Mit dem Motorboot von Drachten(NL) nach Rathenow
Fahren und Schleusen
Für Anfänger gibt es vom Vercharterer vor Antritt einer Reise eine ca. 3-stündige Fahrunterweisung mit Manövern zum Anlegen, Ablegen, Wenden auf engem Raum usw.
Erkundigt Euch, ob die Schraube bei Vorwärtsfahrt links herum (gegen den Uhrzeigersinn) oder rechts herum dreht. Das bestimmt die „Schokoladenseite“ für Anlegemanöver.
Für eine linksdrehende Schraube ist die bessere Seite Steuerbord. Will man längsseits anlegen, im spitzen Winkel anfahren, Fender raus, langsam! Aufstoppen. Die Vorleine an Land festmachen, wieder aufs Boot geben, um Poller oder Klampe legen und festhalten. Ruder hart Steuerbord und langsam (!) achteraus. Das Boot zieht die Vorleine stramm und sich dann wie von selbst um den vordersten Fender längsseits an Pier oder Steg. Achterleine an Land und wieder aufs Boot, dann richtig vertäuen mit einer zusätzlichen Spring.
Geradeaus rückwärts zu fahren ist unabhängig von der Ruderlage mit einem Einschraubenschiff mit starrer Welle kaum möglich. Für linksdrehende Schraube: Aus Geradeausfahrt aufstoppen. Ruder hart steuerbord. Langsam rückwärts fahren. Nach kurzem geraden Weg wird das Boot mit dem Heck nach Steuerbord ausweichen. Ruder bleibt wie es ist, kurzer Gasstoß vorwärts, das Boot dreht wieder in die Spur, langsam rückwärts, so lange wiederholen, bis man da ist, wo man hinwill.
Wenden auf engem Raum mit linksdrehender Schraube ist leichter über Backbord.
Zur Not kann man natürlich bei allen Manövern mit den Querströmern nachhelfen, so man hat.
Haltet Euch beim überholt werden, überholen und Begegnung gut frei von Binnenschiffen und dem Ufer. Das Binnenschiff schiebt eine Welle vor sich her, erzeugt dann ein Wellental und zum Heck hin wieder einen Berg, und es entsteht durch die Strömungsgeschwindigkeit zwischen den Fahrzeugen ein Sog zum Binnenschiff hin. Abstand halten und aufmerksam steuern.
In den meistens sehr engen Häfen beiderseits der Kanäle: Durch ein vorbeifahrendes Binnenschiff entsteht durch die enge Einfahrt oft ein kräftiger Sog und Schwell mit ordentlicher Strömung im Hafen, der einem gerade nicht vertäuten Motorboot ziemliche Probleme bereiten kann. Nur einlaufen, wenn kein Binnenschiff nah ist, und vor dem „Leinen los“ beim Auslaufen eben in den Kanal gucken, ob „die Luft rein“ ist.
Überholt keine Binnenschiffe. An der nächsten Schleuse oder Brücke müsst ihr sowieso auf sie warten, weil sie immer Vorrang haben. Ihr kommt erst nach ihnen dran.
Etwa 1 km vor der Schleuse oder Brücke die Leitstelle anrufen, z.B.: „Moin, Motorboot Sunshine, 10.5 m lang 4 m breit, fahre 500 m hinter Frachtschiff Gerda zu Berg (oder Position angeben), bitte um Schleusung.“ Die Leitstelle wird dann Anweisungen geben, was ihr tun sollt.
Die Schleusen im Dortmund-Ems-Kanal sind überwiegend ca. 160 m lang und 10 m breit, Die meisten Binnenschiffe sind etwa um 80-100 m lang und um 9 m breit. Also passen meistens ein Berufsschiff und noch einige Sportboote hinein. Im Mittellandkanal sind die wenigen Schleusen länger, also oft für 2 Binnenschiffe geeignet.
