Wann kannst du kommen?
Spaziergang
Nach dem Frühstück mache ich mir einen gemütlichen Vormittag auf der Dachterrasse. Noch ist es ruhig hier, am Abend wird mehr los sein, eine Familie vergnügt sich im Pool. Das Hotel scheint ausgebucht zu sein. Schon beim Frühstück war der Raum fast voll. Aus dem Lautsprecher erklingt Musik, brasilianische Hits.
Ich geniesse die lockere Stimmung und arbeite an meinem Blog. Das Bearbeiten der Fotos braucht immer ziemlich viel Zeit. Und das Schreiben gelingt nicht immer, manchmal brauche ich Zeit, bis sich die Inspiration einsetzt. Und dann kommt noch das Thema Internet dazu, das mir manchmal noch zusätzliche Streiche spielt, wenn es unvermittelt weg ist. Meistens bin ich darauf gefasst, ich speichere regelmässig. Doch egal, wieviel es war, es ist immer ärgerlich, wenn das Netz plötzlich weg ist, vor allem wenn das Aufladen der Fotos so lange gedauert hat.
Irgendwann wird mir zu heiss, der Laptop braucht neue Spannung und ich gehe hinaus auf die Strasse. Diesmal halte ich mich nach rechts und bin schon bald in fast vertrauter Umgebung. Nur wenige Strassen in denen schöne kleine Cafes sind, komme ich zum grossen Aequadukt. Es wurde von den Portugiesen gebaut und brachte das Wasser aus den Bergen in die Stadt. Eine sehr schöne Konstruktion, die wir bei der CityTour nur aus dem Bus gesehen haben. Der Aquädukt überquert einen riesigen Platz und wenn ich etwas genauer hinsehe, sehe ich viele Menschen, die hier draussen wohnen. Schon gestern hatte ich Menschen gesehen, die sich Kartons zusammengesucht oder im Müll nach etwas Brauchbarem gesucht hatten.
Ich weiss dann nie, ob ich mit der Kamera draufhalten soll. Aber wenn ich schöne Fotos von der Stadt mache, gehört eben diese andere Seite auch dazu. Ich versuche diskret zu bleiben. Betrachte ein Grafiti an der Wand, drehe mich diskret wenn man mich grad nicht betrachtet. Wobei das ist eh keine Gefahr, die Menschen leben ganz in ihrer eigenen Welt, nehmen kaum Notiz vom Umfeld.
Was sind es für Menschen, die so sehr durchs System gefallen sind, dass sie hier auf der Strasse, in den Strassen oder den Parks leben? Ich würde gern mehr wissen, doch das ist schon sprachlich nicht möglich. Gleich neben dem Aquädukt sehe ich die Metropolian Kirche. Werde sie vielleicht bei der Rückkehr noch einmal besuchen.
Jetzt zieht es mich Richtung Meer, das in dieser Richtung liegt. Von weitem sehe ich eine interessante Kuppel zwischen den hohen Gebäuden. Nur die runde grüne Kuppel aber natürlich muss ich wissen, was das ist, auch wenn das von meiner Route abweicht. Es ist das Nationaltheater. Ein schöner alter Bau an einem Platz mit anderen historischen Gebäude und vielen Böumen.
Ich setze mich einen Moment auf einen der Bänke und beobachte die Leute. Auch hier leben viele Menschen auf den Bänken. Einige haben alles was sie besitzen bei sich, andere schlafen auf einer Bank. Schon beim Hinsehen bekomme ich Rückenschmerzen. Am Boden sitzt eine alte Frau, raucht selbstvergessen ihre Zigarette und scheint mit sich und der Umwelt zufrieden zu sein. Scheint... mir ist bewusst, dass ich hier nur zusehe.
Das Nationaltheater
Touristenpolizei? ich weiss es nciht, oder einfach für die Ordnung in der Stadt verantwortlich. Touristen sehe ich nämlich kaum.
Beim weitergehen sehe ich einen jungen Burschen, der einem riesigen Plüschfrosch die Kopfhörer richtig montiert. Dann steht er sich daneben, möchte dass ich fotografiere. Und dann fragt er nach Geld.
Geld? wofür? Seine Zeichensprache zeigt Essen. Essen? komm dort zum Kiosk.
Er ist nicht ganz sicher, schickt seinen Kollegen mit, bleibt beim Frosch. Im Kiosk kann ich zuerst kaum etwas Essbares entdecken. Da gibt es vor allem Videos, Musik, ein paar Schokoladestängel.
Sowas? Nein, er wehrt ab, greift zu Crackers. Und sonst? Er schaut mich fragend an, es gibt 2-Liter-Flaschen Cola. Und sonst? Chips, eine grosse Packung. Und jetzt doch noch etwas Schokolade. Er kann es kaum fassen, als wir zurück kommen, merke ich, dass da eine ganze Gruppe ist, die sich mit ihm freut. Er verstaut die Sachen in seiner Box und ruft seinen jungen Kollegen. Schau mal, sagt er ihm, schau mal, was ich bekommen habe. Ein Herz!
