Radreise in Zeiten von Corona
6. Tag Prälank See - Zielow ca. 55 km
In dieser Dimension mit meiner Kamera kaum auf ein Bild zu kriegen: Naturdenkmal. Stileiche. Alter ca. 700 Jahre!
6. Tag Prälank See - Zielow ca. 55 km
Tatsächlich kommen am nächsten Morgen schon um kurz vor sechs, die ersten Badegäste über die Wiese gelaufen und tauchen nackend in die Fluten. Ich packe alles wieder in meinen Hänger und mache schnell das ich hier wegkomme. Nun rolle ich langsam an dem Idyllischen See entlang, bis ich kurze Zeit später hinter dem Dörfchen Prälank, am nördlichen Eingang des Müritz Nationalpark stehe. Feuer machen, geht hier gar nicht - aber ich brauche trotzdem einen Kaffee, sonst komme ich überhaupt nicht in die Gänge. Also halte ich meinen Zug an und schütte mir gleich die doppelte Portion braunes Pulver in meinen Edelstahlbecher und rühre die Brühe mit kaltem Wasser an - das geht auch. Jedenfalls merke ich gleich wie es zündet und meine Lebensgeister sich wieder regen. Heute will ich es ganz langsam angehen - mir Zeit lassen - runter kommen - mich gehen lassen... Auch wenn mancher Leser, mich für bekloppt erklärt. Wenn ich so unterwegs bin, dann steige ich hin und wieder immer mal gerne vom Rad und schiebe meine Fuhre. In dem Fall bietet sich hier der schöne Wald hervorragend dafür an. Begleitet vom Gehämmer einiger fleißiger Buntspechte und überdimensional großer Libellen und Schmetterlingen, spaziere ich mit einem power Riegel aus dem billigdiscounter in der Hand, durch den herrlich duftenden Pinienwald. Ruhe - dich habe ich gesucht - ich wollte schon immer mal durch den Müritz Nationalpark laufen. Nach gut vier Kilometern Wanderstrecke wird der Wald lichter und ich gleite heraus aus dem kühlen Tann in die pralle Sonne nach Langhagen rein, einer kleinen Siedlung, mit kaum mehr als zehn Häusern, mitten im Wald. Gleich am Ortseingang finde ich ein schattiges Plätzchen mit Bank, auf der ich nun erst einmal ausgiebig frühstücken werde.
Der letzte Rest der zweiten Italienischen Salami, mit der meine Frau Heidi, mich fürsorglich eingedeckt hatte, muss nun dran glauben. Und auch eine große Anzahl leckerer Tomaten Brote mit Salz und Pfeffer, ziehe ich mir rein. Frisches Brot vom Bäcker hatte ich mir gestern noch schnell in Templin besorgt. So eine Radtour, die macht hungrig! So sitze ich mit der Welt zufrieden auf der Bank und lasse es mir genüsslich schmecken. Das einzige was mich zwischendurch immer mal nervt, sind die Wespen, die unaufhörlich um mich kreisen und sich wie besessen auf meine Salami und Tomatenschnitten stürzen...Heidi hat mir erzählt, dass die lästigen Viecher an den herabgefallenen Früchten naschen, die durch den Gähr und Fäulnisprozess Alkohol produzieren und die Wespen deshalb so aggressiv macht. Klingt sehr plausibel.
Ich sitze wieder auf und fahre ein paar Kilometer weiter nach Kratzeburg. Dort rolle ich über die Badewiese zum Ufer des Käbelicksee, einem der Quellseen der Havel. Hier verschaffe ich mir Erholung im glasklaren Wasser dieses Bilderbuch See. Ich plansche herum und schwimme ein paar Züge, dann setze ich mich zum Trocknen auf eine Bank. Oh - wie gut das tut! Erfrischt geht es nur etwas weiter bis ich am Forstamt des Nationalparks erneut zum Stehen komme. Eine junge Rancherin steht dort vor der Eingangstür des alten Forsthauses. Ich will die Gelegenheit nutzen um sie nach ein paar Sehenswürdigkeiten zu befragen. " So viele Besucher hatten wir schon lange nicht mehr - eigentlich waren es noch nie so viele. Am besten ist, sie fahren den Aussichtsturm am Käflingsberg, entweder sehr früh am Morgen oder am späten Abend an - rate ich ihnen, denn die Besucherzahl ist in diesem Sommer wirklich sehr hoch! So wie die Feuergefahr! Sie wollen doch wohl hier nicht wild campen!?" Schaut die junge Frau etwas argwöhnisch auf meinen prall gefüllten Hänger. Nein, antworte ich - ganz bestimmt werde ich hier im Nationalpark nicht campen und Feuer machen schon gar nicht. Versichere ich der aufmerksamen Rancherin. Na gut. Sagt sie. " Ich sag das nicht umsonst. denn Immer wieder erwischen wir ein paar die's trotzdem machen und bitten die dann auch empfindlich zur Kasse!" Nein gebe ich ihr nochmals zu verstehen - Sie können sich darauf verlassen - ich mache das nicht.
