Ostsee-Tournee
Ruhetag in Stockholm
Endlich ein Ruhetag
Am 30.06.18 hatte ich in Helsinki das letzte Mal mein Fahrrad stehen lassen und mich einen Tag bei einer Sightseeing-Tour in der Stadt ein wenig erholt. Das ist jetzt gut drei Wochen her, in denen ich 2654 km rund um den Bottnischen Meerbusen zurückgelegt habe. Allerhöchste Zeit, wieder einmal die Beine baumeln zu lassen und Kraft für den Endspurt der letzten beiden Wochen zu sammeln. Dem Cykelsparet habe ich für ein paar Tage den Rücken zugekehrt und habe mich ein bisschen von der Küste entfernt, weil ich mir gern auch einen Eindruck von Uppsala verschaffen wollte und von dort bin ich dann nach Stockholm gefahren, in einem Hotel direkt im Zentrum untergekommen und habe ein bisschen Touristenprogramm gemacht. Natürlich, wie es sich für einen ordentlichen Touristen gehört, immer mit der Kamera in der Hand. Allerdings mache ich im Gegensatz zu anderen viele Wege dreimal: am Abend, am Morgen und noch einmal in der Nacht, um das richtige Licht für die Fotos zu erwischen - und damit relativiert sich die Geschichte mit den baumelnden Beinen schon wieder deutlich.
Uppsala hat auf den ersten Blick einen sehr schönen Eindruck auf mich gemacht mit einer tollen Atmospäre in der Stadt, auch wenn ich immer wieder überrascht bin, wie ausgestorben die Städte hier oft wirken (für einen zweiten Blick war keine Zeit). Das mag sicher mit der Hauptferien- und -urlaubszeit zusammenhängen, wohl aber auch mit der Hitze, die wie Blei auf dem Land liegt. Heute sagte mir eine Stockholmerin, es soll der heißeste Sommer in Schweden seit 226 Jahren sein - und ich mitten drin.
Über Uppsala thront das Schloss - es wohl eines der schmucklosesten Schlösser, das ich je gesehen habe
Ein sehr schöner Park zieht sich am Flussufer durch die Innenstadt und die Hausboote sorgen für ein besonderes Flair
Wir feiern uns in und um Schleswig und umgebung ja gern für unsere Wikingervergangenheit. Gibt's hier auch, nur viel mehr.
Allein im Park vor der der Universität von Uppsala stehen cirka zehn aufwändig gestaltete Original-Runensteine. Manchmal stehen sie auch nur einfach in der Landschaft rum. Einer an der Straße und einen habe mitten in einem Getreidefeld entdeckt - es ist also alles wie immer sehr relativ mit den historischen Besonderheiten und was man draus macht.
Ein Bett im Kornfeld, aber mit Hütte drum herum. Für dieses Foto bin ich einmal in das Weizenfeld gegangen..
...und da wird das ganze Elend der Dürre deutlich. Das sind keine Stoppeln, sondern ca. 20 cm hoher, äußerst spärlicher, erntereifer Weizen. Ich habe keine Ahnung, wie die riesigen Mähdrescher den ernten sollen
Ähnlich wie die meisten Städte, durch die ich hier in Skandinavien gekommen bin, ist auch Stockholm bestens auf Radfahrer eingerichtet. Nicht ganz so perfekt wie Helsinki, aber man kann sich auch hier ganz entspannt mit dem Rad in der Großstadt bewegen. Die Wegweisung ins Zentrum beginnt knapp 30 km vorher. Obwohl ich vor ein paar Jahren schon einmal hier war, ist ein Tag natürlich viel zu wenig, bei vielen Möglichkeiten, die diese Stadt bietet. Aber da ist es wieder, mein übliches Problem mit der Zeit...
Wie schon erwähnt, Touristenprogramm ist angesagt. Königspalast, Reichstagsgebäude, Vasa-Museum, Rathaus, Rundfahrt mit dem Schiff durch die Hauptstadt - bei der ich prompt eingeschlafen bin - und einfach bisschen gucken und es mir gut gehen lassen. Und, nein, ich habe mir kein Tretboot gemietet, um damit die Sehenswürdigkeiten der Innenstadt vom Wasser aus zu erkunden. Wäre wohl irgendwie kontraproduktiv...
