Mosambik und Malawi

Reisezeit: Juli - September 2008  |  von Peter Kiefer

Edelsteine - Quelimane

Es ist nicht schwer ein Pickup zu finden, das uns bis zur Abzweigung nach Nampula bringt. Aber noch ehe wir diese erreichen, werden wir mitten auf der Strecke, man kann sagen, umgeladen auf ein anderes Pickup, das nun direkt zu dieser Stadt fährt, die wir schon das zweite Mal anfahren und die uns (als wir sie zuvor mit Simon passiert hatten) nicht eben sympathisch erschienen war. Wir steigen dort in eins der Stadttaxis um und gelangen zu einem Busbahnhof, von dem aus an diesem Tag noch ein einziger Bus nach Mólocué abgeht, eine Zwischenstation auf dem Weg zur Küstenstadt Quelimane.

Endlos einsame Sandstrände und der gelegentlich sogar raue Indische Ozean

Endlos einsame Sandstrände und der gelegentlich sogar raue Indische Ozean

Dem Chauffeur liegt an unserem Wohlergehen, er will uns gleich etwas zu trinken besorgen, fährt seinen Bus sogar eigens aus der frühen Nachmittagssonne in den Schatten. Aber das ist eher ein Ablenkungsmanöver, denn die Abfahrtszeit, die er uns verkündet hat, ist bald nur noch Schall und Rauch. Geduld ist die afrikanischste aller Tugenden und es kann uns deshalb bald schon egal sein, ob wir auch an diesem Tag erst wieder nach Sonnenuntergang ankommen werden. Zwei Motorräder werden zwischenzeitlich noch aufs Dach gehievt und als es schließlich losgeht, steht die Sonne bereits tief. Die Straße ist nagelneu, an den Rändern und dem Mittelstreifen ist sie mit Refektoren bestückt, so dass man nach Einbruch der Dunkelheit glaubt auf einer Landebahn unterwegs zu sein. In Mólucué angelangt, nennen wir dem Fahrer den Namen eines Hotels, er kennt diese Pensão, aber: Was wollt ihr dort? fragt er, er hat ganz andere Pläne mit uns. Alle, die noch im Bus sitzen, müssen erst mal warten, denn der Fahrer kümmert sich im Augenblick nur um uns. Er schleppt uns zu einem Restaurant: Hier müsst ihr was essen, nur hier, ja? Danach dann zu einem Hotel gleich nebenan. Es hat erstaunliche Ähnlichkeit mit dem in Cuambo, die Herzlichkeit des Nachtwächters, der uns in Empfang nimmt, inklusive. Der Unterschied zu Cuambo ist, dass diesmal die Matratze unter dem löchrigen Moskitonetz auf dem Zementboden liegt, was angesichts mancher Betten kein Nachteil zu sein braucht. In dem winzigen Zimmer gibt es sogar noch eine Art Nebenraum, kahl und unverputzt, der aber kein Klo ist (dazu fehlt ein Loch). Wozu ist er? Karin findet's heraus, sie entdeckt zwei Nägel in der Wand: Es ist der Schrank. Was nun die Toiletten betrifft, man erreicht sie auch mit geschlossenen Augen. Wir bedanken uns jedenfalls herzlich bei dem Busfahrer, der es wirklich gut mit uns meint (das Zimmer kostet auch bloß zwei Euro) und der uns dem lieben Nachtwächter vor dem Abschied noch einmal als seine Schutzbefohlenen ans Herz legt. Das Hier-müsst-ihr-essen-Restaurant ist gar nicht mal übel, ich esse ein Ziegencurry. Zum Ausklang dieses Tages noch ein Schlückchen Rotwein und der Besuch eines Mannes vor unserer Tür, der drei Tüten mit ungeschliffenen Edelsteinen vor uns ausbreitet, Turmaline und Aquamarine. Können wir für umgerechnet 500 Euro haben. Wollen wir aber nicht. Für die Weiterfahrt ist unmittelbar nach dem Morgenkaffee gesorgt. Denn da steht wieder ein großer Lkw und wieder werden wir rasch mit dem Fahrer einig, er wird uns bis Quelimane mitnehmen. Auch er ist freundlich bemüht, sorgt dafür, das wir uns unterwegs mit dem Nötigsten versorgen können und darüber ein Städtchen namens Mecuba kennen lernen. Zugleich beklagt er sich über die schlechten Straßen im Land, die schlechte Organisation, über die Polizisten sowieso. Wir erleben sie auf all unseren Lkw-Fahrten, es sind Wegelagerer in Uniform, die an fast jeder Straßensperre (davon gibt es etliche) den Fahrern Geld abpressen, zwanzig, fünfzig Meticais, manchmal auch mehr. Simon hatte erzählt, dass sie ihn sogar einmal unter einer falschen Anschuldigung für zwei Tage ins Gefängnis geworfen hatten. Gelegentlich kontrollieren sie auch unsere Ausweise (haben aber niemals Geld verlangt), und als mir das einmal zu viel wird, scheuche ich einen von ihnen aus der Fahrerkanzel eines Lkws. Er hat sich das immerhin gefallen lassen. Unser Ziel ist das »Hotel Rosy« in Quelimane. Allerdings ist es keine gelungene Nummer. Schon die Frau an der Rezeption ist träge und desinteressiert. Das geräumige und saubere Zimmer verfügt über ein Bett, das einer diffusen Vorstellung von besonderen Ansprüchen folgt und mit Plüschkissen voll gepackt ist, außerdem ein kleines Nachtschränkchen. Ansonsten ist da nicht einmal ein einziger kleiner Haken zum Wasdranaufhängen, kein Teppich auf den kalten Fliesen, nichts. Die Dusche ist kalt und verlangt ein besonderes Gespür, damit man ihr etwas Wasser entlocken kann, die Klospülung geht nicht, ist kaputt in alle Ewigkeit. Es ist eigentlich immer