Radreise in der Horde und auf eigene Faust nach Südosteuropa

Reisezeit: August / September 2003  |  von Manfred Sürig

Ziel Budapest wird erreicht

Selbst die Fahrradmitnahme im Zug ist elegant geregelt: es gibt einen kombinierten Pack- und Behindertenwagen, in den wir unsere Räder stellen und nebenan ein geräumiges Abteil beziehen können. Nur beim späteren Umsteigen gibt es noch einen Schock: In Trnava kommen wir mit Verspätung an, aber sehen unseren Anschlußzug noch auf einem anderen Gleis warten, Jonas fährt auf dem Ankunftsbahnsteig bis zur einer Gleisüberquerung, will absteigen und bleibt mit dem Fuß am Gepäck hängen, ausgerechnet genau an der Bahnsteigkante. Er stürzt auf die Gleise, sein Rad samt Gepäck auf ihn drauf, als ich die Unfallstelle erreiche. Doch er steht fast unversehrt auf, packt sein Rad und wir erreichen sogar noch den Anschluß.
In Nove Zamky verpassen wir dennoch den nächsten Anschluß, ein Grund mehr, nun dort eine kurze Stadtrundfahrt zu machen und uns in einem Cafe am Markt ein Bier zu gönnen: Zlaty Bazant, die Edelmarke Slowakiens, und das zu einem Preis von 40 Cent pro halben Liter! Dann folgt das Finale im Bummelzug nach Sturovo, und nach einer Viertelstunde Radfahrt erreichen wir genau die Pension, in der ich vor einem Jahr schon einmal übernachtet hatte. Im Dunklen genießen wir noch einen Spaziergang zur Donau und sehen auf dem anderen Ufer, hoch über uns die angestrahlte gewaltige Basilika von Estergom, die wir morgen besuchen werden.

Donnerstag, den 18.September 2003

Sturovo hat auch ein großes Thermalbad, aber es öffnet erst um 10 Uhr, so lassen wir es bei der Besichtigung der Parkplätze davor und überqueren die Donau über die Brücke, die erst 2001 wiedereröffnet worden ist. In Estergom besichtigen wir die gewaltige Kathedrale mit dem Grab Kardinal Mindzentys, der unter der Basilika zusammen mit allen seinen Vorgängern in riesigen unterirdischen Kellern beigesetzt ist. Hier im Donautal wird es auch wieder warm, wir sind froh, auf dem Donauradwanderweg einmal ohne Steigungen radeln zu können. Aber das ausgebaute Stück ist nicht lang, dann geht es durchs Dickicht an Nebenarmen des Flusses entlang, über umgetürzte Bäume und durch Feuchtgebiete, in denen die Reifen kleben bleiben.

Die Fähre nach Szob ist gerade abgefahren, eine Stunde wollen wir nicht auf die nächste warten, also fahren wir auf der Straße weiter bis Visegrad. Hier sind Donau und Rhein vergleichbar, man merkt die Nähe Budapests, Gastwirtschaft an Gastwirtschaft reiht sich aneinander, nur Touristen sieht man wenig. Am letzten Tag wollen wir uns noch mehr Straßenverkehr nicht zumuten, sondern den Tag mit einer Schiffsfahrt auf der Donau bis Budapest beschließen.

Punkt 16 Uhr geht es auf einen Musikdampfer, der schon von Schulklassen bevölkert ist. Die Fahrt führt ein kurzes Stück auf der "großen Donau" entlang, an der Biegung nach Süden teilt sich der Fluß und wir fahren auf der westlichen, schmaleren "kleinen Donau" weiter. Es geht durch Bruchwälder, die gelegentlich von malerischen kleinen Orten unterbrochen werden. Stets bleibt der Blick auf die dahinterliegenden Berge frei und einmal passieren wir eine hochgelegene Insel, die mit Datschen und Villen betuchter Bürger vollgepflastert ist. Interessant, was man sich dort alles ausgedacht hat, um die Hochwasser der Donau überstehen zu können. Selbst einen Yachtclub - allerdings gefüllt mit Motorbooten- gibt es hier und Unmengen Paddler zeigen ihre sportlichen Leistungen. Mit dem letzten Tageslicht kommen wir unter zahlreichen Brücken hindurch nach Budapest. Vom Anleger bis zu unserer Unterkunft sind es nur 10 Minuten, aber wir schlagen zunächst die falsche Richtung ein, bis wir sie doch noch finden. Unser Vermieter hatte schon nicht mehr mit uns gerechnet, sofort ruft er per Handy seinen Rentner am Keletibahnhof an, der dort an einem Zug aus Rumänien vergeblich auf uns gewartet hat. Im Dunklen reicht die Zeit gerade noch für ein Bier, gut, dass wir unser Essen schon in Visegrad hatten, besser und billiger als in Budapest.

Freitag, den 19.September 2003

Heute vormittag holen wir den Rest der Stadtrundfahrt nach und radeln aufs westliche Donauufer auf den Burgberg. Am Museumsbau baut das ungarische Fernsehen gerade die Kulissen für einen Volkstanz-Werbefilm auf. Es wimmelt von Touristen, zwischen denen wir uns mit den Rädern durchmogeln müssen. Aber wir können die Sehenswürdigkeiten dadurch wesentlich schneller abhaken und brauchen zu keinem Parkplatz zurück.

Um 12 Uhr starten wir mit vollem Gepäck plus Packpappen zum Flughafen. Weil wir eine gute Zeitreserve haben, können wir eine Abkürzung über Nebenwege riskieren, auf der es aber keine Wegweiser mehr gibt. Auf Schleichwegen und teilweise auf der linken Seite der Hauptstraße erreichen wir den alten Flughafen, der sogar noch geschlossen ist. Für German Wings wird erst um 13 Uhr geöffnet. Wir finden in den Grünanlagen vor dem Flughafen ein sonniges Plätzchen zum Picknicken, bei dem wir unser letztes "Slaty Bazant" verzehren und uns einig sind, dass es eine Superreise war, ohne Streß bis zum letzten Augenblick. Wir rechnen noch einmal die gefahrenen Kilometer zusammen: 580 km bei der Gruppenreise geradelt und 655 km mit Gepäck auf der Reise zu zweit. Die Bahnkilometer zwischendurch dürften noch einmal mehr als das Doppelte betragen. Hätten wir nicht die billigen Flugtickets zurück nach Deutschland, spräche nichts, aber auch gar nichts dafür, die Reise heute schon zu beenden.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rumänien und Bulgarien per Rad zu bereisen traute ich mir zunächst allein nicht zu, also buchte ich eine Gruppenreise, an deren Ende sofort noch eine Zweiertour durch Rumänien, die Ukraine und die Slowakei angehängt und zu einem großartigen Erlebnis wurde
Details:
Aufbruch: 22.08.2003
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 19.09.2003
Reiseziele: Rumänien
Bulgarien
Ukraine
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.