Kulturregion Rhein-Neckar
Mannheim : der feine Schimmer
Mannheimer Kunsthalle zeigt Jugendstil-Ausstellung:
der feine Schimmer - zu Pfau und Perlmutt im Jugendstil
Das war die Ankündigung - in fünf Räumen treffen Künstler der Mannheimer Schau auf Jugendstilstars wie René lalique, Alphonse Mucha und Emilé Gallé, so verspricht der Kurator des Museums.
Da man mal wieder keine Fotos machen darf - ich finde es allmählich ärgerlich: in Zeiten der Digitalkameras, die auch ohne Blitz 'vernünftige' Aufnahmen für den Privatgebrauch machen, sollte es doch möglich sein,, dem eigenen Gedächtnis mittels einiger Fotos auf die Sprünge zu helfen.
Wenigstens die Prospektbeschreibung (hier weitgehend zitiert) läßt die Erinnerung aufleben.
Bibliothek
Der Armlehnsessel (1903) von Koloman Moser (1868-1918) ist das zentrale Objekt in der Bibliothek, dem ersten Raum. Mit schwedischer Birke, Korallen-und Ebenholz sowie feinsten Perlmuttintarsien verwendet er nur die edelsten Materialien. Das würfelförmig konstruierte Möbelstück ist mit dem für Moser typischen Flächenornament überzogen. Sein streng geometrisches, variationsreiches Dekorationssystem prägte den „Wiener Stil".
ähnlicher Sessel - Abbildung aus wiki commons
In der sich seitlich erstreckenden Bibliothekswand ist neben Entwürfen zur Jugendstil-Schrift von Otto Eckmann (1865-1902), Graphiken und Buchillustrationen auch eine Ausgabe der namensgebenden Zeitschrift Jugend ausgestellt. Den Titel der ersten Februar-Ausgabe 1906 schmückt das Pfauenweibchen von Leo Putz (1869-1940). (siehe Ankündigung der Ausstellung)
Es folgt eine Wandrekonstruktion aus der Privatvilla auf der Mathildenhöhe in Darmstadt von Julius Gluckert - entworfen von Joseph M Olbrich.
Modernes Leben
Im Mittelpunkt des modernen Lebens um 1900 stand der technische Fortschritt. Maschinell gefertigte Massenware und exklusiver Lebensstil waren keine Widersprüche, wie die frühen Bahlsen Keksdosen zeigen. Als großer Automobilverehrer entwarf der französische Schmuck- und Glasdesigner René Lalique (1860-1945) ab den 1920er Jahren eine Serie von Kühlerfiguren aus Glas für Bugatti-Automobile. Die „Große Libelle" (1928) beleuchtete ein eigens konstruierter kleiner Motor, der das Insekt rot-grün schillern ließ. Die italienischen Futuristen begeisterten sich ebenfalls für den Fortschritt. Giacomo Balla setzte der elektrischen Straßenbeleuchtung mit seiner Straßenlaterne (um 1910-11) ein Denkmal. Er fächert das Licht in Spektralfarben auf, sodass der farbige Lichtkranz an das Prachtgefieder eines exotischen Vogels erinnert.
(Die Projektion im Raum ist so ungünstig, dass eine Betrachtung an der Wand durch den Lichteinfall im Gebäude erheblich beeinträchtigt wird. - der Aufsicht mitgeteilt, blieb ohne jegliche Resonanz)
Der charakteristische Ansatz des Gesamtkunstwerks umfasste auch den öffentlichen Raum, wie beispielhaft am Wiener Grand-Restaurant P. Hopfner zu erahnen ist. Um die imposante Kaminsims-Uhr (1906) aus rotbraunem Zedernholz mit schimmernden Perlmuttintarsien schuf der Architekt und Illustrator Joseph Urban (1872-1933) ein bis ins kleinste Detail durchgestaltetes Universum. Der Entwurf für eine Stirnwand des vornehmen Restaurants mit seinem abstrakten Schmuckornament bildete das Mannheimer Nationaltheater für die Ausstellung nach.
Vanity Room
Einzig der weiblichen Schönheit ist der Vanity-Room (zu dt. Eitelkeit) gewidmet. Wie in einem Ankleidezimmer einer Dame finden sich hier u.a. Schmuck und Parfum, Stoffe und Schuhe, ein Zigaretten-Etui und ein eleganter Abendumhang. Im Englischen und Französischen wird der Jugendstil Art Nouveau genannt Die Bezeichnung geht auf das Maison d'Art Nouveau in Paris zurück. Hier präsentierte der Hamburger Kaufmann Siegfried Bing seit 1895 seine legendären Verkaufsausstellungen. In den Vitrinen war u.a. Schmuck von René Lalique, aber auch Objekte seines Sohns Lucien Marcel Bing (1875-1920) ausgestellt, wie beispielsweise der ovale Anhänger Pfauenfrau (1900-01). Das Londoner Kaufhaus Liberty & Co. hingegen war namensgebend für den italienischen Begriff zum Jugendstil - dem Stile Liberty. Aus London stammt das wunderbar seidige Pfauen-Cape (1900/10), welches für die delikat gefertigten Stoffe aus dem Hause Liberty ein glänzendes Beispiel ist. Bälle, rauschende Kostümfeste und exotische Maskerade erfreuten sich während des Jugendstils in ganz Europa großer Beliebtheit. Kazimierz Stabrowski (1969-1929), Kunstprofessor an der Akademie der Schönen Künste in Warschau, malte in einem spektakulären Großformat eine seiner Studentinnen während eines solchen Motto-Balls als unnahbaren Pfau (vor einem Glasfenster) (1908).
Winterreise
Zum Abschluss bildet der Galerieraum Winterreise das poetische Pendant zum Vorgarten. Angefeuert durch Errungenschaften wie der Eisenbahn, erlebte der touristische Wintersport in den Alpen zur Zeit des Jugendstils einen ersten Höhepunkt. Skiorte wie Sankt Moritz und Davos wurden quasi über Nacht zu angesagten Hotspots einer vornehmen Gesellschaft.
Auf vielen Werbeträgem der damaligen Zeit wurde frühes Tourismusmarketing erprobt. Francois Jaques (1877-1937) Plakat Ste-Croix-Les Rasses (1921) zeigt einen Skiläufer im eleganten Jumper und mit modischem Diverscap, der den Blick über das verschneite Juratal gleiten lässt. (Link zeigt ähnliches Plakat) Die Wirkung des flirrenden Schnees erreicht der Plakatkünstler durch meisterhaft gesetzte Lichtreflexe in Hellgelb und Weiß. Ikonische Paten des Plakatkünstlers sind Ferdinand Hodlers (1853-1918) monumentale Berg- und Seepanoramen mit ihrem ausbalancierten Bildaufbau und der harmonischen Farbgebung. Schnee im Engadin (1907) entstand, als die Vorbereitungsarbeiten zur Raumkunst-Ausstellung gerade auf Hochtouren liefen. Das durch Eiskristalle gebrochene Licht lässt den Schnee ähnlich dem Perlmutt in zarten Regenbogenfarben schillern. Am Ende des Rundgangs entlässt ein Faksimile-Nachguss der kühlen, schweren Pfauen-Türklinke (1905) von Johann Heinrich Vogeler (1872-1942) aus massiver Bronze den Besucher wieder in den Alltag.
Aufbruch: | 26.12.2015 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 31.12.2015 |