Vietnam - Traum und Wirklichkeit

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Norbert Wallner

Babylonische Sprachverwirrung

Susanne sucht den Kontakt zu den Menschen. Versucht sich in der uns fremden Sprache. Und alle haben Riesenspaß. Wir lernen von ihr, wenn auch mit einer gewissen vorsichtigen Zurückhaltung.
Immer wieder hören wir, wie viele Bedeutungen eine einfache Silbe haben kann, ein einfaches Wort, wenn man es nur unmerklich anders betont.
Nach einigen Tagen lassen auch wir uns zu einem fröhlichen Xin Chao hinreißen, was so viel wie Guten Tag heißen soll. Nachdem nach und nach der sprachliche Mut auf alle Reiseteilnehmer übergreift, demoliert Nam unsere Euphorie, indem er uns zart und einfühlsam darauf hinweist, dass wir unsere Begeisterung beim Grüßen dämpfen sollten, weil die Betonung, die diese hervorruft, aus einem "guten Tag" ein "ich will eine Nudelsuppe" macht. Und wir wundern uns, warum wir so oft Suppe bekommen, bei der Begeisterung, die Susanne hat!
Susanne ist aber im Lern- und Übungsprozess schon längst weiter und nicht zu bremsen.
Sie weiß inzwischen auch, was "Guten Abend" heißt und probiert ihr Wissen fleißig aus. Zuerst fällt es ihr nicht auf. Da aber die herzlich gegrüßten Männer immer grinsen, kichern oder auch herzhaft lachen, fasst sie sich ein Herz und fragt unseren Reiseleiter, was denn so große Heiterkeit verursacht. Er lässt sich ihren Gruß vorsagen und bricht ebenfalls in Lachen aus. Erst eine hochnotpeinliche Befragung bringt ihn nach einiger Zeit dazu, mit der Wahrheit heraus zu rücken. In Susannes Betonung hieß der Gruß: "Ich begrüße Deinen Penis"
Ich denke, fortan wird sie sich wieder auf die Nudelsuppe beschränken.

Umgekehrt haben es die Vietnamesen auch nicht leicht mit Fremdsprachen. Die Schulen dürften im Fremdsprachenunterricht eher keine Meisterleistungen bieten, vielfach spielt sich der Englischunterreicht in Form von extra zu bezahlender Sonntagsschule ab. In Dörfern scheint es teilweise überhaupt keine Fremdsprachenlehrer zu geben, was angesichts der Gehaltssituation kaum verwunderlich ist. Ein Lehrergehalt kann bestenfalls als Zusatzeinkommen zu betrachten sein, was man so hört, liegen die Gehälter teilweise bei nur 25 bis 30 Euro monatlich.
Dazu kommt, dass jahrelang Russisch als Fremdsprache unterrichtet wurde, kurzzeitig auch Französisch. Bis zur Wende in Deutschland wurden Akademiker vorwiegend in Ostdeutschland ausgebildet, sodass sich die Fremdsprachenkenntnisse auf mehrere Sprachen verteilen.
Vor allem in Städten und in Gegenden, die von Touristen heimgesucht werden, besteht großes Interesse, Englisch zu lernen.
Immer wieder werde ich in Hanoi von Leuten angesprochen, die Ihr Englisch ausprobieren wollen und verbessern wollen. Klar, die meisten, die mich anreden, wollen nur mein Geld, unter welchem Vorwand auch immer, aber eben nicht alle.

Auch später in Sapa mache ich die Erfahrung, dass manche junge Leute einfach nur Englisch plaudern wollen, so wie Ker, oder meine kleine Chi.
Wobei die Bergvölker wahrscheinlich den Vorteil haben, von vorneherein mehrsprachig aufzuwachsen. Nicht nur, dass in den Bergdörfern meist zwei oder drei verschiedene Völker zusammenleben, die sich miteinander verständigen müssen, spätestens wenn die Kinder mit sechs Jahren in die Schule kommen, werden sie in einer ihnen völlig fremden Sprache unterrichtet. Vielleicht ist dann Englisch nur noch eine Kleinigkeit. Viele Mädchen und Frauen im Bergland sprechen fließend Englisch, wenn sie Kontakt zu Touristen haben, haben allerdings beim Lesen und Schreiben Schwierigkeiten, weil sie diese Sprache in der Schule ja nicht gelernt haben.

© Norbert Wallner, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zeit.Reise.Bericht 11 Tage Patenreise durch Vietnam. Zwischenlandung in Singapur. Saigon, Cu Chi, Mekong-Delta, Hue, Da Nang, Hoi An, Projektgebiet Hiep Duc mit Besuch der Patenkinder, Hanoi, Halong-Bucht. Anschließend 1 Woche alleine und individuell im Norden Vietnams (Hanoi und Sapa).
Details:
Aufbruch: 14.04.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 02.05.2007
Reiseziele: Singapur
Vietnam
Der Autor
 
Norbert Wallner berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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