Radreise in Zeiten von Corona
14.Tag Zingst - Warnemünde/Wilhelmshöhe 100 km
14.Tag Zingst - Warnemünde/Wilhelmshöhe (Stoltera)100 km
Am nächsten Morgen muss alles wieder sehr schnell gehen, denn schon kurz nach Sonnenaufgang kommen die ersten Badegäste und lassen ihre Vierbeiner ins Wasser. Ja, ich befinde mich hier Tatsächlich auf einem Areal für Hunde. Bei meiner Ankunft gestern, war ich völlig übermüdet und hatte das Schild "Hundestrand" glatt übersehen. Doch ich habe Glück. Keiner der Hundehalter sagt etwas, als ich meinen schweren Tross durch den Sandstrand hoch zum Radweg drücke. Mein Plan für heute: Ich fahre bis zum Ende der Einbahnstrecke über die Halbinsel, durch den Nationalpark Vorpommersche-Boddenlandschaft bis zum Vogelausguck Pramort und wieder zurück. Dann von hier weiter über den Deich in entgegengesetzte Richtung nach Prerow. Dort muss ich Lebensmittel und eventuell auch frisches Wasser fassen. OK, Auf geht's. Momentchen - erstmal einen leckeren schwarzen Kaffee trinken. Also rolle ich in der Früh nach Down Town Zingst hinein. Es ist gerade mal 6:30, doch es stehen bereits kleine Grüppchen an den Bäckerstuben. Wo ein jeder, ganz artig mit nötigem Abstand und Corona Maske im Gesicht, auf Eröffnung wartet...doch das ist mir zu viel Bodenpersonal, also fahre ich ein Stückchen weiter, bis ich fast am Ortsausgang von Zingst an eine, deutlich weniger frequentierte Bäckerei komme. Ich bestelle mir gleich einen großen Kaffee und ein Marzipanhörnchen. Fünfeurodreissig bitte sehr. Oh das ist nicht gerade billig denke ich mir nur. Doch die Qualität des Horns und des Kaffee, allerdings auch nicht - nicht meckern Junge! schließlich sitz ich dafür jetzt unterm Sonnenschirm, während die anderen Kunden sich innerhalb von Minuten, zu Höchstform angesammelt hatten und sich die Füße platt standen. Als ich fertig bin und meinen Schlitten drehe, - stehen mindestens 25 Leute vor dem Eingang der Bäckerei. Na denn mache ich mal einen Abflug - aber schnell! Und als ich zurück durch Zingst City rolle, traue ich meinen verschlafenen Augen kaum. Stehen doch mittlerweile mehrere fünfzig Meter Schlangen vor den Bäckereien im Zentrum des beliebten Urlauborts. Sowas habe ich vorher nirgendwo gesehen, noch nicht mal in Köln. Ne, ganz ehrlich nicht!
Auf dem Dünenradweg lässt es sich prima rollen und ich lasse sie baumeln, meine Seele und wie ich dies tue! Rechts von mir beginnt der sogenannte Osterwald. Zu meiner Linken, schaue ich über einen schmalen Waldstreifen hinweg zur Küste mit ihrem beinahe weißen Sandstrand. Das Wetter ist wieder sehr warm. Ich fahre ja auch durch die pralle Sonne. Der seichte Wind der mir entgegenweht, ist ein laues Lüftchen und verschafft kaum kühlende Abhilfe gegen die Schwüle. Am sogenannten Dreiländereck, setze ich mich auf eine Bank in den Schatten. Wie einen Colt, ziehe ich meine Wasserflasche aus dem Halfter am Fahrrad, setze diese an den Mund und lasse es laufen bis die 600ml komplett verschwunden sind. Ach wo ich gerade sitze, denke ich, kann ich gleich mal ein zweites Frühstück machen - so ein Hörnchen hält ja nicht ewig. Frisch gestärkt mit Tomaten und Salamibrot im Leib, fahre ich wieder los, um gleich ein paar hundert Meter weiter, an dem schönen Cafe & Biergarten, Sundische Wiese, warum auch immer das schattige Plätzchen so heißen mag, erneut einen Stopp einzulegen. Mein zweiter Kaffee ist jetzt fällig.
