Guatemala
Freitag. Hurrikan
Heute Morgen ist Mutter nicht zum Frühstück erschienen. Sie mochte nicht und jetzt war es Zeit, dass sie doch ein Medikament nimmt. Bevor ich zur Schule gehe, gebe ich ihr ein Immodium und hoffe dass das hilft. Mit Olga arbeite ich heute ernsthaft. Ich habe ein paar Glückwünsche auf Spanisch übersetzt und nun korrigiert mir Olga die Sätze. Es ist ganz amüsant und wir diskutieren übers Heiraten, über Kollegen, Freunde, über die verschiedenen Gesellschaftssysteme. Heute ist mein letzter Schultag. Viel Grammatik habe ich ja nicht studiert, aber die Woche war trotzdem sehr interessant und ich glaube ich werde das nächste Mal wieder mit Olga arbeiten.
In Guatemala erwartet man heute einen starken Hurrikan. Er heisst Adrian, baut sich seit Tagen über dem Atlantik auf und nähert sich nun der Küste. Er soll stärker sein, als Mitch, der vor ein paar Jahren in Honduras starke Verwüstungen hinterlassen hat. In der Zeitung gibt es Satellitenfotos die den Lauf des Hurrikans zeigen, aber die Menschen scheint das kaum zu interessieren. Es wird so kommen, wie es muss, sagt man mir, wenn ich mich erkundige, ob denn niemand Angst hätte. Niemand kauft extra eine Zeitung deshalb und auch Fernsehen wird nicht mehr als normal gesehen. Einzig die öffentlichen Schulen sind heute geschlossen für den Fall dass Panik ausbrechen würde.
Veronika erzählt, dass Mitch in Guatemala zwei Wochen starken Regen gebracht hätte und auch die jetzigen starken Regenfälle sind auf Adrian zurückzuführen. Sie sagt, dass sie hofft, dass auch jetzt nur der Schweif des Hurrikans das Land treffen würde. Das hoffen wir natürlich auch. Irgendwie ist es schon eigenartig, so nahe einer Katastrophe zu sein.
Zum Mittagessen sind wir bei Rigoberto und Familie eingeladen und als ich Mutter bei Veronka abhole, ist sie schon wieder völlig in Ordnung. "Wie abgestellt", lacht sie und von da an gehören die Magenprobleme der Vergangenheit an.
Es gibt wunderbar gebratenen Fisch mit Reis und keines dieser typischen guatemaltekischen Menus mit Tamales (in Bananenblätter eingewickelte Maispaste) oder Tortillas. Ich bin nicht unbedingt Anhänger dieser Küche und daher freue ich mich ehrlich über den Fisch, den Reina heute auf dem Markt eingekauft hat. Rigoberto erzählt von seiner Arbeit und verspricht, dass wir während unserem Aufenthalt zusammen eines der Bibliothekenprojekte besuchen können. Allerdings sind wir in den nächsten Tagen auf Reisen, es wird also Ende nächste Woche werden, bis wir einen freien Termin finden.
Am Nachmittag bummeln wir durch die Stadt, besuchen verschiedene Ruinen. Sie stammen noch immer vom letzten Erdbeben vor gut 300 Jahren (1773), bei dem viele Kirchen und Klöster zerstört wurden. Sie wurden nicht mehr aufgebaut und die Hauptstadt wurde daraufhin verlegt. Seither ist Antigua zwar die wichtigste und schönste Stadt Guatemalas aber nicht mehr die Hauptstadt.
In der Kathedrale erzählen die riesigen Steinbrocken, die einmal die Decke waren, von der gewaltigen Wucht des Erdbebens.
Ausserdem schlendern wir durch die eleganten und teuren Jadeläden auf der Suche nach dem richtigen Schmuckstück, das uns später an diese Reise erinnern soll. Auch der kleinen Handweberei, die mir Aracely vor einem Jahr gezeigt hat, statten wir einen Besuch ab. Die beiden Männer, die hier am alten Webstuhl arbeiten, freuen sich über die Fotos die ich ihnen bringe. Ich habe sie vor einem Jahr gemacht und sie erzählen, dass sie schon viele Jahre hier arbeite. Sie sind angestellt, die Firma gehört einer alten Frau.
Diese ist im Laden und sie ist eine sehr gewiefte Verkäuferin. Jedenfalls verlassen wir mit Plastiksäcken voller Tischtücher und Servietten den kleinen Laden. Die Koffer, die bei unserer Ankunft voller Bälle für die Kinder waren, werden sich spielend mit Souvenirs füllen.
Wieder einmal heuern wir ein Tuctuc an. Als ich dem Fahrer die Adresse sage, fragt er auf spanisch, und dann auf englisch, wo denn das sei. Ich übersetze für meine Mutter, was er gefragt hat und sie wundert sich, dass der Fahrer sich hier nicht auskennt. "Ihr sind Schwitzer?" fragt da der Tuctuc-Fahrer und jetzt ist es an uns zu staunen. Auch er ist Schweizer, Basler um genau zu sein. Er war ein paar Tage in einer Spanischschule und hat heute am letzten Tag ein Tuctuc gemietet. Einfach so zum Plausch und um zu sehen, wie das ist und ob das rentiert. Er hat allerdings nur seine Kollegen chauffiert und kaum Einnahmen gehabt. Jetzt ist seine letzte Fahrt und für uns ist sie gratis. So kann das ja nicht rentieren. Wir geben ihm statt des Fahrgeldes eine Schokolade, von denen wir jetzt immer eine in der Handtasche haben.
Seit letztem Sonntag, als wir für den kleinen José vor der Kirche keine dabei hatten, haben wir den Jungen immer wieder gesucht. Aber er war nie da. Ich fragte auch die Frauen am Imbissstand und sie sagten, er wäre manchmal hier gewesen aber er würde jeweils von seinem Vater wieder abgeholt.
Aufbruch: | 13.05.2005 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 31.05.2005 |
Honduras