Guatemala
Samstag. David
Wir sind unterwegs. Nach dem Morgenessen wurden wir von einem kleinen Touristenbus abgeholt und zusammen mit anderen Touristen fahren wir aufs Land. Über grosse Ebenen, wo Gemüse angebaut wird. Überall sind Menschen unterwegs in ihren farbigen Kleidern mit Waren auf dem Kopf. Die Frauen tragen ihre Kleinen auf dem Rücken, die Männer eine Machete in der Hand. Sie gehen aufs Feld zur Arbeit.
Unterwegs wird bei einem grossen Restaurant ein kurzer Halt eingelegt. Weil hier die Touristenbusse öfters anhalten, hat sich ein kleiner Markt gebildet. Es werden Decken und Schmuck angeboten. Ein paar Kinder bieten frische Erdbeeren an. Eine Amerikanerin kauft davon und bietet sie später im Bus allen an. Sie erzählt, dass sie mit den Kindern gesprochen hat. Sie wollte wissen, ob ihnen die Erdbeeren schmecken würden. Die Kinder sahen sie ganz erstaunt an. Sie müssen die Früchte nur verkaufen, dürfen sie nicht essen. Darauf hat die Frau nicht nur für sich, sondern auch für die Kinder ein halbes Kilo gekauft und nun schlemmen nicht nur wir im Bu, sondern wahrscheinlich auch die Kinder von den süssen Beeren.
Weiter geht die Fahrt hinunter in tiefe Schluchten und auf der anderen Seite wieder hinauf. Manchmal werden wir von den grossen Überlandbussen überholt. Zum Glück lässt sich unser Chauffeur nicht provozieren. Er fährt vorsichtig und so kommen wir nach gut zwei Stunden Fahrt in Solola an und können schon bald hinuntersehen zum Lago Atitlan, dem scheinbar schönsten See der Welt.
Bei schönem Wetter bietet der See mit seinen drei Vulkanen wirklich eine umwerfende Aussicht, aber heute ist der Himmel bedeckt und der Ausblick hält sich in Grenzen. Bald schon checken wir im Hotel de los volcanes ein, im dem ich auch die früheren Male übernachtet hatte. Mutter gefällt das Zimmer, es ist sauber und die Betten sind mit warmen Steppdecken bedeckt. Im Fernsehen gibt es sogar die 'Deutsche Welle', aber die Nachrichten sind in Englisch. In einem nahen Restaurant mit exotischem Garten genehmigen wir uns ein verspätetes Frühstück und sind schon bald von ein paar Kindern umringt, die uns unbedingt etwas verkaufen wollen. Eines davon ist Olga, von der ich ein Foto mitgebracht habe.
Danach spazieren wir hinunter zum Strand. Ich will ein Motorboot (mit Schiffsführer) mieten, das uns in eines der Dörfer bringen soll. In Santa Catarina habe ich letztes Mal einem Mädchen eine Schreibmaschine von Max gebracht. Heute will ich sie besuchen, um ihr Fotos zu bringen.
Wie wir am Steg im Dörfchen ankommen, sind wir sofort von Kindern umringt. Natürlich haben wir ein paar Schokostängel dabei und die Kinder freuen sich über den Besuch. Sie tragen die typischen blauen Kleider, für die dieses Dorf berühmt ist.
Martha zeigt Rosa wie's geht
Immer wieder frage ich die Kinder, ob sie zur Schule gingen und sie zeigen mir stolz ihre Escuela. Rosa arbeitet im Laden ihrer Mutter und bekommt gerade Webunterricht von ihrer älteren Schwester. Sie zeigt ihr die typischen Sujets, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Es gibt keine Aufzeichnungen davon, die wunderbaren Farbkombinationen sind nur in den Köpfen der Leute gespeichert.
Mutter kauft einen typischen Stoff, aus dem hier die Röcke gemacht werden. Das heisst, eigentlich wird nur ein grosses Stück Stoff um den Körper geschlungen und mit farbigen Bändern umgürtet. Meine Mutter wird ihren Jupe wahrscheinlich anders machen.
Auf dem Rückweg zum Schiff werden wir wieder von Mädchen begleitet. Eines verkauft bunte Bänder, ein anderes wunderschöne Schals. Alle wollen sie auf das Foto und sie nehmen uns das Versprechen ab, wieder zu kommen und die Fotos mitzubringen.
