Auf ins Neolithikum
Filitosa
Die Wetterapp bestimmt: Ajaccio – wir starten bei Sonnenschein und hoffen, dass es so bleibt. Die Strecke bis Sartène ist ja schon hinlänglich bekannt. Danach geht es bergab zur Küste nach Propiano, ein Ort der nur wegen des Strandtourismus aufblühte. Irgendwie schickt uns Frieda anders als ich wollte – nämlich auf die Küstenstrasse nach Ajaccio, von dort sind wir plötzlich in Filitosa, der prähistorischen Hauptstadt Korsikas. Es ist inzwischen bedeckt, aber nach Löhnen des Eintritts kommt zumindest teilweise die Sonne hervor und bescheint einige der Menhire, die allerdings schon sehr stark verwittert sind. Beeindruckend ist die Siedlung mit Zyklopenmauer und Zentralmonument. Vielfältig sind die Formen der Steine – sie regen die Phantasie wieder an – vor allem im sogenannten Steinbruch.
Die Ausgrabungsstätte Filitosa birgt wertvolle Zeugnisse der frühen korsischen Geschichte aus dem Neolithikum (6000-2000 v. Chr.) und Megalithikum (3500-1000), aus torreanischer (1600-800) und römischer Zeit. Die Siedlung wurde 1946 von dem Besitzer des Grundstücks entdeckt, erforscht wurde sie anschließend durch den Archäologen Roger Grosjean.
Die 70 Menhirstatuen , die hier entdeckt wurden, wurden als Filitosa I, II etc. bezeichnet. Neben dem Eingang zu den Ausgrabungen liegt das Museum, das man auf dem Rückweg besichtigen kann.
Nach 75 m auf dem Weg zur Ausgrabungsstätte wurde rechts die Menhirstatue Filitosa V aufgestellt. Es ist die am besten bewaffnete von allen Menhirstatuen Korsikas. Sie trägt einen langen Speer und einen Dolch; auf der Rückseite sind Details zur Anatomie und zur Bekleidung zu erkennen. Das Oberteil des Kopfes scheint abgetrennt zu sein.
Eine auf einer Felsspitze errichtete Zyklopenmauer kennzeichnet den Eingang in das befestigte Oppidum. Verschiedene Anlagen sind zu erkennen, die von der Besiedelung einer megalithischen und später einer torreanischen Kultur zeugen. Zunächst betritt man das von den Torreanern errichtete östliche Wachplateau. Dabei handelt es sich um eine Aufschüttung zwischen zwei mächtigen Felsformationen. Eine Rampe führt zur Plattform hinauf. Die Felshöhlen auf der linken Seite zeugen von der ersten Besiedlung im Neolithikum vor etwa 8000 Jahren.
Mittleres Monument - Das auf einem runden Grundriss errichtete zentrale Bauwerk diente möglicherweise Kultzwecken. Die Torreaner haben 32 Menhirstatuen zerteilt und mit dem Gesicht zum Boden in die Mauer eingebaut. Einige aus der Mauer herausgenommene Menhirstatuen wurden vor dem Kulturdenkmal aufgestellt. Filitosa IX und Filitosa XIII sind Meisterwerke der megalithischen Kunst auf Korsika. Filitosa VI zeigt ein fast intaktes Gesicht.
Westliches Monument - Im Westen wurde auf megalithische Fundamente gebaut. Das torreanische Bauwerk diente wahrscheinlich religiösen Zwecken und bei Bedarf auch der Verteidigung. In der Mitte liegen zwei Räume, die man über Gänge erreicht.
Ein (etwas steiler) Weg nach unten führt in das grüne Tal, in dem fünf Menhirstatuen vom Ende des Megalithikums um einen alten Ölbaum aufgestellt wurden. Ein idyllisches Fleckchen, das eine ungewöhnliche Ruhe ausstrahlt.
Etwas weiter liegt der Steinbruch, aus dem die Menhirstatuen geschlagen wurden; einer der Felsen hat aufgrund seiner Form den Namen „Dinosauier" erhalten.
Torreanisches Dorf - Auf dem Rückweg rechts am Oppidum vorbei taucht das torreanische Dorf auf, dessen Hütten ebenfalls auf megalithischen Fundamenten errichtet wurden. In den unteren Schichten wurden Zeugnisse der ältesten Besiedlung aus dem keramischen Neolithikum (5850v.Chr) gefunden.
