Peking 1991
Himmelstempel
In Beijing gibt es 9 Altäre, keineswegs wahllos über die Stadt verstreut, sondern nach geomantisch-kosmologisch-rituellen Kriterien angeordnet. Am vollständigsten und besten erhalten ist der ‚Himmelstempel'
Zunächst gelangen wir auf einen großen Platz mit drei kreisförmigen Plattformen, bei denen man vom Mittelpunkt der obersten mit dem Himmelsgott sprechen können soll - zumindest der Kaiser soll es gekonnt haben.
Die Nachmittagssonne verleiht dem Platz und seinen Gebäuden ein herrliches Licht. Am kleinen Tempel befindet sich eine Echomauer und der große Tempel mit herrlichen äußeren Gemäldeverzierungen und tollen Innendecken.
Am südlichen Ende der Zentralachse liegt der ‚Himmelsaltar‘. Auf ihn, als die eigentliche Opferstätte, ist die ganze Anlage bezogen; hervorgehoben und eingeschlossen ist er durch eine äußere quadratische und eine innere runde Mauer. Der Altar, eine kreisrunde Marmorterrasse (1530 erbaut; 1749 restauriert), besteht wiederum aus 3 Schichten und repräsentiert bis zur letzten Einzelheit die Yang-Zahlensymbolik. Auf der obersten Stufe der Terrasse liegt im Zentrum eine runde Steinplatte. Sie wird von 9 konzentrischen Ringen umgeben, von denen der erste aus 9. der zweite aus 18. der dritte aus 27 Platten usw. besteht. Dies setzt sich fort, bis es schließlich im äußersten Ring auf der untersten Stufe 27 X 9 Platten gibt. Die oberste Stufe dieses rituell wichtigsten Ortes durfte nur der „Sohn des Himmels", der Kaiser, betreten, indem er gewissermaßen aus der quadratischen Einfassung, der Erde, in den Himmel, auf die runde Terrasse, stieg. Hier war der einzige Ort, wo er, um anzubeten, das Gesicht nach Norden wandle, statt wie sonst nach Süden, um Verehrung zu empfangen.
Am Nordende der Zentralachse liegt auf einer kreisrunden, dreistufigen Marmorterrasse die ,Halle der Erntegebete'. Sie symbolisiert den Himmel und wird, da sie optisch den Gesamtkomplex beherrscht, fälschlicherweise vielfach als ‚Himmelstempel' bezeichnet. Sie gilt als der schönste und harmonischste Sakralbau Chinas (1420; 1889 nach Blitzschlag unverändert wieder aufgebaut). Die Halle ist über 8 Treppen zugänglich, die für die 8 Himmelsrichtungen stehen: die 9., die Weltachse, ist durch die aufragende Halle dargestellt. Die Terrasse ist dreistufig: Die 3 ist die Wurzel aus der 9. der dem Himmel zugehörigen Yang-Zahl. (Auf die Zahl 9 stößt man immer wieder: Die innere Stadt Beijings hatte 9 Tore; Pagoden haben häufig 9 Stockwerke; es gab 9 Beamtenränge; jeder Kotau, der 3mal vollzogen wurde, bestand aus jeweils 3 Verbeugungen, insgesamt also 9; der Kaiser zog bei der Zeremonie des Pflügens 9 Furchen etc.) Die 3 Treppenabsätze haben jeweils 9 Stufen, die Marmorgeländer zwischen den Treppen je 9 Pfosten. In der Halle selbst, wie alle wesentlichen Gebäude der Anlage kreisrund und damit Symbol des Himmels, setzt sich die Zahlensymbolik fort: Sie hat ein 3stufiges Dach mit blauglasierten Ziegeln (die Farbe des Himmels). 4 goldverzierte tragende Säulen symbolisieren die 4 Jahreszeiten; 2x12 Säulen stehen zum einen für die Zahl der Mond-Mona¬te, also für den Jahresablauf, zum anderen für die Zeiteinteilung (im alten China wurden jeweils 2 Stunden zu einer Zeiteinheit zusammengefaßt). Darüber hinaus verkörpern Horizontale der Terrasse und Vertikale der Halle die Polarität, die sich in Yin und Yang manifestiert.
Sie sind die letzten Besichtigungspunkte für heute, denn es wird allmählich kälter und dunkler, die Akkus (von der Kamera) sind leer und mein rechter Fuß hat auch genug.
Trotzdem wollen wir noch zum Geburtstagessen mit mongolischem Feuertopf in die Stadt, aber dort ist alles fully booked. Dafür nehmen wir auf dem 21. Stock unseres Hotels ein üppiges Mahl (12 verschiedene Sachen) und machen einen kleinen Shoppingarkade-Bummel.
Aufbruch: | 26.12.1991 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 03.01.1992 |