Ich gebe es besser gleich mal zu. Ok - ich bin alles andere als ein Vogelkundler und offen gestanden interessieren mich Beobachtungen vierbeiniger Tiere, wie Bären oder Wölfe beispielsweise, bedeutend mehr...Doch am Pramont auf den Ausguck gestiegen, bin ich schon überrascht von dem, was Ich hier lese - von den vielen Vogelarten, die ich hier sehen kann. Könnte ich, sehen besser gesagt, wenn ich die nötige Ruhe und Geduld hierfür mitbringen würde. Im Moment sehe ich nur einen großen Haufen Kraniche in die Lüfte steigen. Und, ja, ich glaube es sind Enten, diese aufgeregt schnatternd, das Gleiche tun. OK ihr merkt schon - ich bin ein Vogelbanause - seid mir nicht böse deswegen...
Eineinhalb Stunden später befinde ich mich am Supermarkt von Prerow. Ich habe ganz schön Gas gegeben und überholt was zu überholen galt, - bis hierher. Durchgeschwitzt und durstig stehe ich am Rewe Markt und sortiere meine Lebensmittel in die Karre. Ein aufmerksamer Radler sieht das mein hinteres Schutzblech lose ist. Ja stimmt das klappert tatsächlich schon eine Weile - danke dir. In Kürze ist das Blech wieder fest und ich ziehe lose weiter. Nach kurzer Orientierungsphase in der ich mehrere Passanten nach dem richtigen, dem "grünen Weg" durch den Darster Forst befrage, befinde ich mich nur kurze Zeit später, in diesem begehrten Stückchen Walde. Genug gerast über den Deich Weg in Eile, wird's nun Zeit, das ich verweile. So steig ich ab und schiebe eine Zeitlang durch den grünen Tann. Wie zuvor schon mal erwähnt - tue ich dies oft und gerne.
Leider ist auch im Wald heute "der Bär" los! Abgesehen davon, dass der ganze Nord-Osten Deutschlands in diesem Sommer - Corona bedingt - oh wie ich diesen Wort-Slang hasse, größtenteils gnadenlos überbucht - überlaufen - übergangen - überfüllt - überflüssig ist, so ist heute zu allem Überfluss auch noch Sonntag! Alles klar?!
Nachdem in den gut zwei Stunden meiner Schiebe Aktion, gefühlt, tausend Radler an mir vorbeigezogen oder entgegengekommen waren, hatte ich jetzt genug geduselt. Selbst hier in diesem nicht gerade kleinen Busch, wird es mir wegen der vielen Radler schliesslich zu eng . Ich sitze auf und trete die Flucht nach vorn an.
Ahrendshoop, Ostsee Bad Wustrow, Dierhagen. Mein Tacho zeigt mittlerweile 65 Kilometer. Seitdem ich im Walde wieder aufgesessen war. bin ich 23 Kilometer durch die Hitze gefahren. Ich habe schon viele Radfahrer überholen können, doch der Strom reißt einfach nicht ab - wo mochten die denn alle herkommen?! An einem Strandeinschnitt in Gral Müritz denn, stoppe ich abrupt meinen Zug. Kilometer 71 km zeugt mein Zähler - hab keinen Saft mehr in den Beinen - ist einfach zu heiß heute - ich brauche eine Pause. An einem Badehäuschen direkt am Strand steht die Türe offen. Ich luge hinein und was sehe ich denn da? Eine Brause! Das war eine für jedermann öffentliche Duschkabine. Welch ein Glück, denn die war leer. Jetzt muss es aber schnell gehen Klaus - volles Risiko. Mein Habitat muss draussen bleiben. Ok - Handtuch mitnehmen - mehr geht nicht. Türe auf und rein. Ich drehe das Wasserrad auf. Volle Pulle - uuaahhh ist dat kaaalt - aaaberrr guuut! Ich wasch, was das Zeuch hält. Kalt aber gut - lasse das kalte Nass laufen, übern Kopf und den Hals und meinen uaaahhh, Rücken und über mein geplagtes Gebein, dass muss jetzt sein. Das Ding geht aus. Also nochmal draufgedrückt - komm Wasserstrahl, erquicke mich noch einmal... dann noch schnell drüber wischen mit dem Handtuch - Hose drüber, das Shirt kann ich draußen anziehen. Und jetzt raus hier - hoffentlich ist noch alles da! OK, alles in Ordnung. Ohhh, die Dusche hat super gut getan - meine erste Dusche nach drei schwül heißen, völlig verschwitzten und vermückten Tagen!
