USA 2012 - 2. Teil Nebraska ...

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Uschi Agboka

Spearfish

30. Tag - Sturgis /Deadwood /Spearfish Canyon/ Savoy / Black Hills

Donnerstag, 5. Juli 2012 30. Tag
Spearfisch, South Dakota Bell's Motor Lodge
Spearfish / Sturgis / Deadwood / Spearfish Canyon / Savoy / Black Hills / Spearfish
Gefahrene Meilen: 72 (116 km)

Wir sind nun an das frühe Aufstehen um 6 Uhr gewöhnt, so dass wir auch heute um 8 Uhr losfahren, nach einem gemütlichen Frühstück. Die Temperatur ist angenehm, 20 Grad. Zunächst geht es nach Sturgis, zum Harley-Dealer. Rolf findet kein Shirt, die Größe XXXX Large ist zu groß! Ich werde aber fündig und kaufe mir eine neue Geldbörse. Außerdem erstehe ich einen schönen Schlüsselanhänger für die Tochter unserer Freundin Sandra, die unser Haus hütet. Anschließend machen wir einen Bummel durch den kleinen Ort, der dabei ist, sich auf die diesjährige Bike-Week vom 4. bis 9. August vorzubereiten. In einem der vielen kleinen Lädchen finden wir dann doch noch Einiges: 1 kurzärmeliges und 1 langärmeliges Shirt für Rolf und ich erstehe noch 4 Sticker für meinen alten Audi - alle Macken sind dort beklebt!

Sturgis - South Dakota ist ein sehr ländlicher Bundestaat. Die größte Stadt im Umkreis von vielen Meilen heißt Rapid City und hat ca. 60.000 Einwohner. Noch viel kleiner ist Sturgis mit nur ca. 6.000 Einwohnern. Zur Motorcycle Rallye jedes Jahr im August verwandelt sich das Nest in eine dröhnende Großstadt. Es versammeln sich Altrocker, Heißsporne, Muskulöse, Gepiercte, Tätowierte, Dicke, viele normale Bürger, die in die Easy-Rider-Rolle schlüpfen, in abenteuerliche Bikerkluft gehüllte Senioren, für die man im Zivilleben sofort den Sitzplatz im Bus freimachen würde, Typen, bei denen man unsicher ist, ob es hinter der Fassade des Gesetzlosen friedlich zugeht oder nicht. Alle kommen mit ihren schweren Maschinen, mehr als 600.000! Und allen Unkenrufen zum Trotz, der Ort hat es bisher immer überlebt. Ein Jahr hat er Zeit, sich zu erholen, um für die nächste Rallye gerüstet zu sein. Mehr als 80 % der Motorräder sind Harleys, andere Fabrikate werden geduldet. Die guten alten Zeiten, in denen man Hondas oder Suzukis in den Bäumen aufhängte oder verbrannte, sind vorbei. Erdbebenartig vibriert ganz South Dakota wegen der Harleys, mit Sturgis als Zentrum. Zwar werden nach wie vor Touren organisiert, aber bei dem berühmtesten Motorradfahrer-treffen der Welt geht es in erste Linie um die Zurschaustellung von Mensch und Maschine. Die Sturgis-Rallye ist Verkehrschaos mit Ansage, Karneval auf zwei Rädern, ein Kostümfest, für das sich die einen verkleiden und die anderen nicht, weil sie immer so herum laufen. Für die Einheimischen ist das Ganze eine grässliche Plage und ein angenehmer Dollarregen. Jede Matratze, jeder Zeltplatz wird gebraucht. Alle versuchen, was abzubekommen, und sei es durchs Vermieten von Vorgarten und WC. Viele Besucher sind Leute mittleren Alters mit gut dotierten Stellen und Motorrädern im Wert von 30.000 Dollar, bereit, die Kreditkarte zu strapazieren. Für die Wirtschaft der Region hat die Rallye eine enorme Bedeutung. Der Polizeichef von Sturgis weiß das. Für ihn persönlich ist das Treffen ein jedes Jahr wiederkehrendes "Desaster". Zur Sturgis Rallye wird aus der kleinen 15-Mann-Wache ein Großstadtrevier mit vielen hundert Uniformierten. Die Justiz von Meade County und der Nachbarkreise Lawrence und Butte erledigt annähernd ein Drittel ihres Jahrespensums innerhalb von wenigen Tagen, fährt Sonderschichten zur Füllung der Zellen der Umgebung. Die South Dakota Highway Patrol liefert die Insassen. Wer mit Alkohol oder Dorgen am Lenker erwischt wird, findet sich hinter Gittern wieder. Es gibt Kneipenschlägereien, Geschwindigkeitsüberschreitungen, Falschparker. Die Allgegenwart der Polizei ist so überwältigend, dass vielleicht nirgendwo auf der Welt so diszipliniert gefahren wird wie in Sturgis Anfang August. Groteske Szenen spielen sich ab, wenn Biker im Outlaw-Outfit an Rechts-vor-links-Kreuzungen unter den Augen des Gesetzes vor lauter Höflichkeit nicht vorankommen, penibel darauf achten, beim Abbiegen den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, auf der Stelle stoppen, sobald ein Fußgänger auch nur den Eindruck erweckt, er könne in nächster Zeit mit dem Gedanken spielen, die Straße zu überqueren. Niemand schlängelt sich im Stau nach vorne. Niemand! Doch jeder nutzt es aus, dass South Dakota zu den Bundesstaaten ohne Helmpflicht für Erwachsene über 18 gehört und dass die USA in Sachen Auspuff-Frisieren das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein scheint. Zumindest an diesem Ort Anfang August. Der Lärm ist hemmungslos, aber die humorlosen Hundertschaften der Polizei, die sonst jeden aus dem Strom der Massen herausfischen, der im falschen Moment zu niesen wagt, interessiert das nicht. Verblüffend, wie so vieles in Sturgis.

