Mit 5th Wheel durch Jordanien und Syrien

Reisezeit: Februar - April 2011  |  von Christoph Lehner

Mukawir und hoch über dem Toten Meer

Es war keine lange Etappe heute, aber sie dauerte lange. Grob gerechnet hat man mir heute 60 mal "You`re welcome to Jordan!" gewünscht. Wenn es mir jede Person (Bäcker, vor der Bäckerei Herumstehende, Hirten, Humus-Verkäufer, Polizisten, Gemüsehändler, Kaffee-Verkäufer, Da-Ste- hende und Dazu-Tretende...) durchschnittlich dreimal gesagt hat, = 60. Dazu kommen noch die Einladungen zum Essen. "Come my home, eat menseh!"
Zuerst fuhr ich nach Madaba, um mein Visum verlängern zu lassen. Eine lebendige und historische Stadt mit berühmten Mosaiken. Beim Eingangstor zum Polizeihauptquartier wiesen mich zwei Polizisten, die gerade damit beschäftigt waren, einen Pickel auf der Backe des einen liebevoll zu examinieren, ins zuständige Büro. Es gibt aber kein zuständiges Büro. Es gibt einfach Büros, in die man gewiesen oder weitergewiesen wird. Am besten gefiel mir das mit den fünf schönen, geschminkten Frauen mit Kopftuch-light-Version. Eine hatte ein sexy smiling drauf. "Come, eat menseh in my rolling home!" Aber der Chef kam mir zuvor und eröffnete mir das vorgesehene Prozedere. Ich müsse ein Health-paper bringen, dann laufe die Sache. Dafür müsse ich ins Hospital für eine Blutprobe. Die Schönen nickten dazu. Man bestand darauf. Meine Wahl: Entweder mitmachen und sicher etwas Lustiges erleben dabei - oder weiter eine europäische Lösung anstreben. Ich tat das Dritte: Ich legte meinen linken Arm auf den Schreibtisch und brachte mit dem Swiss Army knife einen gezielten Schnitt an. Blut floss auf den darunter liegenden Schweizer Pass, so dass er sich rot zu färben begann. Jetzt kam das Madaba-Police-team mit einer neuen Lösung des Problems: "You pay for one day more 1 JD 500 at border." Hiesse: Beim Verlassen des Landes für jeden überzogenen Tag zwei Franken bezahlen. Gut, dass ich das mit dem Sackmesser nicht gemacht hatte. Und die Wette gilt!

Die Fahrt nach Mukawir führte bei untergehender Sonne durch biblisches Gebiet. Hügel und Weite sich abwechselnd, grüne Felder, kahle Äcker, Olivenbäume, Zypressen, Steine, Steinmäuerchen, einzelne Häuser, Schafherden, Esel, Hunde, im Hintergrund blasse Berge und zwischendurch ein Blick aufs Tote Meer. Pünktlich zur Abenddämmerung stand ich auf einem Parkplatz mit herrlicher Aussicht. Und was geschah nach zehn Minuten? Besuch! Mann mit Laute. "My nama is Hassan. I am a musician. I am a music star!" Das einzige, wie sich herausstellte, das er auf Englisch sagen konnte. Sein Instrument hatte acht Saiten und heisse "Uut". Er begann zu zupfen und zu jammern vom Schönsten. Mit dem Andeuten von Brüsten, Zeigen auf den Bauch, dem Zeichen für Schlafen, Schaufelbewegungen und dem Zeigen nach oben, zu IHM, erklärte er mir, dass seine Frau bei der Geburt des soundsovielten Kindes gestorben sei. Er sass fröhlich auf meinem kleinen Sofa und spielte und sang. Wozu auch immer - ich hatte eine CD mit Schweizer Volksmusik dabei und erinnerte mich an kulturübergreifende Projekte der Weltmusik. Tatsächlich, er begleitete den "Schacher Seppli"! "...bi zfriede wen i znacht im Stroh all Tag mis Schnäpsli ha..." Es rührte mich. Und es rührte sicher auch allih dort oben.
Da an dieser exponierten Stelle ein starker Wind wehte, wollte ich am nächsten Tag weiter, hinunter, dem Toten Meer entgegen.

"I bi der Schacher Seppeli"

"I bi der Schacher Seppeli"

Eine auf der Karte nur noch als gestrichelte Linie eingezeichnete Strasse müsste steil zum Toten Meer hinunterführen. "Yes, street", bekam ich zur Auskunft. Aber nicht mit meinem Fahrzeug, meinte man. "Schauen mer mal", meinte ich. Und sie war wirklich steil. Untersetzung, 1. Gang. Dann wurde sie dazu noch sehr schmal mit engen Kehren. "Yes, street!", rief ich mir zu und genoss im Schritttempo die eindrückliche Berg- und Gerölllandschaft. Als ein Stück weiter unten die grünen Felder um das Tote Meer sichtbar wurden, manövrierte ich das rolling sweet home auf einen kleinen Vorsprung. "Che bella vista. Hier tut`s mir gfallah!" "You`re welcome!", tönte es von oben zurück.
Heute Morgen, bei Sonnenaufgang, unglaublich, der Blick hinab auf die Farben der Felder und des Wassers.
Natürlich bekam ich gestern spät Abends noch Besuch. Hier, wo tagsüber nur jede Stunde mal ein Toyota durchfährt. Zu dritt waren sie. Einer in schöner Polizeiuniform, einer ein Pullover-Ziviler und einer ein Vierfrucht-Mlitär-Overallah. Lustig, ich kriege kein mulmiges Gefühl mitten in der Nacht in the middle of nowhere. Ich weiss, es gibt eine Gaudi. Nun, sie mögen alle meinen Espresso, nur haben sie dabei einen hohen Zuckerverschleiss. Tipp an die Hausfrau: Tasse nach Verlassen des Besuches sofort spülen, sonst setzen sich die Zuckerreste auf dem Tassenboden fest.
Am nächsten Morgen musste ich (als Diabetiker) auf Zuckersuche gehen. Man will ja im 24-Stunden-Betrieb bereit sein für Besuche. Zugleich konnte ich mir schon mal den Rest der Strasse ansehen bis ganz hinunter zu den farbig leuchtenden Feldern des Toten Meeres. (Sie hat`s in sich: Es gibt zwei sehr enge Kurven - zu eng für den road train?)
Tatsächlich würde ich auch heute Besuch kriegen. Sogar telefonisch angemeldeten. Ahmed, der pensionierte flight engeneer, den ich im Tannur Canyon kennengelernt hatte, wollte eine Aufwartung machen. Er war dann vollig hingerissen von meinem Hochsitz. "Take camera, make photo of me!"

Waiting for guests

Waiting for guests

Lebendiges Totes Meer

Lebendiges Totes Meer

"Make photo of me!"

"Make photo of me!"

© Christoph Lehner, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Monate in Jordanien und Syrien
Details:
Aufbruch: 07.02.2011
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 12.04.2011
Reiseziele: Jordanien
Syrien
Der Autor
 
Christoph Lehner berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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