Am Abend stehe ich nach 95 Kilometern an der Fähre für rüber nach Warnemünde. Es ist schon nach zehn. Kurz bevor die Fähre drüben wieder anlegt, frage ich zwei Radfahrer nach 'nem Plätzchen hier in der Gegend. "Da fährst du am besten... - ach komm, wir zeigen dir den Weg dorthin". Birgit und Bernd, heißen die freundlichen Warnemünder Das erfahre, so nebenher ich als sie mich durch das Hafen Gewirr in Richtung bringen. "Und dann Klaus, hält du dich ab dem Hotel Neptun, dessen Leuchtreklame kannst du gar nicht verfehlen, immer geradeaus. Dann kommst Du nach Wilhelmshöhe. Dort kannst du unbesorgt am zwar etwas steinigen Ufer, ohne Probleme dein Zelt aufstellen Klaus. Dankeschön für Eure Hilfe ihr beiden - dafür möchte ich Euch was schenken. Die ausgesprochen liebenswürdigen Radler staunen nicht schlecht, als ich ihnen einen kleines Festabzeichen aus dem Kölner Karneval entgegenhalte. Hier, zur Erinnerung - die sind aus der Sammlung meines Vaters Karl Lüttgen...
Es ist halb Zwölf. Hundemüde rolle ich auf einen großen Parkplatz. Mann wo ist denn nun dieses Wilhelmshöhe!? Dort drüben zwischen einigen geparkten Karossen, steht eine Gruppe Leute und feiern offensichtlich. Der Kofferraum des Autos steht auf. Dort stehen ein paar Männer und Frauen und trinken. Wo bitte ist denn hier die Wilhelmshöhe? Na das hätte ich mir auch sparen können. Es war eine Gruppe Moldawier, die kaum ein Wort Deutsch verstanden. "Komm - mittrinken". Oh nein danke - ich versuchs mal mit englisch, dann mit Polnisch. Kopfschütteln - "nix verstehen - aber du trinken komm"... Danke sage ich, aber ich muss weiter. Ich fahre durch den Wald - es ist Stock duster. Augen leuchten auf. Es sind die Augen eines Waschbären! Nachdem ich eine Viertelstunde durch die Irre, irre, komme ich wieder an meinem Ausgangspunkt zurück .So ein Mist verdammt, - wo bin ich denn hier!? Zwei Radfahrer nähern sich durchs Dunkel. Die beiden halten und zeigen in die Richtung, in die ich fahren soll. Nach ein paar hundert Metern endlich, die Erlösung. Ein Schild. Ostseeradweg. Zumindest stimmt die Richtung jetzt und siehe da, nach einem weiteren Kilometer höre ich das Meeresrauschen. Ich komme an einen Strandeinschnitt, höre Stimmen und steige vom Rad. Mittlerweile ist es längst nach Mitternacht. Als ich näher heranrolle, handelt es sich nur um eine Handvoll junger Leute mit Flasch Bier in der Hand. Schnell ein paar Worte gewechselt, stelle ich fest, dass die Jungs völlig harmlos sind. - "Ne, das ist hier kein Problem - hier sagt keiner was" bekomme ich zur Antwort als ich sie frage, ob man hier am Strand Zelten kann.
Ist mir jetzt auch egal - bin ziemlich geschafft für heute. Ich schiebe mein Gefährt noch etwa 70 Meter weiter und krieg kaum mehr was mit von den Jungs. Der Wind dreht günstig und weht die letzten Gesprächsfetzen in eine andere Richtung. Etwas wacklig, doch das ist mir ebenso egal, steht mein Innenwelt - nur zwanzig Meter vom steinigen Ufer entfernt im Sand. Ich wünsche eine Gute Nacht für heute...
Aufbruch: | 02.08.2020 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 18.08.2020 |