Mosambik und Malawi
Schöner Rückzug - On the Road
»Mr. Diamond's Resthouse« bekommen wir nicht mehr bei Tageslicht zu sehen, denn äußerst pünktlich um vier Uhr in der Frühe - wie bereits am Vorabend verabredet - hupt ein Pickup, mit dem wir ein Stück weit in Richtung mosambikanische Grenze fahren werden. Ich habe bereits auf der Ladefläche Platz genommen, als der ältere Mann zu mir eilt, mir die Hand schüttelt und sich bedankt. Ich weiß nicht genau, wofür (wegen des kleinen Trinkgelds gestern Abend?), bin aber augenblicklich gerührt.
So sehr uns nun die Pünktlichkeit des Buschtaxis überrascht, wir sind lediglich die Ersten, die es abholt. Es gibt aber noch zahlreiche andere, die zum Teil erst geweckt, Frachten, die aufgesammelt werden müssen, und so fahren wir kreuz und quer durch den Ort und es vergeht wenigstens eine Stunde, bis wir dann richtig unterwegs sind. Der Wind weht uns wieder um den Kopf, drei Stunden sind es bis zur Abzweigung nach Mandimba und ohne größeren Aufenthalt fahren wir anschließend auf einem weiteren Pickup zur malawischen Zollstation. Eine Schar von Fahrradtaxi-Fahrern bedrängt uns. Sie suchen Kunden, die sie durch das Stückchen Niemandsland bis zur mosambikanischen Seite befördern können. Hundert! rufen sie alle, eine Auswahl unter ihnen ist Glückssache. Als wir dann mit den Rucksäcken auf dem Buckel hinten Platz genommen haben, ist es für unsere beiden Jungs eine schweißtreibende und für alle eine staubige Angelegenheit den einen Kilometer bis zum Grenzposten der Mosambikaner zurückzulegen. Die Jungs wollen uns nach der Abfertigung noch ein Stück weiter radeln, zu einem Stand mit Chapas, aber diese Abfertigung dauert erst einmal lange, zumal gar nicht abgefertigt wird. Der Chef ist eine junge Frau, nur sie ist offenbar berechtigt uns das nötige Visum auszustellen, sie sei aber nicht anwesend, sagt einer der Beamten, man müsse sie erst telefonisch rufen. Das geschieht zwar gleich, aber Frau Chefin lässt dann eineinhalb Stunden auf sich warten. Als sie endlich kommt, Lachen und freudige Begrüßung. Dass wir ohne weitere Umstände ein Visum erhalten (für vierzig US-Dollar), ist schon an sich eine gute Nachricht, wir hatten zuvor unklare Informationen erhalten. Erfreulich auch, dass uns ein englisches Paar, das mit einem Geländewagen im südlichen Afrika unterwegs ist, einen Lift bis nach Cuamba gibt, immerhin eine Fahrt von knapp zweihundert Kilometern über eine Hoppelpiste. Die Fahrradtaxis müssen noch entlohnt werden, auch für die Wartezeit. Wir geben ihnen das Doppelte des geforderten Preises, aber das ist für sie viel zu wenig, denn plötzlich ist nicht mehr von Kwacha die Rede, sondern nur noch von Meticais, also von mehr als dem Fünffachen. Das ist ihr Trick gewesen. Bei allem Respekt vor ihrer Arbeit, bei uns funktioniert er nicht. Ehe wir mit Jane und Allen losfahren, spricht uns ein Mosambikaner an, noch einer, der ein paar Jahre in der DDR verbracht hat, er wünscht uns, als wir ihm sagen, dass wir schon halb wieder auf dem Rückweg sind, einen "schönen Rückzug". Dann Cuamba. Auf der Bank versuche ich die übrig gebliebenen Kwacha umzutauschen, vergeblich. Ein Angesteller empfiehlt mir zum Schwarzen Markt zu gehen (wäre da einer). Anschließend beginnt die Suche nach einem Hotel und das ist ein zähes Dahin-Dorthin, ehe das richtige gefunden ist. Aber die Entscheidung, die ich zuletzt ziemlich voreilig für uns beide treffe (Karin wartet gerade in einer anderen Pensão auf mich, hat das angepeilte Hotel in der Nähe des Marktes noch gar nicht gesehen), ist alles andere als glücklich: ein kleines Zimmer mit nichts als einem Bett - das wäre so weit in Ordnung, dummerweise sehe ich bei der kurzen Besichtigung nicht so genau hin -, stickig ist es, zwei, drei Kakerlaken spazieren herum, und das Klo ist irgendwo an einem anderen