Wann kannst du kommen?
Abenteuer Iguazu
Ein neues Land, neues Geld, andere Sprache. Brasilien lockt mit einer der grössten Attraktionen Südamerikas. Den Iguazu-Wasserfällen.
Auf meiner ersten grossen Reise durch diesen Kontinent habe ich die argentiniesche Seite der Wasserfälle besucht, Heute bleibe ich auf der brasilianischen.
Die Besitzerin der Pousada ruft mir ein Uber-Taxi. Zusammen mit zwei Spaniern ist das günstiger als der Bus, der ebenfalls dahin fährt. Beim Eingang trennen sich unsere Wege, denn mich befällt plötzlich ein Hustenanfall. Einer, der mich sonst nur trifft, wenn ich in einem Konzert bin. Oder im Theater. Genau dann, wenn alle den Atem anhalten, wenn es ganz ruhig ist. Für diese Gelegenheiten habe ich dann meistens ein Ricola dabei. Ja genau die 'Wer-hats-erfunden-Dinger'. Meistens durchsuche ich meine Handtasche dann vergebens, aber heute habe ich Glück - mein Tag ist gerettet.
Hinter der grossen Eingangshalle mit all ihren Shops, Imbiss-Stand, Bank, Toilettenanlagen, fahren die Shuttle-Busse hinunter zu den Wasserfällen. Und gleich bei der ersten Plattform eröffnet sich ein fantastisches Panorama auf eine ganze Reihe von imposanten Wassermassen, die sich im Halbrund in den Fluss unten ergiessen.
Hier beim ersten Aussichtspunkt treffe ich auch die kleinen frechen Nasenbären wieder einmal an. Man soll sie nicht füttern, steht auf den Plakaten, aber so wohlgenährt wie die aussehen, muss man davon ausgehen, dass viele Besucher hier nicht lesen können. Jedenfalls entgeht ihnen kein Brotkrumen, den irgend jemand fallen gelassen hat.
Ein gut ausgebauter Pfad führt hinunter in den Wald. Ich bin nicht allein unterwegs, eine ganze Menschenmasse folgt dem Weg. Zwar sind es viele Menschen, aber es bleibt doch genügend Platz, genügend Zeit um immer wieder stehen zu bleiben und die Aussicht zu geniessen, die sich immer weiter öffnet. Es sind Fenster im Dschungel und sie eröffnen immer wieder neue Bilder. Bilder von gleissendem Wasser das sich über Felsen ergisst. Zwischen Bäumen, die sich erfolgreich an den Felsen halten, die fest verankert hier stehen, als ob sie nciht von einem endlosen Tosen umgeben seien.
Ich versuche, Worte zu finden für diesen Irrsinn, für diese Schönheit, diese Kraft. Besser ich lasse es bleiben, die Bilder sprechen für sich.
Langzeitbelichtung mit dem IPhone...
ganz ohne weitere Einstellungen.
Selfies soll man von oben machen, damit man das Doppelkinn nicht sieht, und dabei freundlich lächeln - geht doch
Ganz unten gibt es einen Steg hinaus in den Hexenkessel. Umgeben von Wassermassen, direkt über dem Abgrund, wo das Wasser noch tiefer fällt, bleibt nichts trocken. Darum werden hier auch Plastikmäntel verkauft. Ein gutes Geschäft. Und danach bleiben sie wohl irgendwo liegen. Ich verstaue meine grosse Kamera in der Tasche, bleibe mit dem Handy auf dem Drücker. Mache Fotos und Videos, als ob ich der erste Mensch sei, der diese Fälle dokumentieren muss. Ausserdem übe ich Selfies und probiere die Funktion mit der Langzeitbelichtung aus. Das Ergebnis ist, dass ich bei der Fahrt im Lift, der mich wieder hinaus holt aus dem ganzen Trubel, feststelle, dass mein Handy nur noch knapp 20 % Ladung hat. Das reicht noch, um einen WhatsApp-Gruss in die Schweiz abzusetzen und ein ein erstes Bild zu posten. Dann lasse das Handy verschwinden und setze die Fotoreportage mit der grossen Kamera fort.
