USA 2012 - 2. Teil Nebraska ...

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Uschi Agboka

Von Malta nach Fort Benton

24. Tag - Chinook/Bear Paw Battlefield Nez Perce NHP/Blaine County Museum

Freitag, 29. Juni 2012 24. Tag Fort Benton, Montana Pioner Lodge Motel
Malta / Chinook / Bear Paw Battlefield Nez Perce National Historical Park / Blaine County Museum / Museum of Upper Missouri / Fort Benton
Gefahrene Meilen: 204 (329 km)

Wecker wie immer um 6 Uhr. Nun brauchen wir nicht mehr zu zittern, Deutschland ist nicht im Endspiel der Fußball-Europameisterschaft, sondern Italien und Spanien. Gestern Abend hatte Rolf noch ein längeres Gespräch mit einem Biker aus Connecticut, der seit April auf Tour ist und Rolf einige Tipps gab. Im Gegenzug bekam er einige Empfehlungen von uns, da er in die Richtung fährt, aus der wir kamen. Rolf hat im Übrigen mal wieder umgeplant, wir fahren heute nach Great Falls, Montana. Da wir im Hotel kein Frühstück bekommen, machen wir nur den Tee für unterwegs und 2 Tassen Kaffee für Rolf zum Brottunken. Das erinnert mich immer an meine Oma.
Gegen 7.30 Uhr starten wir, es geht weiter auf HW 2 West. Nur Prairie, hin und wieder mal ein Rind oder Pferde, sonst nur Wildnis. Es ist ein herrlicher Morgen, frische klare Luft, 20 Grad, fast schon kühl. In Dodson fotografiert Rolf eine "Geisterbar". Wir durchqueren die Fort Belknap Indian Reservation, die viertgrößte Reservation in Montana, Homeland der Gros Ventre und Assiniboine Stämme. Wir kommen durch Harlem und machen Pause in Chinook, Blaine County. Inzwischen begleiten uns die Bear Paw Mountains am Horizont des Highways. Eine kleine Katze mit rötlichem Fell sitzt auf einem Zaun und sonnt sich. Wir folgen dem Nez Perce Trail. Von Chinook aus besuchen wir den Bear Paw Battlefield Nez Perce National Historical Park, der ca. 20 Meilen (32 km) südlich der Stadt liegt.

Der "Battle of the Bears Paw" war die letzte Schlacht des Nez Perce Krieges. Einige der Nez Perce konnten entkommen, aber Chief Joseph sah sich gezwungen, sich mit der Mehrheit seiner Anhänger vor General Oliver O. Howard und Colonel Nelson A. Miles zu ergeben. Das Schlacht-feld ist Teil des Nez Perce National Historic Trail. Am 29. September 1877 lagerten hier ca. 700 Nez Perce, um sich auszuruhen, Büffel zu jagen, bevor sie weiter ziehen wollten nach Kanada, zu Sitting Bull. Am 30. September 1877 entdeckte Colonel Miles das Camp. Man umzingelte die Indianer und stahl ihre Pferde. Während des Kampfes, der 6 Tage dauerte, starben viele Indianer und Soldaten. Am Nachmittag des 5. Oktober ergab sich Chief Joseph, um das Leid seines Volkes zu beenden. Chief Joseph war ein militärisches Genie, mutig und doch menschlich.

Er sprach die berühmten Worte: "From where the sun now stands, I will fight no more forever."
Und er hielt sein Wort, im Gegensatz zu den Militärs, die ihre gegebenen Versprechen brachen, die mehr als 1.500 Pferde nicht zurückgaben und das Eigentum der Nez Perce verbrannten.

Am Bear Paw Battlefield endete die 1.170 Meilen (1.884 km) lange Reise der Nez Perce - Nee-Me-Poo - die in Joseph, Oregon, begann, mit vielen Toten auf beiden Seiten. Kanada war nur noch 40 Meilen (65 km) entfernt, die Berge schon sichtbar. Nur die White Bird Band, ca. 150 Personen, floh nach Kanada und lebte dort mit Sitting Bull's Stamm der Lakotas in Fort Walsh. Die Nez Perce, die sich mit Chief Joseph ergeben hatten, wurden ins Exil verfrachtet, erst nach Kansas, später nach Oklahoma. Heute jedoch sind viele der Nez Perce Indianer in ihre alte Heimat zurückgekehrt und so lebt ihre Kultur fort. Das haben sie ihrem Führer, Chief Joseph, zu verdanken.

Uns beeindruckt dieser Ort sehr, Info-Tafeln und Broschüren erzählen die Geschichte der Nez Perce, die mich schon seit Jahren fasziniert.

