Radreise in der Horde und auf eigene Faust nach Südosteuropa
Strapazen bei 35 Grad Hitze am Eisernen Tor
Donnerstag, 28.August 2003
heute soll sich die Gruppe vom gestrigen Paß erholen können. Nur 55 km stehen uns bevor, immer abwärts an der Donau entlang. Erholung bei angesagten 36 Grad. Die Donau ist am Eisernen Tor aufgestaut und der Rückstau wirkt sich bis hierher aus. Spürbares Gefälle auf der Straße kommt also nicht vor, nur wenn wir vorher mal ein Stück am Hang bergauf gefahren sind.
Die Donau bildet hier die Grenze zwischen Rumänien und Serbien, aber Brücken oder Fähren sehen wir nirgends. Dagegen viel mehr Tankstellen als für das bißchen Verkehr nötig wäre. Radu erklärt uns das: Während des Embargos gegen Serbien haben die Rumänen hier von Benzinschmuggel nach Serbien gelebt und die gelegentlichen gepflegten Häuser, die wir hier sehen werden, sind von den Verdiensten aus dem Schmuggel gebaut. Da scheinen aber nur einige wenige erfolgreich geschmuggelt zu haben. Die Dörfer sehen ärmlich aus, und vor allem stehen am Rand immer verlassene Industrieruinen und halbleere Plattenbauten. Das Donauufer, landschaftlich ein Kleinod, ist weithin noch naturbelassen wie schon 500 Jahre zuvor. Angler versuchen ihr Glück, manchmal mit der ganzen Familie, die im Freien picknickt.
Von Tourismus keine Spur, entsprechend verlassen auch die Uferstaße auf der rumänischen Seite. Auf der serbischen Seite sieht man eine elegant gebaute Straße mit sanften Schwüngen an den Hängen und Talbrücken über Seitentäler, aber auch dort mit wenig Verkehr. Von Zeiten des Sozialismus stehen die Wachtürme noch auf beiden Seiten, aber sie rosten still vor sich hin. Unser Nachtquartier ist heute im Clubhaus des Vereins der rumänischen Forstbeamten, direkt an der Donau gelegen mit eigener Badestelle und ausgesucht schönem Blick. Wir werden professionell bewirtet und gut untergebracht, Gott sei Dank auch hier wieder mit kurzem Weg zur Toilette, Montezuma fordert es. Den herrlichen Blick auf den Sternenhimmel bei über 25 Grad Nachttemperatur kann ich leider nur mit halber Kraft genießen. Und die Seuche scheint um sich zu greifen, Mittel gegen Durchfall werden eifrig ausgetauscht und verteilt, die Frauen haben Gott sei Dank gut vorgesorgt, die nächste Apotheke ist erst in Orsova.
Freitag, 29.August 2003
der Donaudurchbruch durch die Karpaten ist rund 130 km lang, wir haben erst knapp die Hälfte, und heute steht der Höhepunkt bevor. Aber auch 75 km bei angesagten 38 Grad. Wir brechen deshalb schon um 7 Uhr auf, um der Mittagshitze wenigstens etwas zuvorzukommen. Dennoch sind wir um 9 Uhr schon reif für die erste Getränkepause bei dem einzigen Cafe an der gesamten Strecke. Coca-Cola soll gut gegen Durchfall sein, also steigt unser Colakonsum entsprechend.
Auf der nächsten Steigung hat Alfred ein Problem mit seiner rechten Pedale. Und zwar exakt dasselbe wie ich mit meinem Rad, das in Temesvar steht. Was wird nun passieren, ein Reserveleihrad ist nicht mehr frei, das habe ich schon in Benutzung. Alfred fährt die nächsten Kilometer erst einmal tapfer nur mit der linken Pedale weiter, wobei er mal kräftig zutreten und danach die Pedale mit dem linken Fuß wieder auf Tritthöhe hochziehen muß. Bis Gabi ihn mit dem Auto überholt. Der sieht sich das Gewinde der Pedale und des Tretlagers an und schraubt die kaputte Pedale so weit in das kaputte Tretlager hinein, bis sie auf den letzten beiden noch intakten Ritzen des Gewindes festsitzt. Das muß nun für den Rest der Reise halten, und tatsächlich, Alfred wird die ganze Reise heil überstehen. Der Streit darüber, ob die rechte Pedale nun ein Linksgewinde oder ein Rechtsgewinde hat, wird schnell vergessen, Gabi muß es jedenfalls richtig gewußt und richtig gemacht haben, bei Alfred ist das nicht so sicher.