Das hier ist übrigens das Lieblingsmotiv der meisten Touristen: MUDDIVOR... Besonders geschätzt bei Ostasiaten, aber auch Europäer aller Altergruppen sind immer wieder begeistert von diesem Motiv. Auch sehr beliebt ist das Motiv ICHVOR, wobei dieses Motiv in der Regel jünger ist.
Eine der besten Adressen in Stockholm, der Strandwägen mit vielen alten und neuen Schiffen als reizvolle Kulisse vor der Haustür
Ausgestellt wird das Kriegsschiff Vasa, das vor fast 400 Jahren bei seiner Jungfernfahrt nach 1300 m Fahrtstrecke vor dem Hafen von Stockholm sankt, 1956 wiederentdeckt wurde und zu 98% im Original erhalten ist. Ein prachtvolles und beeindruckendes Schiff in einem modernen Museum
Hinter dem Königsschloss liegt die Gamla Stan mit ihren engen und verwinkelten Gassen, die nicht nur in der Nacht zum ziellosen Schlendern reizen
Einen Leuchtturm habe ich Stockholm zwar nicht entdeckt, dafür aber zwei Feuerschiffe in den Museumshäfen der Stadt
Heute in zwei Wochen sollte ich gern wieder in meinem Büro sitzen, dann ist der Urlaub zu Ende. Dazwischen liegen noch gut und gern 1300 km Strecke, wenn ich denn bis zum Südzipfel Schwedens durchfahre und dann über die dänischen Inseln nach Hause radle. Also noch ein heißer Ritt und kein Grund langsam austrudeln zu lassen. Es gibt zwar noch immer die Möglichkeit, von hier oder unterwegs quer rüber Richtung Kopenhagen zu fahren, aber es hat auch etwas mit sportlichem Ehrgeiz zu tun, die Runde vollständig zu absolvieren. Mal sehen, ob die Beine die Pause honorieren. Ab und zu höre ich den Ratschlag, ich könne doch auch mal ein Stück die Bahn nehmen, aber...
Nichts geht mehr!
Während ich diesen Bericht schreibe, genieße ich die schönste Aussicht aus dem Rezeptions- und Restaurantgebäudes des hiesigen Campingplatzes auf den schmalen Ostseefjord bei Valdemarsvik, die man sich vorstellen kann. Allerdings will sich der Genuss nicht so richtig bei mir einstellen, weil ich hier wider Willen sitze, aber mein Fahrrad wollte es wieder einmal anders. Denn eigentlich wollte ich bei Temperaturen um 30 Grad im Schatten (in der Sonne steigen sie auch gern mal über 50 Grad) unterwegs sein und literweise Wasser durch die Poren treiben.
Ich hatte ja berichtet, dass bei 5400 km die Pannenserie an meinem Rad begann, die jetzt bei 6400 km noch einmal einen Tiefpunkt erreicht hat. Trotz der Wärme, an die sich der Körper ganz gut gewöhnt hat, wenn er denn genug Flüssigkeit bekommt, kam ich nach Stockholm ganz zügig Richtung Süden vorwärts. Küste und vor allem die Ortschaften sind abwechslungsreich und vor allem die Kleinstädte entsprechen noch viel mehr den Schweden-Bilderbuch-Klischees als im Norden.
