Kerala mit Kind und Karre
Ponmudi Hill Station
Für heute steht ein Ausflug zur Ponmudi Hill Station auf dem Plan. Unser Routenplaner im IPad soll uns dafür die Route berechnen, aber seit dem frühe Morgen herrscht hier Stromausfall und nur mit Notstromaggregat gibt es keine Internetverbindung. Wir sind es dann leid, noch länger auf den Strom zu warten, also fahren wir einfach los, denn auf der Karte im Reiseführer können wir sehen, dass wir eigentlich nur schnurgerade in Richtung Osten fahren müssen. Jetzt wäre endlich mal Nicos Kompass zum Einsatz gekommen, wenn wir ihn denn mitgenommen hätten. Aber auch da kann das IPad aushelfen und es hat zumindest über Google eine Karte, wo man seinen Standort bestimmen kann.
Unterwegs holt sich Nico bei einem Erdnussröster eine Portion zum Knabbern und besteht darauf, dies allein zu tun, gefolgt von den ungläubigen Blicken der umstehenden Inder, die ihm neugierig nachschauen, was er wohl vorhat.
Am Fluss am Fuße des Berges machen wir zunächst halt, weil Thomas durch eine braune stinkende Pfütze gefahren ist und die Scheibe nicht mehr sauber machen kann, weil das Spritzwasser leer ist. An einer Quelle können wir Wasser holen, um den gröbsten Dreck zu beseitigen und das Wasser nachzufüllen. Nun können wir auch sehen, dass der Matsch auf der gesamten linken Hälfte des Autos verteilt ist und es stinkt elendig, so als hätte eine Kuh in die Pfütze gestrullt. Natürlich ist dies mal wieder ein Grund für lang anhaltende Heiterkeit, zumal die Inder in den Dörfern, durch die wir fahren, beim Anblick unseres Autos missbilligende Gesichter machen. In dieser Gegend gibt es an jeder Ecke Moscheen. Eine davon hat mehrere Stockwerke und sieht dadurch aus wie ein Gottes-Hochhaus.
Nun fängt die Straße an, sich in zweiundzwanzig engen Serpentinen den Berg hinauf zu winden. An jeder Kurve hängt ein Schild, das darauf hinweist, wie viele noch folgen. Wir befinden uns in einer Art Urwald mit Bäumen, die seit Anbeginn der Zeiten in den Himmel hinein zu wachsen scheinen und deren frei liegende Wurzen sich wie lange knorrige Finger in den Boden krallen. Die in Indien normalerweise ständig vorherrschende Geräuschkulisse der Zivilisation ist verstummt und an ihre Stelle treten die Stimmen des Urwaldes in vielfältiger Ausprägung. Affen sitzen am Wegesrand und inspizieren uns und ihre Hinterteile. Je weiter wir nach oben kommen, wird die Luft immer kühler und frischer. An einer Stelle steigen wir aus, um Fotos zu machen, denn der Blick geht hinunter in ein Tal, auf dem die Wolken wie dicke Wattebäusche zu liegen scheinen. Obwohl wir nicht besonders hoch sind, befinden wir uns dennoch bereits oberhalb der Wolkengrenze. Wir erreichen den Eingang zum Nationalpark und dürfen nach Entrichtung einer geringfügigen Gebühr die Schranke passieren.
Bis zum höchsten Punkt ist es nicht mehr weit; dort können wir unser "Gürkchen" auf dem Parkplatz abstellen, allerdings nicht ohne die ersten Kommentare zur Verschmutzung des Autos einstecken zu müssen. Hier oben besteht alles aus grünem Gewächs oder schwarzem Lavagestein, das teilweise mit Moosen und Flechten bewachsen ist. Von hier aus hat man in alle Richtungen eine beeindruckende Aussicht, auch wenn der Blick in die Ferne von dem nebligen Dunst getrübt ist. Außer uns sind mal wieder nur Inder unterwegs, die sich wie die Kinder ein Vergnügen daraus machen, laut zu rufen, um sich dann am Echo zu erfreuen. Auf einer letzten Erhebung, die man über einen schmalen Trampelpfad erklimmen muss, stehen verstreut einige Findlinge, die ein tolles Fotomotiv hergeben, wenn man sich darauf stellt. Dort kommen wir mit einer netten moslemischen Familie ins Gespräch und wir fotografieren uns gegenseitig.
Als wir die Aussicht zur Genüge genossen haben, machen wir uns an den Abstieg. Am Auto möchte sich der Jüngling von der netten Familie noch unbedingt schnell mit mir fotografieren lassen. Ob meine "unzüchtige" Bekleidung oder meine für diese Gegend ungewöhnlichen Haare dafür ausschlaggebend sind - wer weiß? Runter geht es natürlich viel schneller. Die Ortschaften sind jetzt voll mit Menschen, die unterwegs sind oder in Trauben auf den Bus warten, Schulkinder sind auf dem Weg nach Hause und die Männer sitzen oder stehen in Gruppen zusammen. Werden die Leute unserer ansichtig, wird freudig gelächelt und gewunken. Sogar ein ganz alter Mann, der mich durchs Fenster sieht, lässt sich dazu hinreißen.
Wir kommen zurück in die Zivilisation und inzwischen ist es ziemlich dunkel geworden. Unsere Scheibe ist auch von innen nicht für die Nachtfahrten geeignet, denn durch das Licht der entgegenkommenden Fahrzeuge wird man total geblendet und sieht alles nur noch ganz verschwommen. Thomas versucht mit einem Feuchttuch die Scheibe zu reinigen, aber durch die darin enthaltenen Pflegeanteile für Babys Popo wird alles nur noch schlimmer. Mit seinem verschwitzten T-Shirt versucht er nachzupolieren, aber es hilft nichts. Schließlich waschen wir das feuchte Tuch mit dem Quellwasser solange aus, bis der ganze Reinigungs- und Pflegekram raus ist und endlich erzielen wir ein halbwegs akzeptables Ergebnis.
In Pothencode entdecken wir ein Fast Food Restaurant, das mit Thali Meals wirbt. Gibt es leider nicht (wie ich später erfahre, handelt es sich dabei um ein traditionelles Mittagessen), deshalb entscheiden wir uns für halbe Hähnchen, die außerordentlich gut gewürzt sind. Dazu wird eine tolle Knoblauchsauce und ein Zwiebelsalat! gereicht, der ganz köstlich ist, obwohl er fast nur aus Zwiebeln besteht. Der Ghee-Reis ist mit Nelken und anderen Gewürzen gekocht und es wird Naan Roti dazu gereicht.
Durch die Dunkelheit und zurück auf der großen Hauptstraße kommen wir dann zum Glück recht zügig voran und sind bald wieder im Hotel. Immer noch sieht man Inder, wie sie im Licht von Laternen weitere Pookalams legen. Ich bin froh, dass wir heil wieder angekommen sind, denn der ohnehin schon beängstigende Fahrstil der Inder wird in der Finsternis zum Horror für mich. Shah unser Watchman staunt nicht schlecht über unser total eingesautes Auto.
Aufbruch: | 12.08.2012 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 28.08.2012 |