Gegen 11 Uhr fahren wir nach Deadwood. Das Parken kostet hier 0,50 $/Stunde, viel günstiger als bei uns. Wir machen einen Rundgang durch das historische Städtchen mit vielen schönen alten Gebäuden. Deadwood, gegründet 1876, entstand aus einem Zeltlager von Goldgräbern, die während des Goldrausches in die Black Hills kamen. 1879 brannte fast die ganze Stadt ab, Bilder informieren darüber. Doch die Bürger bauten schnell alles wieder auf.

Bekannte Bürger der Stadt waren der Revolverheld Wild Bill Hickok und die Western-Heldin Calamity Jane. Eine Zeit lang hielten sich auch die beiden berüchtigten Revolverhelden Doc Holliday und Wyatt Earp in Deadwood auf. Seit dem 1. November 1989 ist in Deadwood offiziell das Glücksspiel genehmigt, so findet man heute in dem 1.300 Einwohner zählenden Ort sehr viele Casinos. Doch die Touristen kommen auch wegen der vielen historischen Stätten in den nahe gelegenen Black Hills.

Wild Bill Hickok führte ein wildes Leben. Er war Sheriff, Soldat, Spieler. In Deadwood wurde er am 2. August 1876 von Jack McCall im Saloon No. 10 ermordet. Er starb mit einer Dame, zwei Assen (oder zwei Buben) und zwei Achten in der Hand, ein Blatt, das seither "Dead Man's Hand" genannt wird. McCall wurde für diesen Mord hingerichtet. Die Legende besagt, dass Bill Hickok als er erschossen wurde, entgegen seiner normalen Vorgehensweise nicht mit dem Rücken zur Wand saß, was ihm zum Verhängnis wurde. Bill Hickok liegt auf dem Mount Moriah Friedhof in Deadwood begraben.

Calamity Jane war das älteste von sechs Kindern einer Predigerfamilie. Als die Eltern starben, versuchte sie, die Geschwister über Wasser zu halten. In Männerkleidern reiste sie durch die westlichen US-Staaten und ging Gelegenheitsjobs nach. Sie war u. a. Postkutschenfahrerin, Saloondame, Krankenschwester, Goldgräberin und Scout für General Custers Truppen. Sie schaffte es, sich unter den Männern des wilden Westens Respekt zu verschaffen. Sie rauchte, trank, kaute Tabak, fluchte. Bald wurde sie zur Legende. Bis heute ist unklar, ob alle Geschichten über sie wahr sind. Man weiß bis heute nicht, ob es stimmt, dass sie mit Bill Hickok verheiratet war und mit ihm eine Tochter hatte. In ihrer Autobiografie baute Calamity Jane eine Art Liebeskult um ihn auf. Eine zeitlang trat sie in Buffalo Bills Wildwest-Show auf, sie war Reiterin und Kunstschützin. 1900 nahm sie an der Pan American Exposition teil. Zu dieser Zeit war sie bereits depressiv und Alkoholikerin. Im Alter von 51 Jahren starb sie vereinsamt und krank. Sie wurde auf dem Mount Moriah Friedhof neben Bill Hickok beerdigt.

Nach 12 Uhr verlassen wir den Ort, der allerlei Kurioses zu bieten hat, über HW 14 Richtung Spearfish Canyon. Die Fahrt durch den malerischen Spearfish Canyon, an hohen Felsen entlang, ist immer wieder ein Traum. Der Spearfish Canyon ist eine tiefe, aber sehr enge Schlucht, geschaffen vom Spearfish Creek, am nördlichen Rand des Black Hills National Forest. Halt ist natürlich wie immer an der wunderschönen Spearfish Lodge in Savoy, deren Zimmer zwar für uns zu teuer sind (275 Dollar), aber hier gibt es - kostenlos - sehr guten Kaffee bzw. alkoholfreies Bier und Weißwein zu günstigen Preisen. Wir sitzen auf der Veranda der Lodge und genießen die schöne Aussicht.