Ich konnte nicht widerstehen, wenn da schon ein Schokoherz mit meiner Lieblingsschokolade aus der Schweiz ist, dann musste ich das kaufen.
von Herzen...
Beschwingt gehe ich weiter. Es war nicht viel, was ich gemacht habe und natürlich bewirkt es auch nichts. Ausser dass wir alle einen schönen Moment erlebt haben, einen Moment, der den Tag erhellt hat.
Ich komme an grossen Bäumen vorbei, die voller riesiger Früchte sind. Wie Trauben hängen sie da. Aber kopfgrosse Trauben. Braun und fest. Es sind keine Kalebassen, die wachsen anders am Stamm und an den Ästen. Es ist ein Kanonenkugel-Baum. Seine Blüten kenne ich von einer anderen Reise in SOA. Hier sehe ich ihn zum ersten Mal mit den Früchten. Eindrücklich. Die Blüten sind übrigens auch fantastisch, kann man googlen, lohnt sich.
Die Fruchtstände wachsen direkt an den dicken Ästen und am Stamm.
Ich überquere grosse Plätze, breite Strassen. Mit und ohne Ampeln und entdecke, dass man manchmal wartet, bis grün ist, manchmal auch nicht.
In einem Park entdecke ich jemanden, der ganz allein auf Stelzen laufen trainiert. Und etwas weiter etwas das aussieht wie eine Behausung. Niemand da. Ich sehe historische Gebäude mit alten Kacheln, die bestimmt aus Portugal stammen, neben Hochhäusern mit verspiegelten Fronten. Und alles wild durcheinander. Und überall fantastische Grafitis, die ganze Wände verschönern. Bewusst bemalt, wie dort auf der anderen Strassenseite, wo Ayrton Senna mit seinem F1-Weltcup herüberwinkt.
Ich lasse mir viel Zeit, bleibe stehen, fotografiere, warte auf Ampeln oder darauf, dass der Strom der schnell vorüber fahrenden Autos nachlässt um die dreispurige Strasse zu überqueren und irgendwann erreiche ich die Grünanlagen beim Meer. Die Wiese ist ziemlich trocken, doch die Bäume sind interessant. Riesige Rosa Blütendolden, die ich noch nie gesehen habe und ein einsamer Frangipani-Baum mit ein paar weissen Blüten.
Vor dem grossen flachen Gebäude steht ein einsamer Soldat. Er beobachtet mich von weitem, wie ich meine Kamera aufstelle und für ein TimeLapsVideo einrichte. 250 Bilder wird die Kamera während den nächsten 90 Minuten aufnehmen. Das Motiv ist der Hafen mit dem Zuckerhut im Hintergrund. Hinter mir verschwindet die Sonne gerade hinter den hohen Wolkenkratzern und verzaubert die Stimmung an Himmel und über dem Wasser.
Auf dem Rückweg muss ich noch etwas besser aufpassen, um die breiten Strassen zu überqueren, denn die Autos kommen mit ziemlichem Tempo daher und die Strassenbeleuchtung ist nicht besondert gut.
Beim Platz vor dem Nationaltheater treffe ich den Frosch wieder, doch seine Freunde sind nicht mehr da, weitergezogen.
Ich kehre im Restaurant vor dem Theater ein. Der Platz ist gefüllt von der Musik, eines Konzertes, das um die Ecke auf der Strasse stattfindet.
Ich bestelle eine Pizza Caprese, doch die besteht vor allem aus einer dicken Schicht Käse, auf einer sehr dünnen Teigauflage, belegt mit Wurstscheiben. Egal, wenigstens die Kellner könnten als Italiener durchgehen und der Caipi schmeckt fein.
Auf dem Rückweg komme ich bei der Kathedrale vorbei. Sie ist geschlossen, ein Gitter umgibt das ganze Gelände.
Natürlich bleibt es nicht aus, dass ich mich auf dem Rückweg noch kurz verlaufe und durch ein Strassenfest mit Girladanden und lauter Musik und durch stille Strassen und Gassen gelange. Manchmal liegen am Rand Menschen, bedeckt mit einer Wolldecke, so dass man erst auf den zweiten Blick erkennt, dass hier jemand schläft, manchmal unbedeckt, einfach so auf dem nackten Boden.
Nachdem ich mein Maps-Me noch zweimal befragt habe, erreiche ich das Hotel, wo es auf der Dachterrasse noch eine Pinacolada gibt.
Ein Blick auf meinen Schrittzähler zeigt schon wieder über 10'000 Schritte an, dabei war ich doch nur am Meer und zurück.
Aufbruch: | 15.07.2019 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 12.08.2019 |
Brasilien