Mit dem Motorboot von Drachten(NL) nach Rathenow
Planung und Organisation
Meine Frau liebäugelte schon lange mit so einer Bootsfahrt quer durch die Republik. Zu unserem 60. Hochzeitstag sollte sie endlich ihre Reise bekommen. Am 8. März 2021 fragte ich per Mail bei De Drait an und bekam postwendend Antwort. Im Herbst 22 wäre noch eine Tour von Brandenburg nach Drachten verfügbar gewesen, aber meine Frau zog Frühjahr vor, und so nutzten wir das Angebot, eine Safari Houseboat 1050 im März 23 von West nach Ost zu überführen. Die Wahl fiel auf dieses Boot, weil ich es schon 3 mal gefahren hatte mit meinen Enkeln in Friesland und Overijssel, als es noch einem anderen Vermieter gehörte. Ich kannte die sehr unproblematischen Manövrier- und Fahreigenschaften, und das Interieur, vor allem der Ausblick, ist für 4 Personen ideal und gemütlich. Bei uns wurde es wegen seines etwas unschiffigen Aussehens liebevoll „Schuhkarton“ genannt. Am 21.03.2021 schickte ich den unterschriebenen Chartervertrag zurück. Die Chartergebühr betrug für die Fahrt vom 24.03.23 15:00 Uhr bis 07.04.23 09:00 Uhr 1212,00 €. Eine zusätzliche Kaution von 1000,00 € war bei Bootsübernahme zu zahlen. Eine Anzahlung von
550,00 € war mit Vertragsabschluss fällig, die Restzahlung 3 Wochen vor Übernahme. Eventuelle Stornierungsgebühren betrugen bis 3 Monate vor Übernahme 15%, bis 2 Monate 50% , bis 1 Monat 75% und im letzten Monat 100%. Eine Reiserücktrittsversicherung wurde angeboten; da sie allerdings erfahrungsgemäß immer Ausflüchte sucht und findet, wenn es ans Zahlen geht, verzichteten wir voll Vertrauen auf unsere Gesundheit und die damals noch stabile Sicherheitslage darauf.
Nun war noch mindestens 1 Crewmitglied zu finden, weil mir wegen der vielen Schleusen 2 Personen zu wenig erschienen. In der Familie fanden sich schließlich mein Bruder mit seiner Frau, die sich freuten, eingeladen zu werden.
Das nächste – logistische – Problem: Es handelt sich um eine One-Way-Tour. Die relativ umfangreiche Ausrüstung von warmer Kleidung, Ölzeug, Lebensmitteln, Getränken und Technik musste in Drachten eingeschifft und in Brandenburg wieder ausgeschifft werden. Dieses Problem beschäftigte mich lange, da der überwiegende Teil der Familie in Arbeit oder Ausbildung war und keine Zeit hatte. Mietwagenlösungen wurden erwogen, aber schließlich bot sich Weihnachten 23 ein Enkel an. Er sollte uns mit unserem umgebauten Sprinter nach Drachten bringen, wollte dann mit seiner Freundin mit dem Fahrzeug Urlaub in den neuen Bundesländern machen und uns von Brandenburg wieder nach Hause fahren.
Anfang Januar 2023 begann ich, mich intensiver mit der Planung der Reise zu befassen. Da ich bisher nur eine Karte mit den möglichen Routen (1 DinA4-Blatt) gesehen hatte, die lediglich einen groben Überblick bot, schrieb ich De Drait am 09.01. und nochmals am 22.01.23 eine Mail mit Bitte um ausführlicheres Informationsmaterial. Beide Mails blieben unbeantwortet.
Ich lud mir zunächst einen Routenplaner für Binnenfahrten auf dem Wasser herunter (navinaut.com, 39,90 € für 1 Jahr), der in der Anfangsphase der Planung eine nützliche Hilfe war.
Da ich nur den SBF Binnen besitze (was ich in meiner ersten Anfrage auch mitgeteilt hatte), kamen die Routen über Dollart und Küstenkanal nach meiner Auffassung nicht in Frage, da sie jeweils bis zur 1. Schleuse von Ems und Weser Seeschifffahrtstraßen sind. Die Route über den Rhein und DEK/MLK dauert eine Woche länger und führt im Frühjahr über eine große Strecke über den Hochwasser führenden Rhein gegen starken Strom mit entsprechendem Kraftstoffverbrauch und Zeitbedarf. Also blieb nur die Binnenroute, die über niederländische Binnenkanäle und den Haren-Rütenbrock-Kanal an die Ems, dann weiter auf dem Dortmund-Ems-Kanal, dem Mittellandkanal und dem Elbe-Havel-Kanal nach Brandenburg führt. Diesen Weg studierte ich nun anhand der Navinaut-Karte etwas genauer. Dabei stellte ich fest, dass die Infos über die vier Schleusen im Haren-Rütenbrock-Kanal sehr komische Schleusenzeiten enthielten. Ich rief also das NLWKN in Meppen an (zuständig für die Wasserstraßen in diesem Bezirk). Dort erhielt ich die Auskunft, dass dieser Kanal erst ab 03.04.23 betrieben würde mit nur einer Schleusung pro Tag um 9 Uhr morgens in unsere Richtung. Das hätte für uns über eine Woche „rumgammeln“ in friesischen Gewässern bedeutet und die Fahrt nach Brandenburg wäre in den restlichen 4 Tagen nicht zu schaffen gewesen.
