Mosambik und Malawi
Huckepack - Inhambane/Inhassoro
Am Ausgang von Quissico, dort wo man den Panoramablick über die Lagune hat (und einige Biere mit Leonard geflossen sind), stehen und warten wir auf eine Chapa, einen Minibus, der uns bis zur Abzweigung nach Inhambane bringt. Zunächst vergeblich, aber das Problem löst sich auf andere Weise, ein, wiederum weißer, Südafrikaner mit einem Geländewagen hält an und wir haben einen komfortablen Lift. Die Strecke ist vergleichsweise kurz und von besagtem Abzweig ist es nochmals ein kleines Stück bis Inhambane, einer Stadt am Meer.
Auf dem Markt in einer einfachen Garküche ist Gelegenheit etwas zu essen, Reis mit ein wenig Huhn. Die Wirtin setzt sich zu uns, erzählt von ihrem Sohn, der nach Brasilien gegangen ist, von der Armut hierzulande, sie gibt uns auch eine Erdnusssoße zu kosten, die die Leute in dieser Gegend zu ihrem Maisbrei kochen. Ein körperbehinderter Mann kommt auf seinen Knien angerutscht, sagt, er habe drei Meticais, sieben Cent etwa, und sie möge ihm dafür eine Kleinigkeit zu essen geben. Das tut sie und wir können mit unseren Reisportionen nachhelfen. Inhambane ist aufgeräumt und verschlafen. Der Hafen, weitgehend bedeutungslos geworden, hat keinerlei Ausstrahlung auf die Stadt. Dennis ist der Betreiber der »Pensão Pachiça«, in der wir ein Doppelzimmer nehmen. Er setzt sich am Abend zu uns an den Tisch, erzählt Dinge aus seinem Leben, berichtet von (vielen negativen) Erfahrungen in seiner Heimat Südafrika, spendiert Kaffee und Kuchen. Zum Abschluss des Tages passiert noch etwas Seltsames, etwas, das hätte auf gemeine Weise schief gehen können. Ich hatte nämlich zuvor in der Stadt eine Flasche Rotwein gekauft, wir wollten uns damit vor dem Zubettgehen auf den Balkon des Hotels setzen und ein wenig auf das vom Mond beschienene Meer blicken, dessen Ufer gleich auf der anderen Seite der Straße liegt. Die Tasche, in der ich den Wein trug, war zuvor etwas zu hart aufgesetzt worden und ich hatte ein bestimmtes Geräusch vernommen, doch es schien alles heil geblieben zu sein. Jetzt hingegen, nachdem ich die Flasche herausgenommen habe und auf einen Tisch stelle, zeigt sich, dass sie einen Sprung hat. Im selben Moment platzt sie dann auf und der Wein ergießt sich über den Tisch. Nur ein paar Spritzer, die schnell wieder entfernt sind, kommen an Hose und Jacke. Inhambane liegt auf einer Landzunge. Um wieder zur großen Nord-Süd-Route zurückzugelangen, nimmt man am einfachsten eine Fähre nach Maxixe. Oder eine Dhau. Als wir am Morgen zur Anlegestelle kommen, ist gerade eins dieser Segelboote losgefahren. Ein Mann läuft ihm ins Wasser stapfend hinterher und ruft es zurück. Die Dhau kehrt um, kann im Augenblick aber nicht am Ufer festmachen, weil Ebbe ist. Man muss zu ihr hin waten, am Bootsrand reicht einem das Wasser dann bis zur Hüfte. Der Steuermann bietet an, mich die ungefähr zwanzig Meter zu tragen. Etwas erstaunt lehne ich ab. Als ich dann aber sehe, dass auch andere sich auf den Rücken nehmen lassen, überlege ich's mir rasch und klammere ich mich nun auch an die starke Brust des Steuermanns. Er buckelt mich (am Ende keuchend) zum Boot, danach ist Karin dran. Sie bringt die Marktfrauen, die schon drin sitzen, mit einem Döschen Seifenblasen in Stimmung. Es wird palavert, gelacht und gepustet, Fotos werden geknipst, und als wir nach gut einer halben Stunde Fahrt das andere Ufer erreichen, sind es für den Steuermann und mich noch einmal ein paar Huckepack-Meter. Die Chapa nach Jofane, dem Abzweig nach Inhassoro, ist voll gestopft mit Leuten und die Rucksäcke liegen für einige Zeit wie dicke Wackersteine auf unserem Schoß. Während der Fahrt ein unerwarteter Regenguss, so heftig, dass man bloß noch ein paar Schritte weit sehen kann. Ebenso plötzlich hört er nach zwei, drei Minuten wieder auf und die Sonne strahlt wie zuvor. War die Stimmung im Bus bis jetzt eher schläfrig, wird nun gelacht und geredet, wir werden interviewt. Wie lange fliegt man von euch zu Hause hierher? Zwölf Stunden. Zwölf Stunden?! Viele Kommentare folgen. Baobabs bestimmen das Bild, die Autos beschreiben slalomartige Kurven um die nicht enden wollenden Schlaglöcher. Inhassoro