Radreise in der Horde und auf eigene Faust nach Südosteuropa

Reisezeit: August / September 2003  |  von Manfred Sürig

Erste Eindrücke in Bulgarien

Sonnabend, 30.August 2003

Erstaunlich, irgendwann nachts muß ich sogar geschlafen haben, denn ich habe nicht bemerkt, dass es heute nacht ein Gewitter mit etwas Regen gegeben hat. Heute morgen scheint keine Sonne - ein Zustand, den wir bisher noch nicht kennen. Wir steigen in den Bus, der uns etwa 180 km weiter donauabwärts nach Calafat zur Fähre ins bulgarische Vidin bringen soll. Ade schöne Donau, nun geht es durch graue Industrie durch Turnu Severin und durch trostlose Plattenbausiedlungen in die Ebene, - die "kleine Walachei". Das ist Bauernland, und hier scheint man noch zu leben wie vor 100 Jahren. Sonnenblumen, Mais und Gurken, gelegentlich auch Wein wird angebaut und mühsam von Hand geerntet. Selbst die ältesten Leute fahren noch mit ihren Pferde- oder Eselswagen aufs Feld. Einige wenige Häuser sind frisch gestrichen, das meiste verfällt seit 50 oder mehr Jahren. Nur die Kirchen sehen proper aus, und es werden sogar zahlreiche Kirchen neu gebaut. Ob hier nun Armut herrscht, können wir im Vorbeifahren nicht beurteilen, wahrscheinlich kennen die Leute das Leben nicht anders, im übrigen hat Radu sich beklagt, dass die bescheidenen Steuern aus Siebenbürgen für Subventionen in der Walachei verpulvert werden.

In Calafat werden wir mit Gepäck und Rädern der Fähre anvertraut, Radu und Gabi bleiben auf rumänischer Seite zurück, drüben soll uns der bulgarische Reiseleiter in Empfang nehmen. Die Donau soll den niedrigsten Wasserstand aller Zeiten haben, wir ahnen es nur an den hoch liegenden Spülsäumen des Jahrhunderthochwassers vom vorigen Sommer, die gut 10 Meter über uns liegen. Und dass die Fähre vor dem Anlegen in Bulgarien sanft aufbrummt und sich mit Schlepperhilfe auf die Anlegepiste drücken läßt, die im übrigen erst vier Meter oberhalb der Wasserkante betoniert ist. Die Grenzformalitäten laufen routiniert ab und gleich hinter der Schranke erwartet uns Anton, unser bulgarischer Begleiter. Wir besuchen noch die Burg in Vidin und erfahren, dass Bulgarien 500 Jahre unter türkischer Herrschaft war, doch bei wieder 36 Grad ist der schönste Platz die eiskalte Quelle auf dem Burghof. Dann geht es nach einem Picknick, das Fahrer Svetan vorbereitet hat, im Stadtpark in den Bus nach Vraza.

Gut, dass wir hier nicht radeln müssen, auf der Hauptstraße ist viel Verkehr und ob es außerhalb des Busses auch so heiß ist, darüber denken wir schon nicht mehr nach. Ziemlich geschafft erreichen wir Vraza und werden im Zentrum in einem kleinen, sehr sauberen Hotel untergebracht. Die Zeit nach dem Duschen und Klamottenwaschen reicht gerade noch für einen kurzen Stadtbummel, und nach dem Abendessen fallen wir in die Koje, als hätten wir satte 100 km Radstrecke hinter uns, dabei waren es gerade mal schlappe 300 km Bus und Fähre.

Sonntag, 31.August 2003

Anton macht zu den bevorstehenden Bergstrecken noch unpräzisere Angaben als Radu. Auch die angesagte Tageshöchsttemperatur bekommen wir nur unter der Hand zu hören: Wieder 38 Grad ! Nun geht es nach Westen in den Westbalkan, Attraktionen werden einige orthodoxe Klöster sein und im übrigen großartige Landschaft. Die fängt gleich am Stadtrand von Vraza mit einem Felsdurchbruch an, zu dem wir extra hinauffahren und kurz nach Sonnenaufgang ein paar spektakuläre Fotos schießen. Abseits der Straße liegen die Ruinen eines Klosters, zu dem wir zu Fuß aufsteigen müssen. Wir hören von der Unterdrückung der Bulgaren zur Zeit der Türkenherrschaft und von der Unterdrückung der Kirche zur Zeit des Kommunismus, heute ist die Ruine zwar Wallfahrtsort, aber Popen und Mönche gibt es hier nicht mehr. Aber wenigstens noch einen kühlen Brunnen, an dem wir uns waschen können. Schatten gibt es wenig, aber auf den Nebenstraßen ist auch wenig Verkehr und, wie wir meinen, ist der Zustand der Straßen auch etwas besser als in Rumänien.

Die Picknickpause findet heute in einem Straßencafe mitten im Dorf Vurshets statt, die Wirtin verjagt schnell ihre Stammgäste, weil Touristen anradeln, dann liefert sie die Getränke, Svetan baut das Picknickbüffet auf. Ein paar Jungen auf der Straße radeln mit nagelneuen Mountainbikes umher und begutachten unsere Räder. Anschließend begleiten sie uns aus dem Dorf heraus und zeigen, wie man mit Tempo bergauf fährt. Aber sie halten nur die Kurzstrecken durch, dann sind wir diejenigen mit der besseren Kondition. Erstaunlich immerhin, dass Kinder hier Mountainbikes haben, sie sollen nur 100 Lewa (=50 Euro) kosten.

Unser Ziel heute ist Spanchevtsi, wo man auf einer Thermalquelle ein kleines Hotel mit einer Ferienhausanlage errichtet hat. Je drei oder vier Mann bekommen ein Häuschen, und am Pool kann man stundenlang baden. Auf der Veranda des Hotels bekommen wir unser Abendessen. Wegen der Hitze beschließen wir unseren Aufbruch morgen früh wieder um 7 Uhr.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rumänien und Bulgarien per Rad zu bereisen traute ich mir zunächst allein nicht zu, also buchte ich eine Gruppenreise, an deren Ende sofort noch eine Zweiertour durch Rumänien, die Ukraine und die Slowakei angehängt und zu einem großartigen Erlebnis wurde
Details:
Aufbruch: 22.08.2003
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 19.09.2003
Reiseziele: Rumänien
Bulgarien
Ukraine
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.