Da immer noch keine Antwort auf meine Infomaterialanforderung eingetroffen war, beschloss ich, am 09.02.23 nach Drachten zu fahren, um mich persönlich zu informieren. 2 freundliche Damen bemühten sich um uns, wir bekamen einen Kaffee und endlich die Routenbeschreibung für die Binnenroute, die genau den Weg beschrieb, den ich schon herausgefunden hatte. Auf meinen Hinweis wegen der Unbefahrbarkeit dieses Weges hatten sie keine Antwort; für die Überführungen sei der Herr Voss in Brandenburg zuständig. Versorgt mit dessen Telefonnummer zogen wir unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Ich rief also Herrn Voss an und konfrontierte ihn mit unserem Problem. Er wusste offensichtlich davon und sagte, es ginge nur die Route über den Dollart. Mein fehlender Führerschein sei keine Hürde. De Drait schicke seine Kunden seit 15 Jahren mit und ohne den richtigen Führerschein über den Dollart und die Ems, das sei hier Grenzgebiet und in den Niederlanden gäbe es keine Führerscheinpflicht. Die Wasserschutzpolizei habe das bisher toleriert, und ich könnte auf dieser Route fahren.
Ich machte mir eine Gesprächsnotiz und plante nun die neue Route. Am 14.02. kam endlich per Mail auch die Routenbeschreibung dafür. Bei dieser Strecke ist zu beachten, dass der Dollart und die Ems bis zur Schleuse Herbrum Tidengewässer sind. Die Fahrt von Drachten nach Delfzijl ist etwa 100 km lang, bei einer Bootsgeschwindigkeit von 10 km/h also ohne Schleusen- und Brückenzeiten ca. 10 Stunden Fahrzeit. Die Fahrt von Delfzijl nach Herbrum oberstrom der Schleuse dauert mit Flutstrom im Rücken (10 km/h durchs Wasser, ca. 13- 15 km/h über Grund) etwa 7 Stunden. Die Sonnenaufgangszeit war am 25.03. (noch Winterzeit) um 06:21 h und SU um 18:54 h, am 26.03. (Sommerzeit) SA um 07:19 h, SU um 19:56,. Im Dunkeln wird nicht gefahren. Niedrigwasser in Delfzijl war am 26.03. um etwa 10:20 SZ. Jeden Tag verschiebt sich die NW-Zeit um mehr als 1 h zum Abend.
Aus diesen Randbedingungen ergab sich folgender Plan für die ersten Tage:
Am 24.03. nach der Bootsübernahme zügig seeklar machen und noch möglichst 2 Stunden fahren, bis es dunkel wird. Für die Übernachtung bot sich der Hafen Earnewald an. Am nächsten Morgen um 06:00 aufstehen und seeklar, um 07:00 losfahren, Frühstück während der Fahrt. Am späten Nachmittag in Delfzijl noch zum Dollart schleusen und im Außenhafen Neptunus übernachten. Am 26.03. ausschlafen, Frühstück und seeklar, Auslaufen um 10:00 Uhr, um bei NW im Dollart zu sein, mit auflaufendem Wasser nach Herbrum und schleusen. Danach im ersten Altarm der Ems Backbord am Außenanleger des Lingener Ems Yachtklub übernachten.
Eine weitere Planung der Tagesetappen war illusorisch; es kommt immer anders als man geplant hat.