Das Museum - Im archäologischen Dokumentationszentrum sind Fundstücke der Ausgrabungen mit Erklärungen ausgestellt. Vor allem drei restaurierte Fragmente von Menhirstatuen sind bemerkenswert: links am Eingang das Oberteil der Scalsa-Murta (1400-l350v.Chr.), die vorne einen senkrechten Speer trägt und am Rücken einen Zickzackpanzer sowie einen Helm mit zwei Einbuchtungen; die These, dort seien Büffelhörner aufgesetzt worden, wird heute angezweifelt. Etwas welter steht die längs geteilte Fllltosa XII, von der der linke Arm zu sehen Ist; dahinter befindet sich Tappa II mit einer archaischen Kopfdarstellung.
Geheimnisvolle Frühgeschichte
Diese erste neolithische Siedlung auf Korsika geht auf das Jahr 6000v Chr zurück. Die Menschen, die hier lebten, jagten, sammelten und fischten, betrieben aber auch bereits Ackerbau und Viehzucht. Sie lebten friedlich in Felshöhlen und bauten Hütten auf Anhöhen. Im Winter trieben sie Vieh in die Küstenebene, im Sommer in die Berge. Sie webten und töpferten Ihre Toten bestatteten sie In natürlichen Grotten.
DIE MEGALITHKULTUR
Im Südwesten der Insel breitete sich gegen 3500 v.Chr. eine Kultur aus, deren Lebensweise sich nicht grundsatzlich vom Neolithikum unterschied;: die Toten wurden jedoch in mehr oder weniger ebenerdig eingelassene« Steinkisten beigesetzt und später in oberirdischen Dolmen aus behauenen Steinplatten. 2-4m große Stelen (Menhlre) wurden nebenden Grabstätten errichtet. Die ersten Steinreihen tauchten um 2000v.Chr. auf. Zwei Jahrhunderte später zeigte sich eine großer Entwicklungssprung: Der noch ungestaltete Menhir erhält menschliche Umrisse. Dieser anthropomorphe Menhir ist bereits mehr als eine Stele, jedoch noch keine Statut Der Kopf ist angedeutet und vom Rumpf abgesetzt, die Schultern sind zu erkennen und er hat die Größe eines Menschen. Die Welterentwicklung zur Statue markiert einen wichtigen künstlerischen Fortschritt: Das Gesicht ist nun deutlich modelliert mit Augen, Nase und Mund. Wiederum zwei Jahrhunderte später (etwa 1600v.Chr.) erfahren die Menhirstatuen (französisch: statues-menhirs) einen weiteren revolutionären Entwicklungsschritt: Sie weisen anatomisch exaktere Details auf (Wirbelsäule und Schulterblatt) und Waffen wie Dolch und Schwert werden deutlich hervorgehoben. Im Norden der Insel stellten die Menschen dagegen unbewaffnete Statuen mit breiten Schultern, abstehenden Ohren und oft einer Halskette auf.
DER MYTHOS VON DEN TORREANERN
Von 1600 bis 800 v.Chr. wurde der Süden Korsikas von einer neuen Kultur geprägt, die am Golf von Porto-Vecchio und im Westen in den Tälern der Flüsse Ortolo, Fiumicicolt, Rizzanese und Taravo Spuren hinterließ. Die wichtigsten Zeugnisse dieser Kultur sind die .Torren", runde Festungen aus 6 bis 8 m hohen Zyklopenmauern. Auf Sardinien finden sich ähnliche Bauwerke, die nuraghi.
Eine heute von Prähistorikern angezweifelte These lautet, dass die Shardanen, eines der sagenumwobenen und angriffslustigen Meervölker,Korsika 1400 und 1200v.Chr. überfielen und die Megalithkultur nach und nach in den Norden der Insel zurückdrängten. Die Burgen und Türme hatten die
Inselbewohner zu ihrer Verteidigung errichtet. Und sie betrieben Zauberei: Ihre bewaffneten Menhirstatuen stellten die von ihnen besiegten Feinde dar. Als die Shardanen schließlich als Sieger hervorgingen, zerstörten sie
die Menhire und bauten daraus ihre Tempel. Auf Korsika nennt man dieses Volk Torreaner und auf Sardinien Nuraghen. Eine andere These lautet, dass die Korsen ihre bisherigen religiösen Praktiken gegen neue tauschten, für die sie Rundbauten (tone) errichteten. Vieles der torreanlschen Kultur bleibt im Dunkeln, was den Statten einen besonderen Reiz verleiht.
aus: Broschüre zu Filitosa
Aufbruch: | 29.09.2018 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 06.10.2018 |