Die Black Hills (Schwarze Berg - "Paha Sapa" in Lakota) sind eine Bergkette im westlichen Gebiet von South Dakota, die bis ins nordöstliche Wyoming hineinreicht. Die Kette ist 160 km lang und bis zu 96 km breit. Sie bildet die Fortsetzung des von den Rocky Mountains ausgehenden Bighorn- und Snow-Gebirges. Der höchste Punkt ist der Harney Peak mit 2.350 m. Im 19. Jahrhundert wurden beträchtliche Goldvorkommen entdeckt, auch Blei, Kohle, Eisen, Salz, Erdöl und Uran kommen in diesen Gebieten vor. Die Black Hills gelten den Lakota-Sioux als Heilige Berge. In ihnen spielen viele ihrer Mythen. Spirituelle Orte in den Bergen werden bis heute für religiöse Handlungen aufgesucht. Im Vertrag von Fort Laramie, den die US-Regierung im Jahre 1868 mit den Lakota-, Cheyenne- und Arapaho-Indianern abschloss, wurde den drei Völkern das Sioux-Reservat zugesprochen und die Black Hills den Lakota als exklusives Jagdgebiet zugesichert. Eine illegale Expedition unter Custer erkundete 1874 die Black Hills und fand Gold. Nach den Goldfunden versuchte die Regierung die Lakota zu einer Abtretung der Bergkette zu bewegen, allerdings ohne Erfolg. Goldsucher drangen rechtswidrig in das Gebiet ein, es entwickelte sich ein Goldrausch. Nach der Niederlage der Indianer wurde 1877 das große Sioux-Reservat zerschlagen und den Lakota die Black Hills entzogen. Ein Prozess der Lakota aus dem Jahr 1921 dauerte bis 1980, als der Supreme Court die Maßnahme als Enteignung einstufte und den Lakota 105 Millionen Dollar als Entschädigung zusprach. Obwohl das Lakota-Reservat zu den ärmsten Regionen der USA gehört, nahm die Vertretung des Volkes die Zahlung nicht an, sondern verlangt bis heute die Rückgabe der Berge. Die Gelder waren bis 2007 durch Zinsen auf über $ 750 Millionen angewachsen.

Bekannte Attraktion in den Black Hills sind die vier Präsidentenköpfe, die im Mount Rushmore National Memorial eingemeißelt wurden. Ein ähnliches Projekt, das Crazy Horse Memorial, ist noch in Arbeit. Beide Projekte zogen den Zorn der Lakota auf sich, entweihen sie doch die ihnen heiligen Black Hills. In den Black Hills liegen weiterhin der Wind-Cave-National Park. Das Monolith Devils Tower National Monument liegt im Nordwesten des Gebirges.

Das Wetter ist ziemlich dämpfig, für heute Nachmittag ist Gewitter angesagt. So machen wir uns auf den Weg, zurück zum Hotel. In der Ferne sehen wir es schon blitzen und donnern. Gegen 14 Uhr sind wir im Hotel, heute waren es nur 116 km. Rolf war - wie immer - mit seiner dicken Lederjacke, Lederhose und schweren Stiefeln unterwegs. Ich bin heute ausnahmsweise nicht mit Lederhose und Lederjacke gefahren, sondern nur mit Jeans und Shirt. Es war soo schwül, nicht weit und Rolf fährt eh immer sehr vorsichtig. Wir haben ein langes Gespräch mit Scott, dem Besitzer des Hotels. Auf unser Anraten vor Jahren hat er nicht nur den Picknick-Tisch angeschafft, sondern auch eine Schaukel und Klettergerüst für Kinder in dem schönen Garten untergebracht. Und er bestätigt unser Empfinden, die Geschäfte laufen besser seit 2010. Uns freut das sehr für ihn. Julie, seine Helferin, auf die er sich verlassen kann, ist sehr freundlich und zuvorkommend. Uns fällt das besonders auf, weil wir viele unfreundliche Menschen in verschiedenen Hotels erlebt haben. Die Leute werden oft schlecht behandelt, schlecht bezahlt und sind deshalb gefrustet, was wir gut verstehen können. Wir schaffen es noch, draußen zu essen, ehe es anfängt zu gewittern.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisetagebuch über die Motorradtour durch 11 Staaten des Süd- und Nordwestens der USA vom 6. Juni bis 9. Juli 2012 - zurückgelegte Meilen 7.930 (12.767 km) – Text: Uschi Agboka Fotos: Rolf Kummer – www.harley-rolf.de
Details:
Aufbruch: 23.06.2012
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 09.07.2012
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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