Mit dem Motorboot fahren wir zurück nach Panajachel, wo wir uns erst einmal in einer kleinen Pizzeria das Mittagessen bestellen.
Natürlich hat uns auch hier bald wieder eines der Kinder entdeckt. David heisst er und er verkauft Kugelschreiber, die er mit geschickter Hand mit farbigen Fäden umwickelt, in die er nach Wunsch einen Namen flicht. Meine Mutzter kauft einen Stift, und ich fange mit David ein Gespräch an.
David
Er ist 14 Jahre alt, geht zwar noch in die Schule, doch er will bald damit aufhören. Nachdem ich ihm eindringlich klargemacht habe, dass das Wichtigste in seinem Leben im Moment die Schule ist, gesteht er, dass sein Vater trinkt und die Familie einfach nicht genug Geld hat, damit er zur Schule gehen kann.
Ich mache ihm ein Angebot: Wenn er mir seine Zeugnisse schickt und ich sicher bin, das er weiter zur Schule geht, werde ich sein Schulgeld bezahlen. Freudig willigt er ein und wir müssen nur noch das organisatorische regeln. In seinem Dorf gibt es keine Post, also kann er keine Briefe bekommen. Wir vereinbaren, dass ich ihm die Post ins Hotel sende, in dem ich jeweils wohne und er kann da nach Post für ihn fragen. Später regle ich das noch mit dem Hotelbesitzer und nun bin ich gespannt, wie sich die Sache entwickelt. Einen kleinen Vorschuss von gut 30 Dollar gebe ich ihm jetzt schon.
Während unserem Gespräch hat sich ein noch kleinerer Junge herangeschlichen. Ich weise ihn ab, denn wir können nicht von jedem etwas abkaufen, sonst reichen auch die zwei zusätzlichen Koffer nicht. Doch meine Mutter macht mich darauf aufmerksam, dass der Kleine eine Puppe oder ein Bebe auf dem Rücken trage.
Ich kann es nicht glauben, aber es ist wirklich so, der Dreikäsehoch trägt seinen 4-wöchigen Bruder auf dem Rücken und bei jedem Schritt den er tut, glauben wir, dass er dessen Kopf an einem Stuhl anschlägt. Wir geben ihm die Reste unserer Pizza und ich erkläre seiner Mutter, die beim Eingang des Restaurants steht, dass sie unmöglich zulassen könne, dass ihr Kind seinen Bruder auf dem Rücken trage. Sie erklärt mir, dass sie mit den Decken die sie auf sich zum Verkaufen herumtrage schon eine viel zu schwere Last trage. Sie hätte Schmerzen im Rücken und könne den Kleinen unmöglich selber tragen. Mutter bekommt fast einen Schock und auch ich kann fast nicht mehr hinsehen. Wir kaufen dem Kleinen noch ein paar Püppchen ab, es ist das einzige, das wir machen können. Der Kleine ist übrigens gerade mal 8 Jahre alt.
Uns zerreisst es fast das Herz, doch wir können selbstverständlich nicht jedes Schicksal lindern. Auch falls wir David helfen können, ist es nur ein kleiner Tropfen auf einem heissen Stein.
Für uns ist es Zeit, uns in unserem schönen Zimmer etwas auszuruhen. Es fängt an zu regnen und die Marktfrauen räumen ihre Ware zusammen.
Irgendwo erfahren wir, dass Adrian inzwischen zwischen Honduras und San Salvador die Küste erreicht hat. In dieser Gegend hat es einige Evakuationen gegeben, aber viel mehr erfährt man nicht.
Kurz vor Sonnenuntergang setzen wir uns in den romantischen Garten des Sunset-Cafes am Ufer des Sees. Eigentlich wollte ich hier den sagenhaften Sonnenuntergang geniessen, aber da sich die Sonne den ganzen Tag nicht gezeigt hat, geniessen wir nur unsere Piñacolada. Später kehren wir in einem schönen Restaurant an der Hauptstrasse zum Nachtessen ein und beim Bestellen stellt sich heraus, dass die Wirtin eine Deutsche ist, die schon viele Jahre hier wohnt. Mutter geniesst es, wieder einmal mit jemandem sprechen zu können. Ausser mit mir natürlich.
Aufbruch: | 13.05.2005 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 31.05.2005 |
Honduras