Das Donautal wird immer enger und großartiger, dazwischen öffnet es sich zu breiten Seen, ideal für Hotelstandorte, wenn man den einen oder anderen wilden Müllplatz nur umfunktionieren würde. Doch außer spärlicher Landwirtschaft scheint es hier keine Arbeitsplätze zu geben. Schließlich verabschiedet sich die Donau in einer 120 Meter breiten Schlucht, in der auch die Straße keinen Platz mehr hat, wir müssen 130 Höhenmeter bergauf, wo Gabi einen müllfreien Picknickplatz in der Nähe einer Höhle ausfindig gemacht hat.
Wir steigen zur Höhle hinab, die wir schließlich mit Handfackeln weiter abwärts begehen müssen, bis es vor uns wieder hell wird. Da stehen wir wieder an der Donau, aber noch im Berg. Das Wasser ist sauber und mindestens 25 Grad warm und durch ein Lichtloch können wir das andere Ufer sehen. Diese Höhle soll auch während des Embargos ein Unterschlupf für Schmuggler gewesen sein. Das glauben wir gern, denn die gut ausgetretenen Pfade können gar nicht allein von den wenigen Touristen stammen, die hier einmal herkommen.
Unser Picknick halten wir heute mit anschließendem Mittagschlaf unter schattigen Bäumen ab. Was ist schöner, das gute Essen von Gabi oder das Ausspannen hinterher? Die meisten fallen in einen kurzen Tiefschlaf, aus dem sie erst die weitergewanderte Sonne wieder aufweckt, doch dann drängt Radu zum Aufbruch. Er skizziert uns in kurzen Worten die Route, die noch vor uns liegt. Inzwischen wissen wir, was "ein wenig bergauf, aber nicht so sehr steil" bedeutet: dass es unsere Spitzenreiter gerade noch ohne Absteigen schaffen werden. Doch die großartige Landschaft entschädigt für alle Strapazen. Wir kommen wieder herunter zur Donau, die hier einen großen Bogen macht, der durch das Aufstauen einen breiten Bergsee bildet. Die Straße ist nur noch halb so breit und führt unmittelbar am Wasser neben senkrechten Steilwänden entlang. Leider müssen wir beim Abwärtsrollen sehr konzentriert auf Schlaglöcher achten, einen Blick auf die großartige Gegend können wir nur riskieren, wenn wir anhalten - aber wer will schon die übrige Gruppe an sich vorbeiziehen lassen ?
Radu setzt an einer spektakulären Stelle eine Fotopause an, bei der wir vor dem Hintergrund des in den Felsen gehauenen Königs Decebal auf einer Brücke zum Gruppenbild posieren. Der reichste Mann Rumäniens Dragan läßt den König überlebensgroß hier in den Kalk hauen, nicht ohne sich selbst als Sponsor ein Denkmal zu setzen.
Nun öffnet sich das Tal etwas und wir fahren an der sonnigen Seite der Donau entlang. Hier haben sich einige Reiche schon die Grundstücke für ihre Datschen gesichert, bescheidener Wohlstand und solides Handwerk wird erkennbar. Doch Fremdenverkehr scheint noch ganz in den Anfängen zu stecken, nirgends finden wir einen Hinweis auf Privatquartiere oder Pensionen, nur an einer Hotelbaustelle fahren wir vorbei. Radu hat gesagt, dass wir heute abend ein Hotel sogar mit Air Condition haben werden. Das baut uns auf, aber bis Orsova scheint es noch endlos zu sein. An einer Tankstelle 5 km vor Orsova machen wir noch einmal eine dringend notwendige Colapause, dann gehen wir den Endspurt an. Spätestens jetzt wird erkennbar, wem Montezuma zu schaffen macht, das Feld zieht sich weit auseinander und selbst die Führungsspitze zerbröselt. Aber die Frauen halten sich erstaunlich gut.
Im Hotel in Orsova weist man mir den Weg zur Apotheke und zur Post. Wir sind zurück in der Zivilisation, aber auch am Ende unserer Radtour durch Rumänien. Die Klimaanlage des Hotels wälzt auch die Mücken mit um, nach einer Stunde Jagd gebe ich auf und wehre mich mit Autan, mit wenig Wirkung allerdings, die Viecher scheinen resistent dagegen zu sein. Draußen steht die Nachtluft, es sind noch 29 Grad.
Aufbruch: | 22.08.2003 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 19.09.2003 |
Bulgarien
Ukraine
Slowakei
Ungarn