" You white people measure the Earth, and divide it.
The Earth is part of my body; and I never give up the Earth. I belong to the land out of which I came.
The Earth is my mother!" Chief Tulhuulhulsuit, Fort Lapwai, 1877

"We do not wish to interfere with your religion, but you must talk about practical things. Twenty times over you have repeated the Earth is your mother; and that chieftenship is from the Earth. Let uns hear it no more, but come to business at once." General Oliver O. Howard, Fort Lapwai, 1877

Aus diesen Worten ist die ganze Arroganz der Militärs ersichtlich. Eine Rangerin, die vor Ort ist, erzählt interessante Dinge über das veränderte Leben in dieser Gegend Montanas. Sie berichtet von der steigenden Kriminalität durch die Öl-Arbeiter. 6 von ihnen ermordeten eine junge Lehrerin, nachdem sie sie beim Joggen überfallen und missbraucht hatten. Sie verbuddelten die Leiche unter einem Baum. Die Männer, betrunken, wurden gefasst und verurteilt, doch die Leiche der jungen Mutter wurde bis heute nicht gefunden. Die Rangerin meint, dass der Staat mehr gefordert sei, denn die Öl-Industrie setze sich über Recht und Gesetz hinweg, das führe dazu, dass jeder nun glaube, das Gesetz in die eigenen Hände nehmen zu können - der wilde Westen sei im wahrsten Sinne des Worte wieder vor Ort. Das sind beunruhigende Informationen.

Rolf wird auf dem Rundgang auf dem Schlachtfeld erneut von einer Biene gestochen, in diesem Jahr haben es diese Viecher auf ihn abgesehen. Wir verlassen den nachdenklich machenden Ort und fahren zurück nach Chinook, wo wir das Blaine County Museum besuchen. Dort sehen wir einen herzergreifenden Film "Forty Miles from Freedom" über den letzten Kampf der Nez Perce am Bear Paw Battlefield. In dem Film setzt man sich kritisch mit dem begangenen Unrecht auseinander. Außerdem wird im Museum die prähistorische Geschichte dargestellt, das Leben der Native American Kultur, die Pioniertage der Cowboy-Ära, die harten Tage der ersten Siedler und das Leben durch die beiden Weltkriege. Historische Orte wurden nachgebildet, wie eine Kirche, ein Schulraum, eine Zahnarzt-Praxis - da wird einem Angst - und eine Arzt-Praxis. Der Besuch dieses faszinierenden Ortes lohnt sich. Wir haben während der Mittagspause Picknick im nahegelegenen schönen Park gemacht und uns danach viel Zeit für das Museum genommen.

Mich interessiert besonders die Geschichte der "White Buffalo Woman", eine mythische Figur der Lakota und Dakota. Sie ist eine Kulturbringerin und wird verehrt als Tochter des Wi und Gattin des Südwindes. Die Geschichte erzählt, dass zwei Brüder, die am Devils Tower auf der Jagd waren, eine schöne Frau sahen, die auf sie zukam. Der eine der Brüder wollte sie haben und wurde darum von ihr umgebracht. Den anderen wies sie an, ihr Kommen am nächsten Tag im Lager anzukündigen und den Stamm vorzubereiten. White Buffalo Woman kam ins Lager und brachte ihnen die rote Zeremonienpfeife mit den Worten: "Seht diese Pfeife. Vergesst nie, wie heilig sie ist und behandelt sie gut, denn sie führt Euch zum Ende. Denkt daran, in mir sind vier Zeitalter. Ich gehe von Euch, aber ich schaue auf Euch zurück und am Ende kehre ich wieder." Seit damals wird die Heilige Pfeife vom Hüter der Zeremonienpfeifen aufbewahrt. White Buffalo Woman lehrte die Menschen auch die 7 Riten:
Die Schwitzhütte, die Olowanpi-Gesänge, die Visionssuche, der Sonnentanz, das Seelenhüten, die Verschwägerung, das Ballspiel.
Beim Verlassen des Dorfes verwandelte sich White Buffalo Woman in ein weißes Büffelkalb.

