"Das Grüne Band Deutschland" - ehemalige innerdeutsche Grenze
14.05.: Priwall/Boltenhagen/Wismar/Insel Poel
wer sich über das Datum wundert: 9.11.1989 war zwar das Datum der Maueröffnung, ABER in Priwall hat man sich bis 3.2.1990 dagegen verwehrt...
rosa..... nicht meine Lieblingsfarbe, aber wenn man nur noch grau sieht, kann man sich auch für ROSA begeistern
Inzwischen hinterlässt das Wetter deutliche Spuren. Ich beschließe, mich nicht darüber zu ärgern, sondern es cool zu finden - sieht aus, als wäre ich offroad gefahren.
Freitag, 14.05.: Start der Tour "Grünes Band" mit Grenzstein Nr. 1
Ich bin Frühaufsteherin, mein Cousin ist "Nochfrüheraufsteher" - sagte er mir gestern Abend zumindest ... 5 Uhr sei er immer wach. Nun ist es 6:20 - ich bin seit einer Stunde wach, erreiche ihn aber nicht, um ihm den Kaffee aus der French-Press-Kanne anbieten zu können. Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Sogar Handy ist auf Mailbox umgestellt.
Um 9 Uhr starten wir. Zunächst zur Halbinsel Priwall, die man nur per Fähre erreicht. Die Fähre fährt in kurzen Abständen, so dass man zeitlich ungebunden ist.
Das Wetter meint es nicht gut mit uns. Es bleibt GRAU, lediglich die Intensität des Regens wechselt - von Niesel bis Guss
Bei einem dieser etwas heftigeren Güsse stelle ich dann fest, dass mein low-budget Equipment dieser Belastung nicht standhält und irgendwann sind Handschuhe nass und auch die Stiefel und Socken. Na ja, denke ich mir, mit teurem Equipment kann jeder - also solange ich nicht erfriere... wer mit nassen Haaren vom Friseur auf die Straße geht, kann auch mit nassen Füßen auf dem Motorrad sitzen.
Die Regenintensität lässt uns zunächst bei einer Bäckerei anhalten, wo wir einen Cappuccino draußen - überdacht - genießen können. Als es dann langsamer regnet, machen wir uns auf, um den nördlichsten Punkt der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zu suchen.
Wir finden das alte Schild mit dem Hinweis zum FKK-Strand.... ich erinnere mich, dass ich las, dass DDR-Grenzbeamte vom Wachturm aus freie Sicht auf diesen hatten. Also muss doch irgendwo auch der Gedenkstein sein. Wir fahren bis Pötenitz, ohne ihn zu entdecken. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nun zwei oder drei Mal die Strecke abfuhren, bis wir auf ein sehr nettes Paar treffen, die uns genau erklären, wo wir den Gedenkstein finden.
Die Dame erzählt uns, sie sei hier aufgewachsen - also in der ehemaligen DDR. Die Mauer als solches sei schrecklich gewesen - direkt hinter ihrem Haus - und auf einmal konnten sie nicht mehr auf die Wiese gegenüber gehen zum Blumen pflücken...
Michael fragt die Dame, ob sie spontan etwas sagen könne, was sie als GUT in der DDR empfunden habe. Da bekommen wir so einiges zu hören:
Sie habe eine sehr schöne Kindheit gehabt.
Sie sei nie arbeitslos gewesen.
Keiner schaute, welches Auto der Nachbar hatte.
Zu Weihnachten gab es Orangen und Bananen und das sei etwas Besonderes gewesen, über das sich alle gefreut hätten.
Der Zusammenhalt der Menschen sei gut gewesen.
Einzigst die Reisefreiheit (vor Corona), die sich mit dem Fall der Mauer ergab, die begrüße sie sehr.
Nach der netten Unterhaltung finden wir dann auch endlich den Grenzstein und die Gedenktafel von Priwall.
Weiter geht es mit diversen Fotostopps, die Michael fast immer punktgenau dort einlegt, wo ich selber auch gerne fotografiere.
In Boltenhagen legen wir einen Fischbrötchen-Stopp ein.
Trotz anhaltender Feuchtigkeit von oben und weiterhin grauem Himmel gibt auch der Hafen von Boltenhagen ein paar hübsche Fotomotive her.
Die nasse Tour geht weiter nach Wismar.
Hier machen wir einen kurzen Spaziergang am Hafen und durch die Altstadt mit vielen typisch hanseatischen Häuserfassaden.
Eine Eisdiele ist geöffnet und wir ordern einen Cappuccino und ein Spaghettieis. Nach ca. 10 Minuten, in denen zwei junge Männer etwas panisch im Inneren der Eisdiele agierten, bekommt Michael einen kalten Kaffee - den er mit der Bemerkung in sich rein schüttet: "jetzt ist der so kalt, dass man ihn auf ex trinken kann" und mir wird ein Eisbecher offeriert, in dem das Eis bereits Breikonsistenz annimmt, mit einer Kirschpampensoße ... keinerlei Ähnlichkeiten mit dem allseits bekannten Spaghetti-Eis. ICH VERWEIGERE DIE NAHRUNGSAUFNAHME - und wer mich kennt, weiß: das ist eine absolute Ausnahmesituation. Anscheinend sehen die Möchtegernerfolgreichereisdielenverkäufersein-Herren uns das an.... wir dürfen ohne Bezahlung gehen ...
Den Verlust des Spaghetti-Eises kompensiere ich bei der nächsten Bäckerei mit einem Windbeutel - dank Corona-Maßnahmen ist dies mit einer Herausforderung versehen - essen auf der Hand in der Fußgängerzone bei Gegenwind. Michael bekommt noch einen heißen Cappuccino und dann besteigen wir die weiße Göttin wieder - die inzwischen ganz schön "dirty" geworden ist.
Unser nächster Halt ist die Insel Poel. Vermutlich aufgrund des Wetters ist hier NICHTS los, aber ein Schild mit dem Hinweis auf Tageskurkarte in Höhe von 2,50 €, Automaten zum Geld abheben und zum Geld wechseln ... das lässt tief blicken...
Erneuter Regen - und wir beschließen, den Rückweg anzutreten... hm.. nein, anzuFAHREN
Kurz vor Lübeck sehen wir dann eines dieser Schilder:
"Hier waren Deutschland und Europa bis zum 09. November 1989 um 22:30 Uhr geteilt."
Und an dieser Stelle führt auch ein ehemaliger Patrouillenweg in den Wald.
Leider gibt es keinen durchgehenden Weg unmittelbar entlang der Linie des Grünen Bands mehr. Der ehemalige Kolonnenweg als Patrouillenweg ist nicht mehr ununterbrochen erhalten.
Zurück in der Unterkunft bin ich dann doch recht durchgefroren und beschließe mich unter einer heißen Dusche aufzuwärmen. Hm... heiß, ja funktioniert so gerade eben, aber die Intensität des Wasserdrucks ist nicht annähernd so stark wie die des Regens, den ich heute draußen abbekommen habe.
Unser heutiges Abendessen lassen wir uns liefern:
Istanbul Döner Haus Ratekau, Tel. 04504-2139663
Pizza war o.k. - Döner-Salat sehr lecker und für 6 € eine Menge, die ich gar nicht bewältige...
Michael meint, das läge vermutlich an dem Windbeutel
Aufbruch: | 12.05.2021 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 24.06.2021 |