Grönland / Island - Wo Europa wild wird

Reisezeit: August 2005  |  von Markus Keune

21.08. Eldhraun Lavafeld - Hverfisfljót Tal

Langsam gehen unsere Vorräte zu Ende und die Kost wird zunehmend einseitiger. Die Zelte werden mal wieder im Regen abgebaut, dafür treibt uns später bei der anstrengenden Wanderung die Sonne wieder den Schweiß auf die Stirn. Das Wetter ist heute wechselhafter als an jedem vorherigen Tag. Dabei ergeben sich einige beeindruckende Landschaftsbilder. Vor uns strahlend blauer Himmel, lange Schatten werden von der Sonne geworfen, es scheint wie das blühende Leben. Doch wehe, man dreht sich um. Dort sieht man eine Schlechtwetterfront aufziehen, die sich gewaschen hat. Die Berge in dunkel diffuses Dämmerlicht getaucht. Das satte grün wie ausgestorben.
Bald erreicht uns auch diese Schlechtwetterfront und es beginnt zu Hageln, doch ebenso schnell, wie der Spuk gekommen ist, ist er auch wieder vorbei und wir haben teilweise strahlend blauen Himmel in allen Himmelsrichtungen. Kaum zu glauben.

Dalsfjall, ein Berg voller Wasserfälle

Dalsfjall, ein Berg voller Wasserfälle

Später geht es dann aber doch noch einmal querfeldein, aber über eine einfache Wiese, wo man auch besser vorankommt. Wir stoßen wieder auf unsere vorgesehene Route und bekommen zumindest noch einen großen Wasserfall und unzählig viele kleine Wasserfälle zu sehen. Der gesamte Berghang ist voll von Wasserfällen. Wahrscheinlich handelt es sich bei den meisten Bächen normalerweise um kleine Rinnsäle, die überhaupt nicht auffallen, aber durch den vielen Regen der vergangenen Tage dann zu größeren Bächen angestiegen sind.
"Möchte noch jemand ein Stück Schokolade?" Wie werden mir diese Worte in den nächsten Tagen fehlen. Natürlich möchte ich noch ein Stück. Wir haben uns mal wieder zu einer längeren Pause niedergelassen. Wie jeden Mittag.

Wasserfall des Hverfisfljót Fluss

Wasserfall des Hverfisfljót Fluss

Zu unserer Linken geht es ziemlich steil bergab und wenn man ein Stück weitergeht und zurückschaut, sieht man auch, dass wir praktisch auf einem kleinen Überhang gestanden haben. Was für große Gewalten doch hier am Werk gewesen sein müssen. Das Wasser hat hier einen Teil der Ebene einfach abgebrochen und mitgerissen. Zurück bleibt nur eine scharfe Kante in der Landschaft.

Mittagspause an einer steilen Kante am Hverfisfljót Fluss

Mittagspause an einer steilen Kante am Hverfisfljót Fluss

"Papa, wie weit ist es denn noch?" Väter werden diese Frage sicher oft genug von ihren Kleinen zu hören bekommen. Heute ist auch Papa Ívar an der Reihe, auf diese Frage eine diplomatische Antwort zu finden. "Nur noch 20 Minute bis zur Straße". Ok, also noch eine Stunde.
Man sieht das Flussdelta schon vor sich ausgebreitet liegen. Rechts und links öffnen sich die Berge, in der Ferne kann man eine Überlandleitung sehen, wo auch irgendwo die Straße verlaufen muss, doch man kommt einfach nicht näher. Schwarze Sandstrände, schilfartige Pflanzen, die Kreise im Sand gemalt haben (ihre Blätterspitzen berühren den Sand und wurden vom Wind kreisförmig um die Pflanzen bewegt), mehrere kleine Bachdurchquerungen, anhalten, Fotos machen, Möwen hoch am Himmel kreisen sehen, die uns auszulachen scheinen, ein Regenbogen am Horizont, wo wohl gerade wieder eine Wasserlawine niedergeht - doch die Straße scheint unverändert fern zu sein.

Basaltsäulen

Basaltsäulen

Irgendwann kann man sogar ein paar Autos vorbeifahren sehen und als wir endlich die Straße erreichen, sind wir echt froh, dass wir die letzten 3 Kilometer zur Núpar Farm mit unserem Gepäck-Pickup gebracht werden. Die Farm gehört der Familie unseres Gepäckfahrers, von dem ich nicht einmal den Namen kenne. Vielleicht liest ja noch jemand meiner ehemals Mitleidenden - äh, ich meine Mitreisenden - den Bericht und kann mich in diesem Punkt aufklären.

schlechteres Wetter an der Atlantikküste

schlechteres Wetter an der Atlantikküste

Jedenfalls hat er uns eingeladen, in seiner Küche das Abendessen vorzubereiten und einzunehmen. Einen gepolsterten Stuhl mit Lehne ziehe ich dem Klappstuhl im Küchenzelt zwar vor und es war sicher sehr lieb gemeint, aber wirklich mehr Platz haben wir hier auch nicht. Ihr könnt ja mal versuchen, bei euch zu Hause 12 Mann an einen Tisch in der Küche zu bekommen.
- Ihr schafft das??? Wann dürfen wir vorbeikommen?

Geschlafen wird auf der Wiese neben dem Haus, wo bereits alle Zelte aufgebaut sind und in jedem ein kleines Leckerli mit persönlichem Gruß auf uns wartet: "Hjartanlega Velkominn Markus" (Herzlich Willkommen Markus).
Danke an Christine, Evelyn und Annette, die heute nicht mitgewandert sind.

Übernachtung: Zelten neben der Núpar Farm
Bewertung der Lage: sehr gut

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Viele sehen in Grönland nur Eis. Da muss es doch unglaublich kalt sein. Es stimmt zwar, dass der Sommer hier nicht ganz mit dem Mitteleuropäischen konkurrieren kann, aber dass man da außer Schnee nichts sehen könnte, mit dem Vorurteil wollte ich endlich aufräumen. In Grönland waren wir an verschiedenen Stellen Zelten und haben uns dazwischen per Boot durch die bizarre Welt der Eisberge gekämpft. Anschließend sind wir auf Island über diverse Lavafelder gekraxelt. Ein aufregendes Erlebnis!
Details:
Aufbruch: 09.08.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 28.08.2005
Reiseziele: Grönland
Island
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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