aber einen beheizten Wartebereich und da lasse ich mich schniefend und tropfend auch nieder.
Die letzten ca. 150 m muss man vom Kutschenparkplatz auch zu Fuß aufsteigen. Neuschwanstein ist leider überhaupt nicht behindertengerecht, auch drinnen nicht. Es gibt nur Treppen.
Die Führung durch´s Schloss: Sie dauert ca. 30 Minuten, beginnt mit einem Aufstieg durch´s Treppenhaus des Turm´s und ist recht interessant. Als geschichtsinteressierter Deutscher hat man die Geschichte von König Ludwig und Neuschwanstein schon 1000 Mal gehört und/oder gelesen. Als Chinese sicher nicht.
Im Inneren des Schlosses herrscht absolutes Foto-Verbot. Rucksäcke muss man frontweise vor sich her tragen. All das finde ich schon etwas doof. Was bekommt man nun im Inneren zu sehen ? Zunächst Treppenhäuser, dann einige Säle. Mit Kronleuchtern und Thron. Es ist aber nicht wirklich wahnsinnig prunkvoll. Aber es ist ja auch nie fertig geworden. Cool sind die für damalige Verhältnisse technischen Neuheiten: Elektrisches Licht, eine Art Zentralheizung, automatische Toiletten, eine Haus-Klingelanlage und sogar Telefon ! Man konnte zwar praktisch noch (fast) niemanden anrufen, weil sonst noch niemand Telefon hatte, aber der "Kini" hatte ein Telefon !
Man sieht den Sängersaal und die Grotte. Ludwig II. war ein Mega-Fan von Richard Wagner und Neuschwanstein ist eine Reminiszenz an Wagner-Opern. Und die sind ja schwere Kost. R.W. hat die Nibelungen-Saga zu triefenden Opern verarbeitet, Ludwig fand sie cool, die germanischen Helden-Saga´s. Aber er war auch total depressiv, offensichtlich. So ein Interieur, wie in diesem Schloss, schafft sich nur jemand, der eigentlich todtraurig und völlig vereinsamt ist. Völlig pleite wegen Neuschwanstein, war er auch. Bismarck hatte zwar noch finanziell geholfen, aber das Cinderella-Schloss wurde niemals fertig. Ludwig wurde am 13.06.1886 tot im Würmsee aufgefunden. Man hat nie herausgefunden, was oder wer ihn umgebracht hat.
Runter nimmt kaum jemand eine Kutsche - ich auch nicht. Der Spaziergang wieder runter dauert eine Weile, aber ich lasse mir extra Zeit, weil ich noch locker Luft habe, bis zur Führung in Hohenschwangau.
Vom Ticketcenter bis zum Eingang Hohenschwangau sind es zu Fuß ca. 20 Minuten. Auch in diesem Schloss herrscht absolutes Fotoverbot und die Führung finde ich nicht halb so gut und interessant, wie in Neuschwanstein.
Mit dem öffentlichen Bus und komplett ohne Souvenirs verlasse ich die Schlösser, lasse mich direkt bis Füssen kutschieren, kaufe im Supermarkt ein und werde irgendwann am Nachmittag an der Bushaltestelle vor meinem Hotel wieder ausgespuckt. Es reicht für heute. Und morgen ist ja auch schon wieder Reisetag.
Den Tag lasse ich mit Shopping Queen aus meiner Heimatstadt Flensburg ausklingen, amüsiere mich darüber sehr gut, telefoniere in die Heimat und packe meine Siebensachen wieder ein.
Aufbruch: | 11.11.2016 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 27.11.2016 |