Einige planerisch/organisatorische Ungereimtheiten seitens des Vercharterers waren auch noch zu überwinden. Sie beschäftigten uns immer wieder während der Reise. Bei der Übernahme des Bootes am 24.03. sagte uns Herr Voss, dass das Boot eigentlich nach Röbel sollte (unser Ziel laut Vertrag war Plaue). Er bot uns an, eine Woche zu verlängern ohne zusätzliche Charterkosten, wenn wir das Boot dorthin brächten. Wir könnten auch einen Übergabehafen an der Elbe oder dem Elde-Müritz- Wasserweg vereinbaren. Ich erbat mir Bedenkzeit, weil ich das mit meiner Crew besprechen musste. Da wir am gleichen Tag noch losfahren wollten, vereinbarten wir, dass ich unsere Entscheidung telefonisch von unterwegs mitteilen würde. Die Crewbesprechungen an den nächsten Tagen ergab schließlich nach einigem hin und her, dass die Frauen und mein Bruder die zu Ostern geplanten Familienfeiern so kurzfristig nicht mehr absagen wollten und wir das Angebot nicht annehmen wollten. Ich entwickelte noch Plan B, wonach ich die Drei am Karfreitag an einem erreichbaren Hafen der Elbe absetzen wollte, wo wir uns mit unseren „Abholenkeln“ treffen würden. Die drei Ausgeschifften könnten mit dem Wohnmobil nach Hause fahren zu den Familienfesten, unsere beiden Enkel kämen an Bord und führen mit mir die letzte Woche nach Röbel. Dorthin würde meine Frau eine Woche später mit dem Wohnmobil kommen und uns abholen. Dieser Plan wurde von meiner Crew angenommen, aber meine Enkel wollten auch lieber zur Familienfeier als schippern. Also teilte ich Herrn Voss am 30.03. mit, dass es beim ursprünglichen Ziel bleiben müsse. Als Kompromiss bot ich ihm an, das Boot soweit die Elbe hinunterzufahren, wie wir kämen, und dass er uns am Karfreitag 7.4. eine Ersatzcrew zur Übernahme schickte, die die Reststrecke führe. Diesem Plan stimmte Herr Voss am 31.03. zu und wir vereinbarten, dass ich 2 Tage vor Karfreitag mitteilen würde, in welchem Hafen an der Elbe wir das Boot übergeben wollten. Die Enkel wurden informiert. Also bogen wir hinter Elbquerung und Schleuse Hohenwarthe in den Stichkanal zur Elbe ab.
Tangermünde war als Hafen an der Elbe gesetzt, weil wir die Stadt nicht kannten und gucken wollten. Beim Auslaufen dort am Morgen des 05.04. informierte ich Herrn Voss, dass wir wohl (mit Strom im Rücken) am Donnerstag in Dömitz (dort beginnt die Elde-Müritz-Wasserstraße) sein könnten und er dorthin am Freitag seine Übernahmecrew schicken sollte. Nun brach Herrn Voss am Telefon hörbar der Schweiß aus. Er teilte mit, dass das nicht ginge, weil die Schleusen des Elde-Müritz-Wasserweges noch nicht in Betrieb seien (hätte man vielleicht früher wissen können?). Ein Umkehren zum Elbe-Havel-Kanal gegen den mit bis zu 6 km/h laufenden Strom der Hochwasser führenden Elbe war für mich keine Option. Zum Glück waren wir noch eine Stunde oberstrom der Havelmündung, und so entschied ich, in die Havel einzulaufen und in Havelberg festzumachen. Dort wollte ich die Entscheidung von Herrn Voss über das weitere Vorgehen abwarten, der befürchtete, dass auch die Havelschleusen wegen der Vorsaison noch nicht betrieben wurden. Um 13.30 h waren wir in Havelberg fest. Ich rief Herrn Voss wieder an. Er hatte noch keine Ersatzcrew und wusste auch immer noch nicht, ob die Havelschleusen in Betrieb waren. Ich hatte aber vor der Schleuse Havelberg schon die Leitstelle der Untere-Havel-Wasserstraße angerufen und die Auskunft erhalten, dass die Schleusen bis Brandenburg bedient wurden. In der Havel liefen auch 3 km/h Strom, gegen die wir nun anmussten, und Plaue war bis Karfreitag nicht zu schaffen. Also vereinbarte ich mit Herrn Voss die Übergabe am Karfreitag Morgen in Rathenow. Unsere Abholer wurden dorthin dirigiert. Dort angekommen, rief ich Herrn Voss erneut an. Er hatte immer noch keine Crew, und das Ende vom Lied war dann, dass wir übereinkamen, das Boot am Karfreitag zu räumen, abzuschließen und im Alten Stadthafen liegen zu lassen. Es würde irgendwann abgeholt.
Heute am 07.05., da ich diesen Bericht abschließe, habe ich trotz Nachfrage per Mail immer noch keine Info, ob das Boot wieder heil in die Hände des Vercharterers gelangt ist; auch fehlt noch eine Schlussabrechnung über die Kaution und das Tanken. Diese ganze Aktion machte auf uns einen etwas chaotischen planlosen Eindruck.
Das ausgehändigte umfangreiche und an sich gute, ausführliche Kartenmaterial war veraltet. Etwa 50 % der Telefonnummern und Ansprechpartner für Schleusen und Häfen waren falsch, Tankstellen wurden nicht mehr betrieben; eine Telefonnummer führte mich zu einem ehemaligen Hafenmeister nach Gran Canaria. Zum Glück gibt es das Internet, aber auch die Webseiten der Häfen und Vereine sind oft nicht auf aktuellem Stand. Wegen der frühen Reise vor der Saison sind außerdem die Häfen mit seltenen Ausnahmen nicht im Betrieb. Bei manchen kann man zwar schon anlegen, aber weder die Sanitäreinrichtungen nutzen noch Wasser oder Landstrom bekommen.
Nun kann der Vercharterer wegen der Kosten nicht jedes Jahr neue Karten beschaffen. Aber die von De Drait selbst gefertigte Routenbeschreibung könnte doch jeden Winter einmal mit den aktuellen Nummern und Daten aktualisiert werden.
Aufbruch: | 24.03.2023 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 07.04.2023 |