(Königs-) Schlösser liegen am Wegesrand und bieten sich für kurze Verschnaufpausen ein - zumal es immer die Möglichkeit für Kaffee und Kuchen gibt
Söderköping lockt nicht nur mit einem schönen Stadtbild, sondern hier kann man auch lecker Kühlmittel auffüllen
Frisch gestärkt habe ich Söderköping verlassen und bin ganz guter Dinge, noch ein schönes Stück zu schaffen, denn so langsam habe ich jeden Tag die Reststrecke im Hinterkopf und rechne, wie lange ich noch gebrauche und wie lang die einzelnen Etappen dafür sein müssen. Dann, nach zehn Kilometern, irgendwo im Nichts, bei einer schnellen Bergabfahrt, plötzlich ein lautes Knacken und Scheppern von der Kette und dem Hinterrad und von jetzt auf sofort geht erst einmal nichts mehr. Kurzzeitig hatte ich ähnliche Probleme schon vorher, konnte sie aber nicht einordnen und auch nicht die Ursache feststellen. Jetzt war aber schnell klar, dass der Freilauf des Hinterrades seinen Geist aufgegeben hatte. Ausgerechnet der! Denn dieser war das einzige Teil, das ich nach der letzten Reise in einer Flensburger Fachwerkstatt für so viel Geld habe austauschen lassen, dass ich dafür auch ein neues Hinterrad bekommen hätte, weil es am Ende der Namibia-Tour verdächtige Geräusche von sich gab und ich mangels Spezialwerkzeug die Reparatur nicht selbst ausführen konnte. Und jetzt ist eines der neuesten Teile am Rad am Ende und ich etwa 40 km vom nächsten größeren Ort entfernt. Schieben geht nicht. Nach ein bisschen Probieren finde ich die einzige Möglichkeit heraus, weiter zu kommen: Dauertreten, immer mit Druck auch der Kette und nicht den kleinsten Moment rollen lassen. Das geht, kostet aber sehr viel Kraft und Konzentration. Ich bin nur am hin und her schalten, damit immer ein Gang drauf ist, der schwer genug geht. Bergab heißt bremsen und treten gleichzeitig, damit der Druck auf der Kette bleibt. Losfahren und Anhalten sind noch einmal besondere Herausforderungen. Immerhin, die 40 km bis Valdemarsvik habe ich auf diese Weise relativ problemlos geschafft. Google kennt hier zwar keine Fahrradwerkstatt, aber auch dem Campingplatz weiß man es besser. Im Ort soll es einen Fahrradladen mit einer guten Werkstatt geben. Meine Hoffnung für den nächsten Tag, um nicht noch einmal 40 km bis Vestervik fahren zu müssen.
Am Ende eines langen Fjordes liegt sehr malerisch Valdemarsvik - mehr als eine Nacht wollte ich hier aber nicht bleiben
Pünktlich zur Geschäftsöffnung stehe ich bei "Hallings" vor der Tür, ein Laden mit allen möglichen Haushaltsartikeln, aber auch einer größeren Auswahl an Fahrrädern und Ersatzteilen. Allerdings hat der Mechaniker heute frei und auch auf telefonische Nachfrage, hat er nicht vor, noch in die Werkstatt zu kommen. Die Inhaberin und der Sohn sind zwar sehr bemüht, haben aber keine Ahnung. Eine Suche in der Werkstatt nach dem richtigen Ersatzteil bleibt ohne Erfolg und auch bei den alten Fahrrädern und Hinterrädern ist nichts dabei, was zu meinem Rad passen will. Sie überlassen mir die Werkstatt und auch die gebrauchten Teile und ich versuche mein Glück. Allerdings ist die Werkstatt vom Spezialwerkzeug her auch nicht besser ausgestattet als mein Gartenhaus, und so gebe ich schließlich schon beim Versuch der Demontage auf. Die einzige
Chance, die ich sehe und auch schon vorher in Betracht gezogen hatte, ist ein neues Hinterrad. Das muss aber auch bestellt werden und kommt erst morgen mit der Post.
So komme ich zu einem ungewollten Tag hitzefrei, was an sich nichts Schlechtes ist, allerdings schmilzt wie das Softeis in diesem südschwedischen Backofen mein Zeitpolster und die nächsten Tage werden nur umso länger. Die Möglichkeiten, abzukürzen, sind inzwischen auch deutlich reduziert. Alles noch kein Problem, aber allzuviel darf jetzt nicht mehr dazwischen kommen.
Aufbruch: | 26.05.2018 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 05.08.2018 |
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