Der Tradition entsprechend symbolisiert die Pfeife den Menschen, der auf der Achse der Welt steht. Der Pfeifenkopf steht für Mutter Erde, der Pfeifenstiel für das menschliche Ich und den Evolutionsweg des Menschen. Er wird meist aus Catlinit geschnitten, Tonstein aus den heiligen Steinbrüchen im heutigen Minnesota, nahe der Grenze zu South Dakota. Pipestone National Monument bewahrt die Steinbrüche des "Heiligen Tonsteins", aus dem die Prairie-Indianer die Köpfe ihrer Caluments bis heute schneiden. Das Pfeifenrohr wird aus dem Holz der Weißesche hergestellt, die das gesamte Pflanzenreich vertritt. In der Vereinigung dieser Kräfte steigt mit dem Rauch, der Seele, das Gebet der Menschen auf zum Großen Geist. Die Pfeife ist die Nabelschnur, die den Menschen mit dem Universum verbindet. Während des Stopfens der Pfeife werden Süssgras und Salbei verbrannt. Der Rauch soll positive und negative Energien anziehen und böse Geister verjagen. Die Heilige Pfeife wird von Norden nach Süden und von Osten nach Westen durch den Rauch gezogen und im Uhrzeigersinn in alle sechs Himmelsrichtungen Westen, Norden, Osten, Süden, oben/Himmel und unten/Erde) gehalten. Dann wird sie angezündet und es werden vier Züge für die Großväter der vier Himmelsrichtungen geraucht. Anschließend wird sie, wieder im Uhrzeigersinn, durch den Kreis der Versammelten gereicht.

Die 7 Riten geben den Lakota im Familiären, im Sozialen und in der Gemeinschaft Halt. In ihrem Überlebenskampf schöpfen sie bis heute Kraft aus dem geistigen Wissen der Väter. Die Lakota sehen sich als Teil der Natur, die durch Wakan-Tanka geschaffen wurde.

Wi ist ein Geistwesen und repräsentiert die Sonne. Er gilt als allwissend und als Verteidiger der Tapferkeit und Treue. Der Bison steht ihm als Tier besonders nah und wird deshalb als Erscheinungsform des Gottes betrachtet.
Die Tochter des Wi, die schöne Whope - White Buffalo Wo-man - brachte den Sioux die Friedenspfeife. Diese Pfeife soll als Mittler zwischen den Menschen und Wakan Tanka dienen.
Wakan bedeutet in der Sioux-Sprache heilig, unbegreiflich oder geheimnisvoll. Nach Meinung der Sioux hat jedes Ding auf der Welt seinen Wakan, der ungeboren ist und nicht stirbt. Wakan Tanka ist das Große Geheimnis, dem alle Geistwesen unterstehen - nicht der Große Geist, wie von den Weißen interpretiert!

Nach 14 Uhr verlassen wir das Museum, welches uns sehr beeindruckt hat. Nach Havre biegen wir ab auf den HW 87 South. Wieder endlose Felder, Weiden, menschenleer. Ab Big Sandy durch ein Tal, flankiert von grünen Hügeln. Es ist wieder sehr heiß geworden. Bald erreichen wir Fort Benton.

Fort Benton, eine kleine Stadt (ca. 1500 Einwohner) in Montana. 1961 wurde ein Teil des Ortes als National Historic Landmark ausgewiesen. Der Ort, benannt nach Senator Thomas Hart Benton aus Missouri, war einstmals ein bedeutender Hafen am Oberlauf des Missouri River, der Kaufleute und Siedler bediente. Fort Benton, 1847 gegründet von Auguste Chouteau und Pierre Chouteau, als Pelzhandelsposten (Blackfoot Trading Post) auf dem Upper Missouri River. Fort Benton ist somit eine der ältesten Siedlungen im Westen der USA und die älteste kontinuierlich besiedelte Stadt in Montana. Der Ort wurde zum wichtigsten Handelszentrum im Nordwesten. Auf ihrem Weg zum Pazifik wurde der Missouri River von Lewis & Clark als ihre Route zu den Rocky Mountains genutzt. Der Hafen war Endstation der Dampfschiffe, die Güter aller Art, Kaufleute, Goldgräber und Siedler transportieren. Die Dampfschiffe konnten den Missouri nicht weiter befahren, da sich einige Meilen oberhalb die Great Falls befanden. Mit dem Niedergang des Pelzhandels verkaufte die American Fur Company das Fort im Jahr 1865 an die US Army. Fort Benton war auch der Ort, wo der Union General Thomas Francis Meagher, Governeur von Montana, von Bord eines Dampfbootes fiel oder gestürzt wurde und ertrank. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Meagher war irischer Nationalist und Anführer der Young Irelanders in der Rebellion von 1848. Er wurde in Irland zum Tode verurteilt, begnadigt und nach Tasmanien deportiert. 1852 floh er nach Amerika, wo er Jura studierte und als Journalist arbeitete. Zu Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges trat er in die Armee ein und wurde Brigade-General. Nach dem Krieg wurde er Gouverneur von Montana. Er war zeitlebens ein kritischer und unbequemer Mann, der viele Feinde hatte, darum ist bis heute nicht geklärt, ob sein Sturz ein Unfall oder ein Anschlag war.

