On Tour auf MADAGASKAR
Im Land der Viren
Toamasina,
Mittwoch/Donnerstag, 10./11. Mai 2006
Willkommen im Lande der Viren. Noch vor kurzer Zeit hörte man schauerliche Geschichten von Dengue Epidemien und Chikungunya-Viren, die die ganze Ostküste befallen hätten samt der gesamten Einwohnerschaft Toamasinas oder Tamataves, wie die größte Stadt an der Ostküste, die zweigrößte Madagaskars, früher hieß. Aber Rija und andere beruhigten mich, das Schlimmste wäre überstanden und die Situation hätte sich verbessert, also ändere ich meinen Plan nicht und lasse mich nach der Andasibe Nationalpark Besichtigung von Naivo weiter Richtung Osten fahren.
Ob das wirklich eine gute Idee ist weiß ich nicht. Nicht wegen der eventuell noch verbliebenen Viren. Sondern wegen des niederschmetternden Eindrucks, den Toamasina auf mich macht. In den Außenbezirken sieht es noch so aus wie in anderen Städten, im Stadtzentrum aber sehe ich verfallene oder rußgeschwärzte Häuser, in denen die Menschen leben, Schutt, Müll, wohin man blickt. Der Markt wird in während der politischen Unruhen vor wenigen Jahren niedergebrannten Hallen abgehalten, innen ist es am Nachmittag fast stockfinster. Auch die Strandpromenade und der Strand bieten kein besseres Bild, die Grünflächen sind völlig zugemüllt. Aber ich will nicht ungerecht sein. Natürlich tut auch das feuchtheiße Klima ein Übriges, der salzhaltige Wind und Zyklone, die Toamasina und die Ostküste besonders häufig heimsuchen.
Auf die Idee, mich im Meer etwas abzukühlen, komme ich erst gar nicht. Ist auch besser so, ich wäre nicht der Erste, der selbst im seichten Wasser unschöne Begegnungen mit Haien hätte.
Es passt heute einfach alles. Das Wetter wird schlechter, der Himmel bewölkt sich, und es beginnt zu regnen. Nach Einbruch der Dämmerung ist es schnell stockfinster auf den Straßen, Straßenbeleuchtung Fehlanzeige. Bei meiner Rückkehr von meinem nachmittäglichen Stadtrundgang stelle ich fest, dass sich mein Hotel, das sich innen und außen in das Erscheinungsbild der Stadt nahtlos einfügt, mitten im Nuttenviertel befindet. Toamasina ist ja die größte Hafenstadt Madagaskars, und da sind Matrosen und leichte Mädchen offensichtlich nicht weit. Zumindest stehen eine Reihe von Damen am Straßenrand, allerdings gut getarnt, da sie ebenso schwarz sind wie ihre Umgebung.
Auch um die Nachtruhe ist es schlecht bestellt. Die beiden Discos befinden sich nur einen Steinwurf entfernt und buhlen bis spät in die Nacht um die leistungsfähigste Verstärkeranlage.
Den nächsten Tag beginnen Naivo und ich im "Salon de The Saify" an der Rue Joffre mit einem guten Frühstück. Danach werde ich zum Millionär. Ich hatte Geldwechselabsichten geäußert, Naivo hatte sich im Cafe erkundigt und kurze Zeit später halten wir am Bordstein, ein arabisch aussehender Mann tritt an den Wagen, sagt nur "deux mille six cent - combien?", ich sage betont cool und lässig, so wie ich es in unzähligen Agentenfilmen gesehen habe: "Quatre Cent", zeige acht 50-Euro-Scheine, er zählt 1.040.000 Ariary ab und schon wechseln Euro und Ariary den Besitzer. So schnell kann das gehen mit den Millionen. Der Schwarzmarktkurs liegt bei 2.600 Ariary. Später in der Bank bekomme ich 2.625 Ariary, aber der Euro steigt in diesen Tagen ja auch täglich.
Gegen 9.30 Uhr fahren wir zum Parque Ivoloina, im LonelyPlanet und Bradt Guide als sehr gut geführter, privater Tierpark empfohlen. Das stimmt auch, er liegt inmitten einer schönen Anlage mit einem See. In Käfigen und Gehegen ist die heimische Tierwelt zu sehen. Viele Lemuren turnen aber auch frei auf dem Gelände herum und denken gar nicht daran, abzuhauen, solange sie hier ständig mit Futter versorgt werden. Manche sind zahm und neugierig und kommen sogar auf die Schulter, wenn sie etwas Leckeres zu essen erspähen.
In Erinnerung wird mir an diesem Ausflug aber nicht nur der Park mit seinen Tieren bleiben. Auch wenn er nur 12 Kilometer außerhalb der Stadt liegt, wie könnte es in Madagaskar auch anders sein, der Weg dorthin ist mühsam und mit unserem noch gut in Schuss befindlichen Peugeot kaum zu schaffen. Denn abseits der Hauptstraße sind noch etwa drei Kilometer, nach den gestrigen Regengüssen aufgeweichte Holperstrecke zu überwinden. Es geht im Schritttempo, manchmal noch langsamer voran. Hier wäre ein 4x4 angebracht. Gesäumt wird die Strecke von armseligen Bretterbuden und Hütten. Vor fast jeder sitzt die dort hausende Familie und klopft Steine klein, für den Straßenbau. Auch Kinder, manche kaum fünf Jahre alt, leisten ihren Beitrag. An Schule können sie sicherlich keinen Gedanken verschwenden.
Den Nachmittag verbringe ich mit Schlendern durch die Straßen und Abhängen in Straßencafes. Abends gönne ich mir dann eines der besten Restaurants der Stadt, das "Bateau d'Ivre". Die Einrichtung ist gepflegt, die Bedienung sehr zuvorkommend, das Essen lecker, die Preise moderat, das Publikum fast ausschließlich weißer Hautfarbe, die Live-Band entsetzlich.
Aufbruch: | 28.04.2006 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 23.05.2006 |