Viva España !

Da ich gestern Abend recht früh schlafen gegangen bin, bin ich heute morgen früh auf. Aber ich bin auch ein wenig aufgeregt, weil ich mich so sehr auf den Alhambra-Besuch freue, deswegen hält mich auch nichts mehr im Bett. Frühstück wird in diesem Hotel im Zimmer serviert und dafür hätte ich meine Bestellung (es gibt ein Formularkärtchen dafür) bis spätestens 06.50 Uhr an der Türklinke anhängen müssen. Habe ich nicht gemacht, weil ich schon gestern Abend ahnte, dass ich um diese Zeit fast bereits außer Haus sein würde. Aber ich habe ja mein self-catering Frühstück, Käse-Baguette + Joghurt. Leider gibt es keinen Wasserkocher im Zimmer und folglich auch weder Tee noch Kaffee. Egal. Noch habe ich die Vorhänge nicht beiseite geschoben, also habe ich auch noch Bedenken, was der Himmel offenbaren könnte: Wieder grau-in-grau mit Regen wie gestern ? Vorhang auf, ta dah: Strahlend blauer Himmel, wolkenlos ! Geil. Als ich auf der Straße bin, merke ich allerdings, es ist schweinekalt.

07.30 Uhr: Ich steige in den Bus an der Plaza de Isabel Católica. Die Fahrt im Minibus dauert ca. 10 Minuten immer bergan. Oben wird man vor dem Besucherzentrum ausgespuckt. Hier gibt es einen Großparkplatz, die Ticketschalter (5, meine ich mich zu erinnern), die Servicaixa-Automaten (ich will nicht lügen, aber ich glaube, es waren 3), Toiletten, Souvenirshop und - Gott sei Dank - ein kleines Café. Denn das ist meine 1. Aktion: Milchkaffee schlabbern.

Was hier oben um diese Uhrzeit los ist ? Viel. Die Schlange an den Ticketschaltern für diejenigen, die noch gar kein Ticket haben, besteht jetzt bereits aus ca. 70 Personen und die meisten von ihnen dürften bereits seit mindestens 45 Minuten anstehen, minütlich spucken Taxis, Busse und Autos immer mehr Leute aus. In der Schlange für die online-Reservierungen stehen nur ca. 15 Personen, vor den Servicaixa-Automaten lungern ca. 20 Personen herum. Der Parkplatz ist noch leer. Der Souvenirshop ist geschlossen, die Toiletten ebenso, offizielles Personal ist noch gar nicht zugegen. Nur der Typ im Café haut sekündlich Kaffee raus (für 2,50 EUR) an die jeweils Glücklichen mit Ticket, die nirgendwo anstehen müssen, wie ich. Um kurz vor 08.00 Uhr kommt Bewegung in die Angelegenheit: Das Personal erscheint, die ersten Ticketschalter werden geöffnet. Bereits 15 Minuten vor der offiziellen Öffnungszeit geht das Tor auf, um 08.15 Uhr gehöre ich zu einer der ersten, die die Alhambra heute betreten...

Kennt ihr das ? Fremd-Schämen für eine unbekannte Person seiner eigenen Nationalität ? Hier und heute passiert das perfekte Beispiel dafür. Ich stehe in der Schlange für den Eintritt in die Nasriden-Paläste so ca. an Position 3 in der Schlange - Pole-position, quasi. Etwa 40 Menschen hinter mir. Es ist punkt 10.00 Uhr, alle erwarten pronto den Eintritt in die Sehenswürdigkeit...aber stattdessen stürmt ein Mann ca. Mitte 60 heraus, krabbelt unter der Absperrung durch, ist hochrot im Kopf, offensichtlich in Panik und stürzt auf eine hölzernes Tor zu, rüttelt an den verschlossenen Torflügeln und brüllt "ach du scheiße !!!". Drängelt sich an der Warteschlange zu einer anderen Tür durch, rüttelt vergeblich und brüllt "was ist das für ein Scheiß´hier !!" und "das ist doch zum Kotzen !!!" In der Warteschlange amüsieren sich die Leute, aber der Typ bekommt das gar nicht mit, der ist so wütend und verzweifelt, der nimmt die Menge gar nicht wahr. "So eine Kacke hier, ich glaub´das jetzt nicht !!!" Ich höre schon Kommentare aus der Schlange "...german...how embarrassing...". "...alemanes, ts, ts...", "...ah, tedesco...".