erreichen wir schließlich noch vor Einbruch der Dunkelheit. Anlaufpunkt ist der Campingplatz des Hotels »Seta«. Obwohl in geringer Entfernung zum Strand ist er atmosphärisch und landschaftlich so ziemlich das Gegenteil zu Leonards Camp. Zwar ist alles vorhanden, was man braucht, ansonsten aber ist es ein schmuckloser Ort. Als wir endlich beginnen können unser Zelt aufzuschlagen, ist vom Tageslicht kaum noch ein Schimmer vorhanden. Karins Taschenlampe ist ebenfalls am Ende und so beginnt ein Blindekuh-Spiel mit Heringen und Zeltschnüren. Aber nicht lange, denn neben uns taucht plötzlich jemand auf, der eine gut funktionierende Lampe hat, und sie spendet ausreichend Licht. Tobias ist nicht einmal neunzehn, kommt aus Berlin und kampiert ein paar Meter weiter in einem wenig größeren Zelt als dem unsrigen mit seiner Mutter. Wir verabreden uns zu einem Bier im Restaurant des Hotels. Fisch braten sie dort auch und Karin, die zu ihrem großen Leidwesen noch keinen guten zu essen bekam, hat wieder Hoffnung. Tatsächlich ist er dann saftig, reichlich auch. Wir lernen Annegret und ihren Sohn jetzt näher kennen. Sie verbinden mit ihrer Mosambikreise ein besonderes Anliegen. In der Nähe von Vilanculos, südlich von Inhassoro, haben sie einige Tage in einem Dorf verbracht, wo Annegrets Patenkind, eine dreizehnjährige Kriegswaise, bei ihren Großeltern lebt. Annegret war schon einmal in Mosambik gewesen, alte Kontakte aus DDR-Tagen pflegend, das ist Jahre her, und damals ist sie auf das Mädchen aufmerksam geworden. Nun dieser zweite Besuch, bei dem sie und Tobias hautnah den Dorfalltag miterleben. "Hautnah" ist auch im wörtlichen Sinn zu verstehen, denn vor allem Annegret ist übersät mit den Stichen von Sandflöhen, sie haben sich bei ihr zu centgroßen und nur langsam heilenden Wunden entwickelt. Das von mir ins Spiel gebrachte Bilderbuchafrika à la Quissico stößt bei beiden auf wenig Resonanz, sie haben das ärmliche und beengende Leben der Dorfbewohner aus nächster Nähe kennen gelernt. Gleichwohl, sie bleiben unverdrossen an Land und Leuten interessiert, haben sich allerhand Worte in der Tswa-Sprache aufgeschrieben und wetteifern sogar ein wenig miteinander sie richtig wiederzugeben. Was Karin und ich oft nur oberflächlich streifen und dann nach kleinen Abenteuern abklopfen, hat bei Annegret und Tobias ein solideres Fundament, ist nachhaltiger. Inhassoro - das stellen wir auf einem Spaziergang am nächsten Tag fest - ist von geringem Interesse. Der Markt ist zwar um einiges größer als der in Quissico, aber außerhalb davon ist nicht mehr viel. Der Ort versucht sich offenbar durch seinen weißen Strand schadlos zu halten, aber so viele Touristen sind nicht da. Wenn man sich nur ein paar Minuten am Strand von unserem Hotel in irgendeine Richtung entfernt, trifft man allenfalls noch ein paar Fischer oder ist schon für sich allein. Wir haben an diesem Tag ein paar Sachen zu waschen, Karin setzt sich danach an den Strand und näht ihre gestern am Klappsitz einer klapprigen Chapa aufgerissenen Hose. Eine Frau gesellt sich zu ihr. Ich sehe aus der Ferne, dass sie sich lange miteinander unterhalten. Später kommen sie auf mich zu, Karin und Raïma und deren Freund, der jetzt auch mit dabei ist, João. Er ist ein einnehmender und unterhaltsamer Mann, hat Europa schon des Öfteren besucht, bekleidet ein Amt für die Regierung. Mit Raïma, einer reiferen Schönheit, ist er nicht verheiratet, vielleicht ist sie seine Sekretärin (Karins Mutmaßung). Am Abend laden sie uns an die Bar ein. João spricht ein selbst für mich gut verständliches Portugiesisch, ich wünschte nur, ich könnte ihm in dieser Sprache besser antworten, zumal er den Wunsch äußert sich mit mir über allerhand anregende Themen unterhalten zu wollen. Seine schwarze Hautfarbe deutet ganz und gar nicht darauf hin, dass er, wie er gerne betont, mit dem dänischen Königshaus verwandt ist. Raïma ist zum Teil indischer Abstammung, ihr Gesicht erinnert mich entfernt an das von Pelé. Wenn wir nach Beira kommen sollten, ihrem Wohnsitz, werden wir mit den beiden sicher noch einmal Kontakt aufnehmen.
Aufbruch: | Juli 2008 |
Dauer: | circa 9 Wochen |
Heimkehr: | September 2008 |
Mosambik
Malawi