An den Schleusen wird nicht gedrängelt, Überholen ist tabu. Es wird für Sportboote in der Reihenfolge der Ankunft eingefahren, es sei denn, die Leitstelle gibt andere Einweisungen. Während das Frachtschiff einfährt, nicht gleich hinterher fahren. Das Frachtschiff verdrängt ca. 1500 t Wasser aus der Schleuse (Strömung) und Ihr werdet selbst mit Seitenstrahlern heftige Probleme in der Schleuse bekommen, so lange die Schraube des Berufsschiffes Turbulenzen erzeugt. Geduld. Wenn das Berufsschiff festgemacht und den Antrieb abgestellt hat, zügig in die Schleuse fahren. Fender sind auf beiden Seiten außenbords. Sucht Euch die Seite aus, an der Ihr festmachen wollt. Versucht nicht, Euch mit Vor- und Achterleine an 2 verschiedenen Pollerreihen festzumachen. Die Poller sind in senkrechten Reihen in die Schleusenwand eingebaut und die Abstände sind für Berufsschiffe gemacht, also viel zu weit auseinander für Sportboote. Und beim notwendigen Umhängen der Festmacher kommt Ihr nicht mehr dran, selbst wenn ihr erfolgreich wart.
Bei uns hat sich mit 2 oder 3 Mann/Frau (einer fährt, die anderen bedienen die Festmacher und Fender) folgendes Verfahren sehr bewährt. Am Mittelpoller des Bootes sind 2 Festmacher mit ihren Augen belegt. Die Leinen werden von unten nach außen über die Reling an Deck nach vorn und achtern klargelegt. Einfahren und dicht neben der Schleusenwand so aufstoppen, dass der Mittelpoller des Bootes genau an einer Pollerreihe ist. Einen Festmacher über den nächsten erreichbaren Schleusenpoller wieder unter der Reling unten um den Bootspoller herumführen, festhalten und dafür sorgen, dass sie bei sich änderndem Wasserstand immer stramm ist und das Boot dicht an der Schleusenwand bleibt. (Handschuhe!). Die Leine weder am Bootspoller noch am Schleusenpoller fest belegen! Beim Aufwärtsschleusen die andere Leine um den nächsthöheren Poller genauso führen, sobald dieser erreichbar ist. Nun ist die erste Leine frei, die zweite wird festgehalten, und so weiter, bis man oben ist. Beim Abwärtsschleusen verfährt man analog.
Beim Abwärtsschleusen ist noch eine Besonderheit zu beachten: Das Tor der oberen Haltung der Schleuse sitzt auf einem Betonsockel, dem Drempel, der ein Stück in die Schleusenkammer ragt.. Wenn Ihr beim Festmachen mit dem Heck noch über dem Drempel steht, werdet Ihr bei sinkendem Wasserstand aufsitzen und das Boot wird „Männchen“ machen. Der Drempel ist durch dicke gelbe Linien an der Schleusenwand gekennzeichnet. Also immer so weit einfahren, dass das Heck des Bootes klar frei vom Drempelstrich ist.
Zeigt nach beendetem Schleusen das Ausfahrtlicht grün: wieder Geduld. Nicht sofort hinter dem ausfahrenden Binnenschiff herfahren. 1500 Tonnen Wasser müssen statt ihm in die Schleuse, die mit hoher Geschwindigkeit an beiden Seiten durch die engen Kanäle zwischen Schiff und Schleusenwand einströmen. Außerdem erzeugt die Schraube wieder heftige Turbulenzen, um den „Brocken“ in Fahrt zu bringen. Bleibt festgemacht, bis das Berufsschiff die Schleuse ganz verlassen hat, und fahrt dann zügig hinterher. Das Personal der Leitstellen ist tiefenentspannt und drängt weder bei Ein- noch Ausfahrt zur Eile. Nachdem Ihr die Schleuse verlassen habt, Fender innenbords. Den ganzen Tag mit Fendern an der Bordwand zu fahren, ist sehr unseemännisch und lässt auf Anfänger schließen.
Ein Tipp noch: Wir haben uns für die Manöver beim Schleusen und Anlegen Headsets besorgt, die über Funk miteinander kommunizieren (z.B. Buddy Chat für Motorradfahrer). Das sorgt für unaufgeregte Anweisungen und Meldungen zwischen Skipper und Crew ohne Geschrei. Einige Skipper lehnen das jedoch ab, weil sie dann keinen Grund mehr haben, ihre Crew anzubrüllen ). Und dem „Hafenkino“ geht natürlich bei einem verpatzten Manöver auch ein Teil der Freude verloren.
Aufbruch: | 24.03.2023 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 07.04.2023 |