Guatemala
Dienstag. Handweben
Heute kommt meine Mutter mit in die Schule. Und sie staunt nicht schlecht, wie das hier aussieht. Unter dem Blechdach, wo am Sonntag die Geburtstagsparty von Julissa stattfand, sitzen sich jeweils eine Lehrerin und eine Studentin an einem kleinen Tisch gegenüber und arbeiten. Es wird gelernt, gespielt, gelacht, geschrieben und studiert. Ich mache sie mit Olga bekannt und wir machen uns zusammen auf den Weg zur zentralen Busstation. Wir fahren mit einem der farbigen Busse ins Nachbardorf San Antonio Aguas calientes.
In diesem Dorf wendet man eine sehr spezielle Webtechnik an. Viele Motive auf den Tischdecken und vor allem auf den aufwändigen Kleiderstoffen erscheinen auf beiden Seiten genau gleicht. Beim letzten Besuchl habe ich mit einer der Frauen gesprochen und ein paar Fotos gemacht. Diese will ich ihr nun bringen. Leider ist Gloria heute nicht hier, aber ihre Cousine verspricht, ihr die Fotos zu geben.
Nachdem sie gesehen haben, dass ich Fotos bringe, lassen sich auch andere Frauen fotografieren. Wir kaufen ein paar Tischdecken und wieder einmal beschleicht mich ein komisches Gefühl: was wir hier ausgeben, ist gerade mal ein Wochenverdienst einer Lehrerin. Ich kann nicht richtig abschätzen, was das für Olga bedeutet, wenn wir hier so gross einkaufen. Der Wochenverdienst einer Lehrerin ist noch immer kaum 50 Dollar und ich kann mir kaum vorstellen, wie man damit über die Runden kommt.
Sonja Noella
Delmi Lopez
Delmi Lopez, eine junge Weberin lädt meine Mutter ein, sich zu ihr zu setzen, damit sie ihre Technik zeigen kann. Sie arbeitet ohne Mustervorgabe, hat alle Sujets im Kopf. Es ist reine Handarbeit, was hier an den Körperwebstühlen hergestellt wird. An einem Läufer wird 2-3 Wochen gearbeitet. Wir haben viel Spass miteinander und ich verspreche, beim nächsten Mal wieder zu kommen.
Auch zurück fahren wir wieder mit dem Bus, der jetzt am Mittag ziemlich gut besetzt ist.
im Chickenbus
Am Nachmittag sind wir im Institut Socorro eingeladen. Dies ist ein Lehrerinnenseminar, das von Nonnen geleitet wird und in dem gut 100 einheimische Mädchen studieren. Das Institut feiert heute sein 50-jähriges Bestehen und wir sind gespannt, was uns da erwartet.
Wir sitzen also in der grossen Aula und harren der Dinge die da kommen sollen. Zuerst passiert mal gar nichts, ausser dass die ganze Zeit Leute hereinkommen und andere wieder gehen. Dann setzt sehr laute Musik ein und ein Ansager versucht diese zu übertönen, indem er die Anwesenden und besonders die Ehrengäste aus Kultur und Politik begrüsst. Dann stellen sich die Mädchen in ihren Trachten vor. Jedes Mädchen schreitet in der Tracht ihrer Regien durch den ganzen Saal und wird dabei von einem Jungen aus einer befreundeten Schule begleitet. Es ist interessant zu sehen, wie verschieden die Kleider sind.
Nach dem letzten Paar kündigt der Ansager die Sonntagstrachten an. Also stellen wir uns nochmals auf eine längere Präsentation ein. Danach gibt es ein paar Ehrungen von älteren Nonnen, Dank an die Honoratioren und es folgt eine Präsentation der Sprachen. Wieder kommen Mädchen, die in ihrer jeweiligen Sprache und danach in Spanisch etwas von ihren Bräuchen erzählen. Die laute Musik aus den Lautsprechern wird nur unterbrochen, als ein paar Mädchen die Marimba spielen, setzt aber danach gleich wieder ein. So ganz langsam schleicht sich Langeweile ein. Längst sind viele Zuschauer verschwunden. Geblieben sind die Ehrengäste, die Schüler der anderen Schule und wir. Meine Mutter meint: ,Beim Fernseher würde ich jetzt zappen'. Da aber ein anderes Programm fehlt, bleiben wir sitzen. Jetzt verabschieden sich allerdings auch ein paar Ehrengäste, während auf der Bühne eine Marktszene nachgestellt wird.
Die Ehrengäste
Nach gut vier Stunden sehe auch ich ein, dass das Programm noch länger dauern wird und deshalb schleichen auch wir aus dem Saal und suchen uns ein Tuctuc. Das ist gar nicht so einfach, denn das Socorro ist in einem Aussenquartier von Antigua. Endlich hält ein Gefährt an. Wir kommen allerdings nicht weit, zwei Kreuzungen weiter setzt der Motor aus und der Fahrer bringt es nicht mehr zum starten. Wir finden das amüsant, aber ihm ist nicht ums lachen. Trotzdem bezahle ich den Einheitspreis und wir machen uns zu Fuss auf ins Zentrum, wo die Chance grösser ist, eine Fahrgelegenheit zu finden.
Am anderen Tag erzählt Rigoberto, dass die Vorführungen noch weitere zwei Stunden gedauert hätten.
Aufbruch: | 13.05.2005 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 31.05.2005 |
Honduras