Endlich Leben!

Reisezeit: Juli - Oktober 2008  |  von Kristina Beatrice Holler-Bouldin

Das letzte Abendmahl oder: Whiskey 'n Spliff

An meinem letzten Tag in Haarlem hatte ich noch einmal richtig Glück mit dem Wetter: strahlender Sonnenschein und sommerliche Temperaturen.

Ich wanderte also durch die Stadt, durch mir noch unbekannte Gassen, an Schaufenstern und Cafes vorbei, am Wasser entlang, durch Straßen voller Menschen und Straßen ohne. Schließlich ließ ich mich für einige Zeit in einer Espressobar nieder, genoss den frischen Minztee und setzte mich anschließend einige Zeit an einen kleinen Stadtkanal zum Lesen in die Sonne.

Am Abend war dann wieder Radfahren angesagt: Am anderen Ende der Stadt waren wir zu Campbells Freunden zum Abendessen eingeladen, wo uns auf dem Balkon die letzte Sonne des Tages eine warme Zeit bereitete und von wo wir noch den Sonnenuntergang betrachteten.

Anschließend trafen wir uns noch mit anderen Freunden meines Hosts im Stadtzentrum in einem Weinlokal. Dort trank ich eine Auswahl an Weißweinen mit dem bezeichnenden Namen: "Around the world". Hier genoss ich einen Italiener, einen Chilenen und einen Südafrikaner, wobei ich mich nicht entscheiden kann, ob nun der Wein aus Chile oder der aus Südafrika besser war.

Mit zwei der Freunde, die dort ihren Abschied aus Holland feierten, weil sie nach England zurück ziehen, fuhren wir später noch nach Hause (in eine der schönsten Wohnungen, die ich bisher gesehen habe! Neid!!) und ließen den Abend mit Whiskey und "Spliff" ausklingen.

Am nächsten Tag fuhr ich nachmittags mit dem Zug nach Amsterdam und hatte dort noch eine angenehme Zeit, während ich auf meine Mitfahrgelegenheit nach Hamburg wartete. Als ich so durch die Straßen wanderte, schwer beladen mit meinem Gepäck, lernte ich Joaquim aus Portugal kennen, der mit seinen zwei Hunden, seiner Gitarre und einem Schild "Puppy 4 Adoption (Owner Included)" am Straßenrand saß. Ich saß etwa eine Stunde bei ihm um mir die Wartezeit zu verkürzen und lernte noch ein paar seiner Freunde kennen. Anschließend machte ich mich dann zum mit meinem Fahrer vereinbarten Treffpunkt auf, mit dem ich dann am Abend von Amsterdam nach Hamburg fuhr.

Interessant war für mich folgende Feststellung: Ich fand es bisher immer toll, meine Couchsurfinggäste über ihre Reisen zu befragen und war immer neidisch, was sie tolles erlebten. Nun habe ich die Seiten gewechselt und bin selber diejenige, die jetzt auf Reisen ist. Bisher standen alle Leute, die ich getroffen habe, dem Reisen positiv gegenüber und ich bekomme viel Zuspruch.

Gerade erinnere ich mich auch an einen Text von Seneca, den wir in Latein behandelten; er handelt vom Reisen. Er spiegelt nicht unbedingt meine Ansichten wider, gibt jedoch einen kleinen Denkanstoss:

"Du glaubst, daß dies dir allein zugestoßen ist und wunderst dich über eine neue Sache, weil du durch eine so lange Reise und die Verschiedenheiten so vieler Ortschaften die Traurigkeit und Schwere des Geistes nicht beseitigt hast? Du mußt deinen Seelenzustand verändern, nicht den Himmel. Socrates sagte eben dies zu einem gewissen, der sich beklagte: "Was staunst du, daß die Reisen nichts nützen, da du doch dich herumträgst? Dich bedrückt dieselbe Sache, die dich vertrieben hat." Inwieweit kann die Neuigkeit der Länder erfreuen? Inwieweit das Kennenlernen von Städten oder Orten? Erfolglos bleibt diese Unrast. Du fragst, warum dir diese Flucht nicht hilft. Du fliehst mit dir. Die Last der Seele muß abgelegt werden: vorher wird die nicht irgendein Ort gefallen. Du gehst hierher (und) dorthin, um das auf dir lastende Gewicht abzuschütteln, welches durch die Unrast selbst unangenehmer wird, so wie auf einem Schiff die unbewegte Lasten weniger bedrängen, ungleichmäßig zusammengewälzte diesen Teil, auf den sie sich gelegt haben, schneller untertauchen. Was auch immer du machst, du tust es gegen dich und du schadest dir durch die Bewegung selbst; du erschütterst nämlich einen Kranken. Aber wenn du dieses Übel entfernt haben wirst, wird jede Ortsveränderung angenehm werden; magst du auch in die entferntesten Länder fortgetrieben werden, (magst du) in irgendeinen Winkel des Barbarenlandes angesiedelt werden, jener Wohnsitz wird dir gastfreundlich sein, wie auch immer er beschaffen sein mag. Wichtiger ist, als wer du gekommen bist, als wohin (du gekommen bist), und deswegen dürfen wir (unsere) Seele keinem Ort überantworten. Mit dieser Überzeugung muß man leben: "Ich bin nicht für einem einzigen Winkel geboren, diese ganze Welt ist meine Heimat." Wenn dir das klar wäre, würdest du dich nicht wundern, daß du durch Verschiedenheiten der Gegend nicht erfreut wirst, in die du immer wieder aus Ekel über die vorangehenden wanderst; die Erstbeste hätte dir nämlich gefallen, wenn du alle für deine hieltest. Nun bist du nicht auf Reisen, sondern du irrst umher, obwohl jenes, was du suchst, (nämlich) glücklich zu leben, an jedem Ort gelegen ist." (Seneca - epistulae morales ad Lucilium: 28;1-5)

Mit meiner Reise hat das ja in sofern zu tun, dass ich mich einerseits selber besser kennenlernen will, herausfinden will, was ich mit meinem Leben anstellen will und meinen Kopf endlich frei zu bekommen. Nach Seneca (bzw. Sokrates) wird mir das auf diese Weise nicht gelingen, denn ich reise mit mir. Dennoch wage ich dieses Experiment gerne um herauszufinden, ob das, was seit der Antike gilt, wahr ist oder nicht.

Du bist hier : Startseite Europa Niederlande Das letzte Abendmahl oder: Whiskey 'n Spliff
Die Reise
 
Worum geht's?:
Fertig mit dem Abi. Was nun? Reisen, eine gute Möglichkeit, die Welt zu entdecken. Ich stehe noch ganz am Anfang, sehr gespannt, was mich erwartet!
Details:
Aufbruch: 01.07.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 29.10.2008
Reiseziele: Deutschland
Niederlande
Vereinigte Staaten
Der Autor