Vietnam - Traum und Wirklichkeit
Das Wunder der Telekommunikation
Im Hotel Windsor Plaza gibt es einen der größten Märkte von Saigon, einige Stockwerke Ladenstraße. Nicht klimatisiert. Da kommen wir dem Land und den Menschen schon näher. Ich brauche eine vietnamesische SIM-Karte für mein Handy, das muss dort ja wohl zu finden sein. Mache mich also mit Elfi auf den Weg. Gleich beim Eingang erkenne ich, da würde ich mich heillos zwischen den Läden verirren und verzetteln, ich würde alles finden, nur kein Handyshop. Werde freundlich begrüßt - klar, das kenne ich aus der Türkei, hallo, woher kommst du, aha, Vienna, Stephansplatz, habe einen Onkel dort, ich war in Amstetten, wir haben schöne Hemden, 10 Euro, oder so ähnlich halt. Klack, Ich schalte normal ab, klappe meine Ohren zu, lächle, sage nein danke und trolle mich von dannen. Keine Ahnung, er verkauft Schmuck, keine Hemden. Ich kürze den Redefluss ab und frage nach einem Handyshop, wo ich eine SIM-Karte bekomme. Also das mit Englisch funktioniert, nicht überraschend, dass der junge Mann sofort die richtige Adresse kennt. Ohne den Willen einer Geschäftsanbahnung erkennen zu lassen erklärt er den Weg. Fast zu einfach. Am Ende der Ladenstraße rechts. Ich meine, das findet sogar ein blindes Hendl mit Alzheimer. Nach zwei Schritten ein kleiner Junge, der uns den Weg zeigen muss. Soll sein, von irgendwas müssen die Leute ja leben, und noch hab ich genug Kleingeld um es in kleine Kinderhände zu stopfen. Zumindest ein Kind gibt es. Ich bin beruhigt. Die sind deshalb nicht auf der Straße, weil sie hier Langnasen den Weg zeigen müssen. 200 Meter weiter und 10.000 Dong reicher verlässt der Junge uns beim beschriebenen Handyshop. Voila. Die Verhandlungen sind eröffnet. Viettel-Shop. Eigentlich habe ich als Empfehlung Mobifone in Erinnerung, aber egal. Zwei Mädchen hinterm Schalter, ein kleines Kind krabbelt auf dem Schalter. Doch, es gibt Kinder. Die jungen Damen geben vor, Englisch zu können, verstehen Englisch, zumindest ein bisschen, können aber kein Wort reden. Aber schreiben können sie Englisch. Wie auch immer, ich erstehe die billigste Karte, nicht wissend, ob sie in meinem Handy funktionieren wird, Flinke kleine Fingerchen zerlegen mein Handy und setzen es wieder zusammen. Eine junge Dame überreicht es mir mit einem glücklichen Lächeln. Mobifone. im Viettel-Shop. Ich denke nicht darüber nach.
Natürlich funktionierte mein Handy nicht. Vielleicht doch kleine Schlitzohren? Naja, die Investition war ja gerade nicht sehr teuer, ist zu verschmerzen, müssen mal schauen, dass wir zu unserem Zimmer kommen, die erste Stadtrundfahrt beginnt gleich. Wollte zwar in good old Austria unsere glückliche Ankunft vermelden, aber man erfährt es in Europa schon, wenn irgendwo auf der Welt ein Flugzeug abstürzt.
Zwischen Stadtrundfahrt und Abendessen ist kurz Zeit, mein Handyproblem von neuem anzugehen. Die zwei jungen Damen und das Kleinkind sind verschwunden, eine andere, noch jüngere Dame hat den Platz hinter dem Schalter eingenommen, begutachtet mein Handy. Nein, ich habe diese SIM-Karte nicht dort gekauft, ist schließlich ein Viettel-Shop. Sie haben kein Mobifone. Lächeln kämpft gegen Lächeln, ich hypnotisiere ihre hübschen braunen Augen, sie schlägt ihre langen Wimpern nieder und bedenkt mich mit einem erotisierenden Augenaufschlag. Ich widerstehe heldenhaft und bringe mein Begehr neuerlich zum Ausdruck. Ergebenes Seufzen und sie zerlegt wieder einmal mein Handy, um es geschickt von neuem zusammenzubauen. Fragt mich nach einer Nummer in Österreich, tippt herum, telefoniert mit meinem Handy, mit ihrem Handy. Alles okay, meint sie, nur das Netz ist überlastet und überreicht mir mein Handy mit einer Geste, die eine Mischung aus Charme, Mitleid und Verachtung ist.
Mit einem eher kläglichen Versuch mein Gesicht zu wahren verabschiede ich mich und ärgere mich zugleich, dass ich die junge Dame nicht gleich nach einer Viettel-Karte gefragt habe, mein Vertrauen zu meiner Mobifone-Karte ist auf dem Nullpunkt angelangt.
Kaum habe ich die Ladenstraße mit beginnenden Depressionen verlassen, ein mir wohl vertrautes Düdltüü. SMS durchgegangen. Wunder von Vietnam beginnt.
Ich bitte im Stillen sämtliche jungen Damen um Verzeihung und sende mal alle Nachrichten, die ich für notwendig halte. Die nächsten Tage würde ich mein Handy ausgiebig nutzen und mich wundern, wie viel ich für dieses geringe Guthaben telefonieren kann, habe aber weiter keine Zeit, mich um solche Details zu kümmern. Immerhin gibt es ein Land zu entdecken.
Tage später im Hotel Morin in Hue schließlich denke ich, es sei endlich Zeit, zu fragen, wo ich meine SIM-Karte aufladen lassen könne. Keine langen Erklärungen, alles klar, einige Hundert Meter weiter auf der rechten Seite. In einer Halbdrehung nach links, um zu gehen, jäh gestoppt, die Frage, wie viel ich aufladen will. 200.000 Dong, meine ich. Kurze Diskussion unter den Rezeptionisten. Nach der Stadtrundfahrt möge ich vorbeikommen. Das klingt vertrauenerweckend. Kaum habe ich mich zu einem kleinen Kaffee niedergelassen, ein "Mr. Wallner" von der Rezeption. Ob er kurz mein Handy haben könne. Und er bekäme 200.000 Dong. Okay, er zeigt mir, wie ich das Guthaben auf Englisch abrufen kann. Ich wähle 901: 375.000 Dong Guthaben. Das ewige Perpetuum Mobile beginnt sich zu drehen. Jedes Mal wenn ich in den nächsten Tagen mein Guthaben abfragen werde, werde ich den Eindruck haben, mir wird aufgebucht statt abgebucht. Dieses Wunder wird mich die nächsten zwei Wochen begleiten, bis zum letzten Tag, an dem ich echt große Mühe haben werde, mein Restguthaben zu verbrauchen.
In der Provinz Hiep Duc habe ich zwar keinen Empfang, und auch nicht auf meiner Trekkingtour in der Nähe von Sapa. Dort verwenden alle Viettel. Aber irgendwie kommt es mir vor wie: einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Fotografische Eindrücke aus Saigon (15.-17.04.2007):
Aufbruch: | 14.04.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 02.05.2007 |
Vietnam