Beim Mittagessen auf der Terrasse hoch über den Föllen kann ich weit draussen einen Silberreiher erkennen. Also befasse ich mich nach Wasser auch noch mit Vogelfotografie - und meine geliebten Schmetterlinge sind auch überall unterwegs. Wollen sich aber nicht so richtig irgendwo hinsetzen.
Und was mache ich mit dem Rest des Tages. Es geht gegen vier Uhr Nachmittags. Es gäbe noch den Flug mit dem Helikopter über die Wasserfälle aber irgendwie habe ich für heute genug Wasser gesehen. Also vielleicht doch besser den Vogelpark. Eintritt bis 17.00 Uhr steht auf der Tafel, das lohnt kaum noch.
Nein, das betrifft nur den Eintritt, wir schliessen erst um 18.30, das reicht noch lange, klärt mich der junge Mann am Eingang auf.
Harpy-Eagle, ein riesiger Vogel
Also lasse ich mir alle Zeit der Welt, versuche, die schönsten Bilder einzufangen, die man überhaupt machen kann. Oder die ich je gemacht habe.. Bei einigen wie zum Beispiel beim Tukan gelingt mir das sogar. Er ist aber auch gewohnt zu posieren. Streckt seinen Schnabel in alle Richtungen und ist sogar von hinten noch attraktiv. Mir kommt er vor wieder der Clown unter den Vögeln mit seinem riesigen Schnabel, der wie eine Clownnase aufgesetzt ist. Gerade werden sie gefüttert, ein paar Wärter werfen ihnen Häppchen zu und sie fangen sie geschickt auf. Beobachten und flattern von Ast zu Ast um die beste Ausgangsposition zu haben.
Es gibt eine ganze Gruppe verschiedener Tukane. Einer hockt sogar ausserhalb des Käfigs und besucht seine Artgenossen. Ob es eine entflogener Vogel ist, und die der wohl da hinaus gekommen ist, frage ich mich.
Nebst den Vögeln gibt es auch ein paar exotische Blumen zu sehen. Allerdings ist es immer die gleiche Art, in verschiedenen Farben, die im Moment blüht. Aber sie ist auf jeden Fall sehr attraktiv für meine Kamera.
Im Papageien-Gehege ist Betrieb. Viele Leute sehen den grossen Vögeln zu. Eigentlich nennen wir sie zu unrecht Papageien, denn es sind Aras, wunderschöne grosse Vögel mit farbigem Gefieder. Sie haben eine riesige Voliere und fligen knapp über den Köpfen der Zuschauer hinweg, was jedesmal einen kleinen Luftzug auslöst. Ich sehe ihnen fasziniert zu, beobachte die schönen Enten im kleinen Teich und sehe einem Paar ganz hinten lange beim karisieren und kuscheln zu. Dabei vergesse ich völlig, wo ich bin und vergesse die anderen Besucher komplett.
Als mich endlich umkehre, entdecke ich, dass ich die einzige Besucherin bin. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass das noch kein Problem ist, es ist erst 18.00 Uhr. Also sehe filme ich noch einen roten Vogel bei seiner Pedicure und gehe zum Ausgang des Käfigs
Doch der ist geschlossen. Eine Kette hängt davor. Ich bin etwas irritiert, vielleicht habe ich den falschen Ausgang erwischt, also zurück zum Eingang, wo ich hergekommen bin. Doch hier das gleiche, eine eiserne Kette verschliesst das Tor.
Über den Zaun klettern, unten durch kriechen. Es braucht einen Moment, bis ich meine Situation erkenne. Ich bin tatsächlich eingeschlossen. Es wird niemand mehr herkommen. Aber es ist doch erst sechs Uhr. Das ist doch gar nicht möglich. Was jetzt? rufen? Bei all dem Lärm, den die Vögel veranstalten, kaum möglich, aber immerhin eine Option. Wenn es sein muss, habe ich eine ziemlich laute Stimme, aber sie verblasst in all den Vogelstimmen.