dasselbe: Kaum zahlt man etwas mehr, fängt man an auf Einzelheiten zu achten (zum Beispiel ob sie uns auch ein zweites Handtuch hinlegen, was dann erst auf Nachfrage geschieht), in den einfachen Unterkünften ist man dagegen für alles dankbar, eben weil man gar nichts erwartet. Unweit des »Rosy« ist die alte Moschee, die Lautsprecher auf dem Minarett sind neu und um fünf Uhr am Morgen wird uns die Stimme eines Muezzins mit falsch gesungenen Tönen aus dem Schlaf reißen. Aber jetzt Quelimane, eine, wie ich finde, angenehme, unaufdringliche Stadt. Das Meer ist zu dieser fortgeschrittenen Tageszeit zwar nur noch ein schwacher Glanz in einiger Entfernung, aber die Bars und Restaurants erwachen gerade zum Leben und sind, scheint mir, etwas zahlreicher als anderswo. Leider verirren wir uns in eins, das der Guide unter "local food" notiert (wir haben noch unsere Mama auf der Ilha de Moçambique im Kopf), das aber mit lauter überflüssigem Service-Getue aufwartet. Wir sind die einzigen Gäste, das Essen ist wenig "local". Als wir beim anschließenden Abendspaziergang an einem anderen Restaurant vorbeikommen, wo die Hühner draußen auf dem Grill liegen und muntere Unterhaltungen in Gang sind, würden wir uns gerne dazusetzen, aber da ist es für unseren Hunger leider zu spät, außerdem sind wir müde geworden. Von Quelimane, das wie die meisten Städte im Land ohne besondere Sehenswürdigkeiten ist und wenn, vielleicht einmal eine Kirche zu bieten hat aus dem frühen 20. Jahrhundert, von Quelimane also bleibt letztlich nur ein atmosphärischer Eindruck zurück, kein schlechter, aber auch kein nachhaltiger. Doch, die Frau, die an der Straßenecke vor unserem Hotel auf dem nackten Bürgersteig schläft, haftet mir im Gedächtnis. Natürlich ist sie keine Ausnahme, aber die Unmittelbarkeit des Anblicks bedrückt. Die Stadt ist die letzte Station hier im nördlichen Mosambik, nachdem wir Beira und ein mögliches Wiedersehen mit Raïma und João aus unserem Zeitplan gestrichen haben. Am Morgen regnet es kurz. Wir spekulieren darauf, dem Fahrer des Lkws vom gestrigen Tag wieder zu begegnen, er hatte eine ungefähre Zeit genannt, zu der er losfahren wollte, seine ist auch heute wieder unsere Richtung. Eine Weile stehen wir an der Straße und warten auf ihn, aber dann steigen wir in eine Chapa und fahren zur Fernstraße, die zunächst in westliche Richtung über den Sambesi führt und anschließend einen Knick nach Süden macht, wo sich der Kreis dann für uns schließen wird. In Inchope hatten wir uns von Annegret und Tobias verabschiedet, um nach Tete weiterzufahren, nun werden wir aus der anderen Richtung kommen und den endgültigen Rückweg nach Maputo antreten. Wo wir jetzt an der Überlandstraße vor Quelimane abgesetzt werden, herrscht Trubel und Durcheinander, zum Weiterfahren bietet sich zunächst nichts an, kein Kleinbus, kein Lkw. Aber das Tramperglück verlässt uns nicht. Ein junger Mann - Mechaniker ist er von Beruf - in einem mit einem sperrigen Bettgestell beladenen Kombiwagen hält an und räumt einen Sitz in der hinteren Reihe für mich frei. Bei Caia überqueren wir mit ihm den Sambesi. Eine große Brücke wird da gebaut. Noch aber steht nicht viel davon da und das dürfte sich so rasch auch nicht ändern, denn die Arbeiter, die dort gerade an einem Brückenpfeiler werkeln, kann man an einer Hand abzählen. Bis es irgendwann einmal soweit ist, besteigt man eine kleine Fähre. Gibt es hier am Ufer Krokodile? frage ich unseren Fahrer. Jede Menge, sagt er und ich sehe schon wieder keines. In Inchope angelangt, wandern wir über einen Markt. Eine Menge Tücher werden angeboten, doch für Karin ist kein passendes dabei. An der Straße in einem kleinen Restaurant essen wir Ziegenfleisch mit Massa, es schmeckt gut und es gibt sogar einen Nachschlag, noch mal ein ganzes Schüsselchen Fleisch. Die Leute um uns herum sind neugierig, fragen, erzählen, lachen, eine Frau mit einem etwas verwackelten Gesicht, wohl eine Verwandte der jungen Köchin, bettelt mich zum Schluss um zwanzig Meticais für eine Flasche mosambikanischen Rotwein an. Kriegt sie dann klammheimlich beim Händeschütteln zum Abschied. Das Hotel, in dem wir hausen, wird von einem weißen Südafrikaner betrieben, es fällt tendenziell unter die Rubrik "Loch", ist aber mangels Alternativen nicht zu ändern. Gewohnheit macht stark.

© Peter Kiefer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach sieben langen Jahren haben wir endlich wieder eine große Reise gemacht, haben wieder einmal das Gefühl genossen on the road zu sein und hatten eine Vielzahl anregender Begegnungen. Vor allem Mosambik hat uns bestätigt, dass Afrika wohl der freundlichste Kontinent auf dem Globus ist.
Details:
Aufbruch: Juli 2008
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Südafrika
Mosambik
Malawi
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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