Auf dem Café und Töpfer Hof in Granzin lege ich eine zweite Pause ein und genehmige mir ein großes Stück selbstgebackenen Apfelkuchen - der schmeckt hervorragend sage ich zur Wirtin und ziehe weiter mit dem Ziel Aussichtsturm am Käflingsberg, denn bis zum Sonnenuntergang möchte ich dann doch nicht warten.
Als ich am Fuß des Hügels ankomme, bin ich positiv überrascht, denn überfüllt geht anders. Ganze drei Fußgänger und zwei Radfahrer begegnen mir als ich mich den Stieg hinaufbegebe. Was sagte olaf,,, dem jahn - als der sich am col de... den Berg hoch quälte. Quäl dich du Sau... Ich schätze, dass heute, wegen der hohen Temperaturen, kaum jemand vorhat hier hoch zu fahren. Obwohl, oben angekommen, denke ich gleich. So schlimm ist es denn auch nicht. So, jetzt noch über die Stahltreppe den Turm hinauf. Von dort oben hat man wirklich einen grandiosen Überblick über die Seenlandschaft und den Nationalpark Müritz. Wirklich - es lohnt sich!
Gemächlich fahre ich über den Radweg, parallel zur Nationalparkstraße in Richtung Schwarzenberg weiter. Nur vereinzelt kommen mir Radfahrer entgegen und nur gelegentlich ein Auto - meist eines von der Nationalpark Behörde. Die angenehm kühle Luft und der Duft den die Kräuter und Blumen im Wald hier verströmen, wirken auf angenehme Weise beruhigend und lassen mich automatisch langsamer werden. Mit einem Male taucht sie dann auf. Wie aus dem Nichts. Ich bremse abrupt als ich sie sehe. Ehrfürchtig steige ich vom Rad und höre mich ganz leise flüstern "Unglaublich schön bist du." ganz langsam, so als wolle ich nicht stören, trete ich durch das Dickicht etwas näher heran - möchte mich verneigen und schau demütig an ihr hoch - allmächtiger - welch ein schöner Baum du bist! mehr Worte habe ich nicht. Was mag diese über Siebenhundertjahre alte Stileiche in ihrem Leben wohl schon alles gesehen haben!? Ich betrete einen Schrein - eine Kirche - Ich halte jetzt die Klappe und hole meine Kamera heraus...
Ich rolle weiter und gelange nach Speck. An der Dorfkirche halte ich Ausschau nach einem Friedhof. Mit den Toten scheinen es die Leute hier in der Gegend irgendwie etwas anders zu halten. Jedenfalls liegt auch dieser Friedhof, wie auch schon die vielen anderen Friedhöfe die ich um Wasser zu tanken, während meiner Tour bereits aufgesucht hatte, versteckt und ohne erkennbaren Hinweis, oftmals irgendwo am Waldrand außerhalb der Orte. Doch hier an der Kirche finde ich ein Schild mit einem Pfeil der in Richtung Wald zielt. Ich schiebe die mindestens 200 Jahre alte Gittertüre zur Seit und betrete den Ort der Stille. Durstig trinke ich fast einen Liter des sauberen Brunnenwassers, bevor ich meine Behältnisse fülle und mich dann auf die Suche nach der Linde mache, diese hier im Dorf irgendwo zu finden sei. Wieder an der Kirche angelangt werde ich schließlich fündig und mir stockt fast der Atem bei der Größe dieses Achthundertjahre alten, zauberhaften Lebewesen. Ja, ich betone hier ausdrücklich: Lebewesen. Mit Bildern, Waage ich zu behaupten, kann man solch ein Monument der Zeitgeschichte nicht wirklich nahebringen. Ich behaupte - man muss den Baum erfühlen, ihn anfassen und daran riechen. Und, das tue ich nun auch.
