Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Zum zweiten Mal in die Versilia
Den Bergen ganz nah
Meine heutige Radtour startet inzwischen traditionell über Minazzana, Basati und die lange Abfahrt nach Ruosina, um den Verkehr in Seravezza zu vermeiden. Diesmal nehme ich die Abzweigung nach Pruno, einem noch höher gelegenen Ort als Stazzema, entscheide mich aber nach der zweiten Abzweigung anders. Ich fahre die Straße weiter, obwohl es kein Hinweisschild nach irgendwo gibt. Nach Castelnuova di Garfagnana sind es 33 Kilometer, da will ich zwar nicht hin, weil viel zu weit, aber es ist eine verheißungsvolle Richtung: In die Berge nämlich. Es ist auch gut machbar, wobei mich die kurze Fahrt durch einen kleinen Tunnel graust, der plötzlich vor mir auftaucht. Denn ich bin langsam, es ist dunkel und ich werde nicht gesehen (zurück ist es übrigens fast noch gruseliger, denn ich bin schnell, sehe im Dunkeln die Straße nicht, und werde natürlich auch nicht gesehen). Aber ich überlebe, und ein Ortsschild grüßt mich: Retignano. Darauf wird auf die Chiesa di San Pietro verwiesen, deren Anfänge ins 8. Jahrhundert zurückgehen. Das sollte mir doch einen Blick wert sein.
Leicht wird es mir nicht gemacht; die Straße windet sich durch diesen an den Berg geschmiegten Ort, und sie wird von Kurve zu Kurve steiler. Die Kirche ist zu, aber ich schaue mir den auch auf mehrere Terrassen angelegten Friedhof an. Und fahre alsdann noch höher. Das Campo sportivo – wie alle Sportplätze hier natürlich oberhalb des Ortes gelegen, was den Sportlern das Aufwärmen erspart – lockt mich, und ich habe das Gefühl, die Berge sind zum Greifen nah. Das sind sie natürlich nicht; dennoch ist die Kulisse beeindruckend. Nach diesem Programm fällt mir die Mädchenstrecke Servezza-Fabbiano doch etwas schwer. Zugegeben.
Modernes in altem Gemäuer
Am Abend flanieren wir durch Pietrasanta. Jetzt lässt sich also alles noch einmal bei Licht fotografieren; die Geschäfte sind geöffnet, der Dom ebenfalls, und in der Kirche San Agostino besichtigen wir die Ausstellung des uruguayischen Bildhauers Pablo Atchugarry. Es ist berührend, die modernen, abstrakten, aber unendlich filigran gefalteten Marmorstatuen zwischen der doch eher düsteren Sakralkunst zu sehen, und die Stimmung ist einzigartig feierlich. Ich halte meine Hände an die Figuren, und obwohl ich den Marmor nicht berühre, spüre ich deutlich seine Energie.
Kunst und Kommerz
Pietrasanta hat in etwa so viele Geschäfte wie Kunstgalerien, und beides zu besichtigen ist ein Erlebnis. Denn auch die extravagant eingerichteten Läden bieten interessante Details, die mich inspirieren, wie z. B. einen mit Schwemmholzstücken und alten Werkzeugteilen gerahmten Spiegel oder den mit Tüchern beklebten Stuhl. Kunst und Kommerz gehen hier Hand in Hand. Natürlich sind auch die Klamotten interessant, aber wirklich Schönes und Spannendes ist preislich nur den neureichen Russen vorbehalten; die meisten Sachen sind weniger verrückt als einfach nur eine Spur „troppo“: Ein Volant, eine Glitzerreihe oder ein Gewalle zu viel. Gut so – das fordert die Augen, schont aber den Geldbeutel.
Der nachmittags beschauliche Domplatz ist nun ein einziger Rummel: Straßenmusiker und -künstler treten auf, ein Verkäufer beleuchteter Luftballons lässt immer wieder Leuchtsachen mittels einer Schleuder in den Himmel steigen, und aus den umliegenden Bars tönt Musik. Wir empfinden es als anregend und berauschend. Klar – wir sind ausgeruht und entstresst!
Aufbruch: | 07.07.2019 |
Dauer: | 14 Tage |
Heimkehr: | 20.07.2019 |