Dreiländereck - Marseille 2022 / 2023
Mt Rachais & Tempel des hl. Herzen - 01.01.2023
Grenoble
Ich sitze auf einem Felsen auf dem Mont Jalla. Es hat gut getan in einer knappen Stunde die Höhenmeter per Pedes zurückzulegen. Von hier oben habe ich einen prächtigen Blick auf Grenoble und das umliegende Bergpanorama. Unmittelbar vor mir zieht sich der Cours Jean Jaurès als Schneise und Bindeglied durch die Häusergeflechte. Es ist ein schöner Anblick, ein meditatives Szenario. Irgendwo unter mir schwirrt ein Hubschrauber am Start- und Landeplatz eines Krankenhauses. Vielleicht ist ein Mensch verunglückt, gestorben oder ein neues Wesen erblickte das Licht der Welt mit einem Zwischenfall. Der Wind pustet ein wenig, mit kommt es vor als sei es ein besonderer Herbst- oder Frühlingstag. Bei knapp 15 Grad Celsius rascheln die trockenen Blätter einer kleinen Eiche. Gegenwärtig könnte ich auch in Kathmandu oder auf einem Gipfel in Südkorea oder Japan sitzen. Vielleicht fühlt es sich auch auf den zwölf Aposteln in Kapstadt so an.
Bei dem Aufstieg ging mir wie so oft alles und nichts durch den Kopf. Die Böen pusten geflissentliche Gedanken durch die Gegend. Ein kurzes Wort weswegen ich nun in aller Seelenruhe auf dem weißen Stein sitzend schreiben kann und mich nicht die 155 Kilometer pedalierend auf der Strecke befinde. Wieder einmal nahm ich den Zug. Und es tat gut einfach nur im Abteil unmittelbar neben dem aufgehängten Rad zu sitzen (eine Sitzplatznummer fand ich leider nicht), aus dem Fenster auf die traumhafte Landschaftsidylle einem Diorama gleich zu blicken und zu schreiben. Vom Lac du Bourget, Schnee und der Liebe. Ebenso eine Erwähnung zu meinem gestrigen Tag. Ich muss irgendwann zwischen elf und zwölf Uhr in Genf angekommen sein, ließ die beiden Satteltaschen im Hostel in der Rue Rothschild verstauen, ging dann am Ufer via Quai Wilson in die Gärten und durch den Jardin Botanique, bekam Kaffeedurst und Hunger und stieg nahe der Avenue de la Paix in den Buslinie Nr. 25. Als fortgeschrittene Mobilitätsstadt erhielt ich mit der Übernachtung eine digitale kostenfreie Netzkarte für den ÖPNV und musste mich somit nicht mit lästigen Tarifsystemen oder Preisen quälen. Als vorletzter stieg ich also ein, fuhr dann eine geraume Zeit durch die Stadt und stieg am Place des Eaux-Vives vor der Kirche aus, mich nach einem Café umschauend. Dort trank ich wie gehabt zwei Kaffees an einem Platz am Fenster und schrieb für gute zwei Stunden. Ich lief durch die Stadt zurück, ging in die Unterkunft, legte mich ins Bett, versuchte zu schlafen, schaute zwei Drittel von „Apocalypse Now“ an, schrieb immer wieder, unterhielt mich mit den Zimmernachbarn und legte mich um 23 Uhr schlafen. Silvester bekam ich aufgrund der diversen Feuerwerke mit aber ich sagte mir, dass es ein gewöhnlicher Abend wie jeder andere sei.
Der Aufstieg erinnerte mich an eine Mischung aus Eiffelturm, Ulmer Münster, Regenbogenberg südöstlich von Cusco, Kuppel von Brunelleschi in Florenz, Sagrada Familia, Waynapicchu und und und. Nun hier oben sitzend ist es ein wenig wie vor dem Tempel des Heiligen Herzen Jesu auf dem Tibidabo oder auf dem Cerro de Monseratte und das Geflecht sieht marginal aus wie Bogotá, Calí, Kairo, Paris oder Medellìn von oben. Nicht sonderlich spektakulär, denn aus der Luft sehen die konstruierten Gefilde der Menschheit sich alle ähnlich.
Morgen geht es weiter nach Valence. Wieder auf dem Fahrrad. Meine Beine fühlen sich deutlich besser an, Knieschmerzen existieren nicht mehr und viele Dinge haben sich relativiert. Die klimatischen Bedingungen haben sich ebenso verändert und ich freue mich darauf, wieder der Rhone zu begegnen.
Aufbruch: | 29.12.2022 |
Dauer: | 10 Tage |
Heimkehr: | 07.01.2023 |
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