Eine weitere interessante Geschichte ist die von Shep, einem Hütehund, der von 1936 und 1942 an der Great Northern Railway Station Wache hielt. Sein Herrchen, Shep Meister, wurde dort in einem Sarg verladen. Shep wartete auf die Rückkehr seines Herrn. Die Stations-Angestellten kümmerten sich um den Hund und fütterten ihn. 1942 starb Shep, er wurde von einem Zug erfasst und konnte nicht gerettet werden. Er wurde feierlich in Fort Benton, auf einem Hügel über der Stadt, begraben und es wurden viele Lobreden auf seine Treue gehalten. Am Ufer des Mis-souri River in der Stadt ist ihm 1994 ein Denkmal in Form einer Bronzeskulptur von Bob Scriver errichtet worden.

All diese interessanten Geschichten liest man auf Schau-Tafeln, die entlang des Missouri River am Levee Walk aufgestellt sind. Hier finden sich auch Anekdoten über Eleanor Dumont (1834-1879), auch bekannt als Madame Moustache wegen ihrer schwarzen Haare auf der Oberlippe, eine professionelle, unglaublich begabte Karten-Spielerin. Wir besuchen das historische Fort und das Museum of the Upper Missouri. Leider sollen beide schon um 16 Uhr schließen, so dass wir uns beeilen müssen. Doch man erlässt uns den Eintritt. Einige ältere Männer im Fort erzählen und erklären uns alles, Geschichte hautnah, für Menschen, die es interessiert. Alles ist sehr schön hergerichtet und dargestellt. Wir sind ganz begeistert von diesem Ort und seiner Historie.

Natürlich besuchen wir auch das historische Grand Union Hotel, direkt am Missouri gelegen. Es ist Montanas ältestes in Betrieb stehendes Hotel, ursprünglich 1882 eröffnet. Es gehörte zu den schönsten Hotels zwischen Chicago und Seattle. Restauriert und zu neuem Glanz erweckt wurde es 1999. Auch dieses schöne Gebäude und Hotel gehört zu den National Historic Places. Ein Doppelzimmer kostet 145 Dollar, inclusiv Deluxe Continental breakfast (Frühstück), zuzüglich Steuer! Für unseren Geldbeutel etwas zu teuer, aber es lohnt sich, das Hotel anzuschauen, es ist wunderschön ausgestattet mit einem herrlichen Garten direkt am Missouri.

Da wir beide geschafft sind vom vielen Anschauen heute und Rolf das herrliche alte Pioneer Lodge Motel entdeckt hat, bleiben wir kurzent-schlossen in dem historischen Ort, der "Geburtsstadt Montanas". Wir waren heute 9 ½ Stunden bei 30 Grad, sehr schwül, unterwegs. Außerdem wurden wir heute von vielen Insekten geplagt. Rolf wurde ja in den Hals gestochen und mein linker Fuß ähnelt einem Elefantenfuß, so dick angeschwollen ist er. In dem kleinen Lebensmittelladen des Ortes kaufen wir günstig ein, Putenbrust, Kartoffelsalat, Radieschen, Kirschen (ein Traum), Bier, Wein und Brot. Wir genießen unser Dinner.

Anschließend macht sich Rolf auf, am Missouri entlang zu wandern und seine Zigarre zu rauchen. Ich kühle und lagere inzwischen meinen Fuß hoch. Der Ort Fort Benton ist eine Idylle. Es verirren sich kaum Touristen hierher und deutsche Motorradfahrer schon gar nicht. Und zur Erinnerung: Auch heute im 21. Jahrhundert befinden wir uns hier im realen wilden Westen, wo die Menschen nach ihren ganz eigenen Gesetzen leben. Rolf und ich fühlen uns hier sehr wohl, wie Zuhause, denn die Menschen sind herzlich, freundlich und hilfsbereit. Unser Zimmer hat den Namen "Homestead", unser Nachbar schläft in "Lewis & Clark". Das Hotel ist sehr schön, ruhig, die Räume sind kühl - denn das Haus ist aus Backsteinen gebaut.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisetagebuch über die Motorradtour durch 11 Staaten des Süd- und Nordwestens der USA vom 6. Juni bis 9. Juli 2012 - zurückgelegte Meilen 7.930 (12.767 km) – Text: Uschi Agboka Fotos: Rolf Kummer – www.harley-rolf.de
Details:
Aufbruch: 23.06.2012
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 09.07.2012
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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