Während ich an den Baum gelehnt, in die Landschaft schaue, steigen zwei Junge Leute aus dem Auto. der Mann geht bis zur Absperrung an den Zaun, während sie mit ihrem kleinen Hündchen, ohne der Linde eines Blickes zu würdigen, an die Kirchenmauer zum pinkeln geht. Er macht mit seinem Smartphone dann ein Foto von dem dicken Baum. Dann steigen sie in ihr Auto und fahren weiter. Schöne neue Welt...
Im Örtchen Schwarzenhof, nur unweit von Speck entfernt, probiere ich es dann noch einmal. Nur so - mittlerweile nur noch aus einem na, sagen wir eher sportlichen Ehrgeiz heraus, frage ich im Nationalparkhotel Kranich Hof nach einem Zimmer für die Nacht. "Sie haben Glück lacht die Frau hinter dem Tresen. Nur noch eines unserer 31 Zimmer ist zufällig noch frei." Und der Preis? Frage ich, und gucke ihr dabei tief in die Augen. 95 Euro. Oh sage ich. "Na nehmen sie's ?" Ähmmmm - Nein gebe ich ihr zur Antwort, ich fahre weiter. "Na denn wünsche ich ihnen viel Glück" lacht sie, als ich rausgehe. Ne, sag ich draußen zu mir selbst - auch wenn ich dringend mal eine Matratze und vor allem mal wieder eine Dusche gebrauchen könnte - bei aller Liebe zum Bett, doch 95 Euronen - das ist mir viel zu teuer.
Ich fahre durch das Naturreservat vorbei am Specker See. Am Ansitz 1 mache ich halt und erkenne schon beim Betreten der Holzstufen die Exkremente von Waschbären. Von der kleinen Plattform hat man einen guten Blick über den See. Hier lassen sich sicherlich nicht nur Wasservögel gut beobachten. Ich schätze, dass sich hier neben den Waschbären auch einige Ornithologen des Öfteren einfinden. Nur ein paar Kilometer weiter kurz vor Boek, tut sich der Wald wieder auf und ich bekomme einen ersten guten Blick von der Aussichtsplattform Boeker Sender aus, auf die Müritz. Langsam wird es dunkel und wie jeden Abend suche ich nach einem geeigneten Schlafplatz. Ich verlasse den Nationalpark und komme nach Vipperow. Hier frage ich zwei Frauen die sich im Garten unterhalten, ob es ein Problem sei in Küstennähe einfach so zu zelten. "Wenn sie aus Vipperow wieder raus sind, dann wird alles sehr viel ruhiger und hinter Zielow, winkt die Frau lässig, da ist dann sooo viel offenes Gebiet mit Büschen und Wäldern, da stört es keinen, wenn sie sich dort für eine Nacht breit machen - das machen viele!" Gesagt getan. Eine halbe Stunde später, berührt die Sonne bereits fast den See und wird bald untergehen - befinde ich mich ein paar Kilometer hinter Zielow. Zwischen der See und mir, liegt ein etwa zweihundert Meter breiter Streifen Auenwald. Links von mir, große Feld und Ackerflächen und kein Mensch weit und breit zu sehen. Der Radweg ist sehr schmal und so wie Ausgangs des Dorfes auf dem Schild zu lesen war, für Autos gesperrt. Nur noch zwei Jugendliche sind mir, etwa einen Kilometer von hier entfernt, in Höhe des Campingplatzes entgegengekommen, sonst ist hier Niemand mehr - außer mir. Ich klaube mir ein paar Büschel Heu vom angrenzenden Ackerhain und verteile diese an meinem anvisierten Schlafplatz. Die letzten Sonnenfetzen legen sich auf den See, als ich dabei bin, mein Innenzelt aufzubauen. Dann warte ich ab bis sie fast schon untergegangen ist und verkrieche mich müde in mein Gehäuse. Als ich nach einer Minute noch einmal rausschaue, ob auch Niemand kommt, ist sie verschwunden. Nur noch das Abendrot leuchtet über den See - das war ein wahrlich ereignisreicher Tag heute. Gute Nacht, sag ich mal.
Aufbruch: | 02.08.2020 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 18.08.2020 |