HOLA - HOOOOOOLLLLLAAAAA.
Völlig verschwendete Energie. A propos Energie. Was ist mit meinem Handy? Es zeigt noch 8 % an. Was kann man damit noch machen, an wen kann ich mich wenden?
Ich suche im Facebook nach der Seite des Vogelparkes, kann ihn aber nicht finden. Dafür komme ich auf Iguazu Turismo. Einen Versuch ist das Wert. Ich scheibe eine Nachricht - auf spanisch.
Bin im Vogelpark, er ist geschlossen, brauche Hilfe
Tatsächlich, jemand antwortet:
brauchst du einen Transport?
Nein keinen Transport, ich bin im Park eingeschlossen.
kannst du deine Frage bitte in Englisch stellen?
Yes I am in the Park, can't get out
Das ist kein Joke, ich bin eingeschlossen. Please believe me
OMG
wait a minute, ich versuche die Polizei zu erreichen.
Dann die Meldung, ich soll bitte die Polizei selber anrufen, das hätte mehr Wirkung, als wenn sie das machen würde. Nummer 199
Ich kann nicht, ich habe nur noch 2 % Batterie im Handy. kann das nicht erklären...
Ok wait, ein Freund spricht mit der Polizei,
Was bleibt mir anderes übrig als warten
Bitte melde dich, wenn du draussen bist.
OK
1 %
Schluss, leer, dunkel.
Ich sehe mich um. Das heisst, viel ist nicht mehr zu sehen, inzwischen ist es halb sieben und es ist dunkel.
Ich habe keine Lampe, kann auch meine Uhr kaum mehr erkennen. Wenn ich jeweils lese, dass jemand mit einem leeren Handy unterwegs ist, habe ich immer das Gefühl, dass mir das nie passieren könnte.... ha, so werden diese Überheblichkeiten schlagartig korrigiert. Geschieht mir recht.
Dort drüben habe ich vorher noch eine kleine Bank gesehen. Ich taste mich hin, setze mich auf die schmale Sitzgelegenheit. Hinlegen könnte ich mich hier nicht. Was mache ich, wenn niemand kommt.
Die Vögel über mir sind inzwischen ruhig, Frösche in den verschiedenen Tümpeln füllen jetzt die Luft mit ihrem Konzert. Wenn die Situation nicht so unwirklich wäre, wäre es schön, ihnen zuzuhören. Ich habe viele Nächte im Dschungel verbracht. Aber immer in einem Bett, oder wenigstens in einer Hängematte. Aber so...
Nicht denken, hoffen. Hoffen, das da irgend jemand kommt. Die Zeit geht weiter. Wie verbringt man eine Nacht im Vogelkäfig, Wann öffnet der Park?
Hoffen, versuchen, etwas ungewöhnliches zu hören.
Es ist nichts zu hören, aber plötzlich sehe ich ein LIcht zwischen den Bäumen. Die Wege im Park sind veschlungen, darum kommt das Licht nicht direkt auf mich zu. Das irritiert mich zuerst, wird man mich finden?
Ja, er findet mich, und er ist ausserdem noch fast verwirrter als ich. Will wissen, ob es mir gut geht, entschuldigt sich ein Dutzend mal, dass der Security mich eingeschlossen hat. Brauchst du etwas? un bano, etwas zu trinken?
Nein, alles ok, ich bin nur froh, dass ich nicht hier schlafen musste, wäre ziemlich ungemütlich geworden. Sein Handy läutet, die Direktorin des Parks ist dran. Auch sie entschuldigt sich mir vielen Worten, die ich gar nicht alle verstehe. Beide sprechen portugiesisch, spanisch oder englisch nur wenig.
Wenn du etwas brauchst, melde dich, es tut uns so leid.
Ich will jetzt nur noch zurück ins Hotel. Das Taxi, das neben dem Eingang auf verspätete Kundschaft wartet, wird mir vom Park offeriert.
Was für ein Abenteuer.
Aufbruch: | 15.07.2019 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 12.08.2019 |
Brasilien