Ende, wo man eine Sackleinwand zur Seite schiebt und dann ein wenig innere Standfestigkeit braucht (äußere auch, denn es ist glitschig). Als wir im zugehörigen Restaurant etwas essen und trinken, erscheint die Übernachtung mit auf der Rechnung, es ist der kleinere Posten, umgerechnet drei Euro. Die Leute, die den Laden betreiben, sind derart freundlich, dass man alles Mögliche nachsieht. Als wir bei Einbruch der Dunkelheit noch zum Markt gehen, fahren sie uns sogar mit dem Moped hinterher und suchen uns längere Zeit, der Grund: Ich hatte meine Tasche bei ihnen auf einem Stuhl liegen lassen. Sie drücken sie mir nun in die Hand und freuen sich darüber nicht minder als ich (obwohl wir ja ohnehin wieder zurückgekommen wären). Drei große Lkws stehen nur ein paar Meter entfernt von unserer Bleibe, und damit hat sich diese Übernachtung zuletzt auf andere Weise bezahlt gemacht. Wir treffen nämlich Simon, einen Fernfahrer, der uns am folgenden Tag ein großes Stück in Richtung Osten mitzunehmen verspricht. Um vier Uhr in der Frühe ist es schon soweit und dann sitzen wir geschlagene zwölf Stunden in diesem leeren Tanklastzug und können hinterher sogar sagen, dass wir Glück gehabt haben. Erstens deshalb, weil wir auf relativ angenehme Weise eine lange und miserable Strecke zurücklegen, weil wir zweitens bis fast ans Ziel gelangen, zur Ilha de Moçambique, und drittens sicher auch wegen Simon selbst. Er kommt aus Malawi, spricht ein gutes Englisch und will uns ursprünglich bis Nampula mitnehmen, stellt dann aber, nachdem wir unsere Karte aufgeschlagen haben, fest, dass er nicht, wie er dachte, von dort nach Süden abzweigen muss, sondern nach Norden, genau in unsere Richtung. Simon war schon einmal "Fahrer des Jahres" in Malawi, er hat sogar ein Buch über sein Fernfahrerleben geschrieben, in dieses gibt er uns ein paar nähere Einblicke. Nebenbei hält er jedes Mal an, wenn auf der Strecke ein Kollege stecken geblieben ist und seine Hilfe benötigen könnte. Simon ist eine stattliche Erscheinung, hat ein bisschen was vom Ideal eines "großen Bruders". Er weiß einiges zu erzählen über sein Land, über Mosambik, über Fauna und Flora. Nach gut dem ersten Drittel der Fahrt wird die Landschaft immer eindrucksvoller. Kleinere Gebirgszüge sind aufgetaucht, manche sehen aus, als seien da riesige und ganz unterschiedlich geformte Teigklumpen nebeneinander aufgereiht, kein Berg gleicht dem anderen. Einige von ihnen sind mit lauter Monolithen bestückt, andere haben Gesteinswände, die glänzen wie Wasserfälle, man muss schon zweimal hinsehen, um nicht zu glauben, es seien doch welche. Es ist bestimmt ein großes touristisches Potenzial, was man hier entdeckt, mit einer Ausnahme aber gibt es nirgends ein Hotel oder einen Campingplatz oder doch einen Hinweis darauf. Nampula, das etliche Kilometer später folgt, gefällt uns dann gar nicht und wir sind froh die Nacht über nicht in dieser Stadt bleiben zu müssen, sondern weiter mitfahren zu können bis zum Abzweig zur Ilha de Moçambique. Ich werde bei Simon noch meine malawischen Kwacha los und habe auch in diesem Sinne Glück gehabt. Dann ist es eine weitere Stunde Fahrzeit bis zu jener dreieinhalb Kilometer langen Brücke, die die Ilha vom Festland trennt. Unmittelbar davor, direkt am Strand gelegen, ist der »Casuarina Camping«. Als wir eintreffen, sind auch Jane und Allen gerade gekommen. Die Besitzerin heißt Helena, sie ist klein und dicklich und hat wohl nicht nur afrikanisches Blut in den Adern. Sie macht mich auf ein Foto an der Wand aufmerksam, das ihre Tochter und deren deutschen Ehemann zeigt, einen Manfred. Daneben hängt ein anderes Foto mit einem Model auf einem Laufsteg. Auch ihre Tochter? Nein, sagt sie, das bin ich. In einer anderen Zeit.
Aufbruch: | Juli 2008 |
Dauer: | circa 9 Wochen |
Heimkehr: | September 2008 |
Mosambik
Malawi