Radreise in der Horde und auf eigene Faust nach Südosteuropa

Reisezeit: August / September 2003  |  von Manfred Sürig

Im ukrainischen Nachtzug über die Karpaten

Pünktlich um 15.18 Uhr startet unser Zug. Unsere Räder haben wir im Liegewagen auf eine hochliegende Koje verstaut, die Schaffnerin nimmt uns dafür noch einmal den Preis für eine Personenfahrkarte ab, weil sich so die Koje ja nicht mehr verkaufen ließe. Uns gegenüber sitzt eine Ukrainerin aus der Krim, die mit ihrer dicken Freundin, die im Nachbarabteil sitzt, nach Uzgorod will. Verständigung mit ein paar Englischvokabeln möglich, im übrigen Hände und Füße, geht aber. Die Wagenbetreuerin versorgt uns mit Bier und Bettwäsche und läßt keinen auf den Bahnhöfen aus dem Wagen, aber läßt auch niemanden ohne Fahrkarte hinein. Wir merken, sie ist hier die Respektsperson. Der Zug fährt einen Riesenumweg zunächst am Nordostrand der Karpaten entlang bis Struij, wo wir irgendwann nachts ankommen, dann erst geht es durch die Karpaten. Schade, so sehen wir auch bei unserer zweiten Karpatenüberquerung nichts außer der Mondsichel und etwas Wald.

Sonntag, den 14. September 2003

Im Morgengrauen erreichen wir Uzgorod, sogar ausgeschlafen sind wir. Unser Frühstück finden wir in einem 24-Uhr-Laden, dann lassen wir uns beim ersten Tageslicht durch das beschauliche Städtchen rollen. Über die Uz-Brücke zum Theaterplatz, die Philharmonie in einer ehemaligen Synagoge im byzantinischen Stil, dann um den Innenstadtring auf die Burg. Dort schließt der Wachmann seinen scharfen Hund vor uns weg und läßt uns für 2 Griwna die Burg besichtigen. Der Sonnenaufgang bietet fotogene Möglichkeiten, die wir eifrig nutzen, besonders vor der Holzkirche im Dorfmuseum. Gegen 9 Uhr verlassen wir das Museumsdorf, zahlen ein bescheidenes Eintrittsgeld an den Nachtwächter und fahren in nördlicher Richtung aus der Stadt ins Uz-Tal bergauf. Es ist Sonntag, und die Kirchen sind überfüllt. Die Predigt wird auf die Straße übertragen, auch dort knien die Menschen nieder und wir fahren vorsichtig zwischen ihnen hindurch.
An einer Tankstelle halten wir unser Frühstück, zu dem uns warmer Tee und eine Gratisportion frischer Walnüsse herausgereicht wird. Eine Gruppe Rennradler fährt vorbei. Der Autoverkehr auf der Hauptstraße Budapest-Lemberg-Kiev ist bescheiden, es scheinen nur örtliche Sonntagsfahrer unterwegs zu sein. Durch grüne Flußauen steigen wir langsam talaufwärts bis Malyj Bereznji. Hier soll ein Grenzübergang zur Slowakei sein. Aber nirgends ist die Abzweigung angezeigt, wir fragen uns durch, und tatsächlich, der Weg neben einer Kneipe ist die Hauptstraße nach Humenne/SK. Wir entdecken sogar eine Wechselstube, ich treffe aber nur einen Slowaken an, der auch Geld tauschen will, Kronen gegen Griwna. Ich will Griwna gegen Kronen, also werden wir uns zu einem fairen Kurs schnell einig. Schon nach 2 Kilometern sind wir im Grenzgebiet, man sieht den Todesstreifen den Hang hinunterkommen und auf der gegenüberliegenden Seite bergauf, nach einem weiteren Kilometer taucht die Grenzstation U'bla auf. An einem richtigen Stau von 8 Autos fahren wir unbehelligt entlang und werden prompt abgefertigt. Willkommen in der Slowakei!

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rumänien und Bulgarien per Rad zu bereisen traute ich mir zunächst allein nicht zu, also buchte ich eine Gruppenreise, an deren Ende sofort noch eine Zweiertour durch Rumänien, die Ukraine und die Slowakei angehängt und zu einem großartigen Erlebnis wurde
Details:
Aufbruch: 22.08.2003
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 19.09.2003
Reiseziele: Rumänien
Bulgarien
Ukraine
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.