Tja, peinlich finde ich den Kerl ja auch, aber ich frage mich, was wohl sein Problem ist ? Der Typ hat den eigentlich abgeschlossenen Bereich des Nasriden-Palastes durch den Eingang wieder verlassen und zwar ungefähr 30 Minuten, nachdem er hier Einlass erhalten habe dürfte. Er trägt trotz des kühlen Morgens keine Jacke, er hat auch keine Tasche, Rucksack und noch nicht mal eine Kamera dabei. Er sieht nicht nach Individualtourist aus, denn offenbar kann er weder englisch noch spanisch, um sich Hilfe holen zu können und er weiß offenbar nicht, dass der Nasriden-Palast eine Einbahnstraße ist. Er ist offensichtlich in echter Panik. All das sagt mir: Der hat garantiert seine Reisegruppe verloren und hat sie auf dem Gelände des Nasriden-Palastes nicht wieder finden können. Vielleicht ist er zurückgelaufen auf der Suche nach einer Toilette, hat seiner Frau womöglich Jacke, Tasche und Kamera in die Hand gedrückt und nun ist er verloren und reagiert panisch. Soweit meine Theorie. Er ist allerdings auch sehr schnell, duckt sich wieder unter der Absperrung durch, drängelt wieder zum Eingang und schreit dann den Ticketkontrolleur am Eingang regelrecht an, so richtig ins Gesicht: " Toilet, wo ? Toilet, toilet, wo ???"

Aha, das ist also sein offenbar sehr dringendes Problem ! Die nächste Toilette befindet sich ca. 20 m gut ausgeschildert vom Eingang zum Nasriden-Palast entfernt. Die ganze Geschichte hat kaum 5 Minuten gedauert, der Typ verschwindet ohne weiteres Gebrüll im Palast (vielleicht ist es jetzt einfach schon passiert und eh alles egal ???)

Fazit Alhambra: WUNDERSCHÖN !!!! Man kann sich hier einen ganzen Tag lang aufhalten und wird immer wieder Neues entdecken. Besonders gefallen haben mir die Parkanlagen des Generalife, die atemberaubenden Aussichten auf die Sierra Nevada und das Stadtviertel Albaícin und - natürlich - die Nasridenpaläste.

Hier oben ist auch der Ausgangspunkt für eine Stadtrundfahrt mit so einem Minizug, denn eine bus-gesteuerte City-Sightseeing-Rundfahrt gibt es nicht in Granada. Dafür ist die Stadt zu klein und die Sehenswürdigkeiten zu wenig. Der "Zug" fährt natürlich auch nicht auf Schienen. Ich nehme den normalen Bus für 1,20 EUR wieder runter, er macht auch noch eine Mini-Stadtrundfahrt mit einem, bevor man wieder hotel-nah aussteigt. Granada hat ansonsten noch ein Kloster zu bieten und auch noch Museen, aber ich bin gesättigt für heute. Den Rest des Tages verbringe ich beim Bummel durch die Altstadt und deren Plazas, Bib Rambla z.B.

Im Laufe des Nachmittages wird der Himmel wieder dunkler und dunkler, nur sitze ich heute rechtzeitig in einem Restaurant, bestelle Spaghetti Carbonara, bin einigermaßen zufrieden, schaue mir meine Foto-Ausbeute an, süffele Weißwein, konsumiere die Nudeln in Käse-Sahne-Sauce und freue mich auf morgen...