Die arabische Welt für Einsteiger
Meine Mitbewohnerin
Meine Mitbewohnerin ist in mancher Hinsicht ein wenig speziell....
Sie heißt S., ist knapp 28 Jahre alt und kommt aus dem Jemen.
Sie ist geschieden und hat zwei Kinder, zwei Mädchen im Alter von 8 Jahren und das andere ist 3 oder 4. Die Kinder leben beim Vater, weil S. die Scheidung wollte. Und sie wollte die Scheidung, weil sie nicht damit einverstanden war, dass sich ihr Ehemann eine zweite Ehefrau genommen hat.
Soweit ich informiert bin, müssen die Männer ihre erste Ehefrau fragen, ob sie mit einer zweiten Ehefrau einverstanden wäre. Sagt sie "nein", kann der Mann entweder von seiner Absicht ablassen, öfter kommt wohl jedoch vor, dass das "nein" gar nicht zählt. Der ersten Ehefrau bleibt dann aber das Recht zur Scheidung.
Schon vor der Scheidung suchte sich S., die vorher treue Ehefrau war, einen "boyfriend". Dieser ist auch verheiratet und hat Kinder, ist bestimmt wenigstens 10 Jahre älter als sie und arbeitet für den Sheiykh.
Nach der Scheidung ging sie mit ihrem boyfriend aus, traf Freunde, hatte Spaß und war wohl mit ihm sehr oft unterwegs und genoss das Leben. Sie heirateten, heimlich - und das schöne Leben hörte für sie auf. Er wollte nun nicht mehr, dass sie ausging und Freunde traf. Er führte sie nicht mehr in Restaurants aus oder ging mit ihr in der Öffentlichkeit eine Shisha rauchen. Stattdessen sollte sie bei sich zu Hause warten, bis er anrief oder zu ihr kam.
Ich glaube, seine Frau fand heraus, dass er jemanden neben ihr hat. Sie drohte mit der Scheidung, doch er konnte sie mit Geschenken, wie beispielsweise einem BMW, und der Beteuerung, er hätte sich von Salwa getrennt, besänftigen. Nun musste er noch vorsichtiger sein, was auch S.'s Leben mehr einschränkte. Auch wurde sie eifersüchtig, weil er mehr Zeit mit seiner ersten Ehefrau verbrachte als mit ihr, und dieser immer Geschenke machte, während er ihr immer weniger Geld geben konnte.
Quasi vom ersten Tag meines Einzugs an, erzählte sie mir von ihren Männergeschichten. Vorherrschender Tenor war, dass sie alle Männer hassen würde, denn sie seien alle schlecht. Sie streitet sich oft mit ihrem jetzigen Ehemann. Mal ist sie traurig, weil sie ihn doch lieben würde, mal eher ärgerlich, weil sie nur an seinem Geld interessiert wäre. Etwas undurchsichtig, das Ganze... .
Schon bald weihte sie mich ein, dass sie von ihm schwanger war. Doch anstatt dass er sich freute, verlangte er von ihr, das Baby abtreiben zu lassen. Das machte ihre Beziehung zueinander nicht besser, da sie sich das Kind gewünscht hatte und er ihr vorher nicht gesagt hatte, dass er keine Kinder mehr haben wolle.
Streitereien, viele Telefonate - und dazwischen aber auch immer nächtliche Besuche, deren Ausgang ich "erfreulicherweise" öfter mal mithören kann.......
Ein Abend kam ich noch Hause, wir unterhielten uns - und aus heiterem Himmel sagte sie, dass sie nun singen werde und ich müsste doch bitte einmal ihre Stimme beurteilen. Sie begann zu singen, ein Lied von einer Sängerin, die noch in der ursprünglichen Sprache singt - natürlich von Liebe und alles, was an Freud und Leid dazu gehört, mit den, für arabische Musik oft typischen Lauten und ahaha's.
Sie sang nicht schlecht, aber auch nicht schön, um ehrlich zu sein. Aber ich sagte ihr natürlich, sie hätte schön gesungen und eine außergewöhnliche Stimme, weil sie so tief ist. Das machte sie glücklich, und ich dachte, ich hätte meine gute Tat für heute getan.
Doch dann sprang sie auf, schnappte sich ihren Bauchtanz-Pailetten-Gürtel und verkündete, sie müsse einmal am Tag tanzen. Gesagt, getan: der Gürtel (ich nenn das jetzt einfach mal so, weil ich die richtige Bezeichnung dafür nicht kenne) wurde umgetan und passende Musik eingestellt. Ich lehnte dankend ihre Aufforderung ab, dass ich doch mittanzen solle , und schon ging es los.
Bellydancing finde ich faszinierend, denn dazu gehört eine unglaubliche Körperbeherrschung. Ihr Hintern wackelte, ohne dass sie groß was tat, ihren Bauch bewegte sie in, ich sag mal, schlangenhaften Bewegungen...warum das Frauen aus manchen Ländern so leicht fällt und Frauen aus anderen Ländern irgendwie nicht diese Gabe haben, ist mir unerklärlich.
Aber S. brach ihren Tanz schon bald ab. Sonst gar nicht schüchtern, fühlte sie sich nun vor mir so. Ich hatte nicht wirklich was dagegen, denn so als einziges Publikum kam auch ich mir komisch vor
Ich bekam dann noch eine Rückenmassage verpasst, und wurde wenig später entlassen, um schlafen gehen zu können....
Das ist meine Mitbewohnerin...
Aufbruch: | 27.04.2006 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 14.12.2006 |
Al Ain
Ägypten