Grönland / Island - Wo Europa wild wird

Reisezeit: August 2005  |  von Markus Keune

16.08. Reykjadalir-Tal - Hveragerði

Das Frühstück geht heute etwas schneller als am ersten Morgen in Island, wo wir schon einmal in dieser Pension genächtigt haben. Ich bin ja lernfähig und kann deshalb nun mit dem Toaster umgehen und mein Wissen auch weiter geben. Ist aber auch irgendwie ein blödes Teil.
Nach dem Frühstück werden wir von einem kleinen Shuttlebus abgeholt. Leider gießt es heute wie aus Eimern. Wir hoffen, dass es etwas weiter im Landesinnern besseres Wetter hat, aber so richtig optimistisch ist eigentlich keiner.

Reykjavík

Reykjavík

Schnell lassen wir Reykjavík hinter uns und folgen der Warmwasserleitung, die 82° heißes Wasser aus natürlichen Quellen in die 35km entfernte Stadt transportiert. Die Leitung ist so gut isoliert, dass das Wasser mit beachtlichen 81° in der Hauptstadt ankommt!
Da das Wetter absolut keine Anstalten macht, auch nur im Entferntesten besser zu werden, kürzen wir spontan das heutige Tagesprogramm etwas ab. Wir wenden mitten auf der Landstraße, was aufgrund des geringen Verkehrs ohne weiteres möglich ist, bleiben aber fast im Straßengraben stecken.
An der nächsten Abzweigung verlassen wir die geteerte Straße und folgen einem Schotterweg mit sehr tiefen Pfützen. Der Kleinbus schaukelt ganz schön. Sehr beruhigend ist auch die Aussage, dass der Wagen keinen Vierradantrieb hat. Aber das ist dem Fahrer egal. Ist ja nicht sein Wagen. Also mir wäre es an seiner Stelle nicht egal. Immerhin muss er ja auch zum Feierabend zurück in die Stadt kommen.
Als nächstes folgt auch noch eine Bachdurchquerung. Obwohl wir doch relativ hoch sitzen, zieht jeder seine Füße ein und hebt jegliches auf dem Boden verteiltes Gepäckstück hoch. Sicher ist sicher. Am gegenüberliegenden Ufer hat der Kleinbus schon ein wenig kämpfen, aber wir haben noch genügend Schwung und packen den Berg.

Der Kleinbus, der uns hier mitten in der Wildnis ausgesetzt hat.

Der Kleinbus, der uns hier mitten in der Wildnis ausgesetzt hat.

Mitten in der Wildnis werden wir abgesetzt und sehen uns diverse Löcher im Boden an, aus denen Qualm aufsteigt. Überall riecht es nach Schwefel, zischt und brodelt es. Insgesamt eine ziemlich feuchte Angelegenheit. Regen von oben, der den weichen Boden in ein Schlammparadies verwandelt, auf dem es sich herrlich rutschen lässt (autsch), heißer Wasserdampf von unten, so dass wir Brillenträger mal wieder völlig eingenebelt werden und von der Schönheit eigentlich nicht viel mitbekommen.
Dabei muss dieser Landstrich äußert sehenswert sein, wenn wir nur besseres Wetter hätten. Der schwarze Boden, zum Teil grün bewachsen, aus jedem Hügel raucht es, dann wieder schöne grüne Hochebenen und ein kleiner Fluss, dem wir folgen, der immer wieder über kleinere und größere Wasserfälle fließt. Rechts und links strömen von den Hügeln weitere Bäche zu und bei jeder Überquerung wird gefühlt: Heiß- oder Kaltwasser?

überall zischt und brodelt es

überall zischt und brodelt es

In einer kleinen Hütte machen wir Mittag. Es gibt sogar Suppe, die nur noch mit heißem Wasser aufgegossen werden muss, aber wie so immer im Leben, erwischt man genau die Thermoskanne mit dem Kaffee statt Wasser.
In der Hütte könnte man zur Not auch übernachten, was mir gar nicht mal ungelegen käme, denn der Regen ist heute wirklich hartnäckig, aber unser Gepäck wurde ja schon zum vorgesehenen Zeltplatz gebracht. Wenn doch nur schon die Zelte stehen würden. Jetzt heißt es aber erstmal wieder hinein in die noch immer triefnassen Klamotten und weiterwandern. "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung" Was für ein dämlicher Spruch. Wir sind optimal für Regen gekleidet, aber es ist trotzdem sehr unangenehm zu laufen, geschweige denn irgendetwas von der Landschaft zu sehen.

Reykjadalir-Tal

Reykjadalir-Tal

Endlich erreichen wir die Straße, der wir nun in den Ort Hveragerði folgen. Ívar wird von einem der vorbeifahrenden Autos mitgenommen und kümmert sich mit einigen aus unserer Gruppe um den Zeltaufbau. Mein Traum scheint in Erfüllung zu gehen. Uns übrigen erklärt er in knappen Worten, wie wir zum Zeltplatz finden. "Ins Dorf, dann zum Schwimmbad links und an den Gewächshäusern rechts". Klingt doch einfach, oder?
Problem 1: Ins Dorf - heißt das jetzt Ortskern? Dieses Nest teilt sich irgendwie in mehrere Teile auf. Problem 2: um zum Schwimmbad zu kommen, muss man zweimal links abbiegen. Sind wir hier richtig? Problem 3: habt ihr eine Vorstellung davon, wie viele Gewächshäuser in einem isländischen Ort verteilt stehen? Problem 4: es regnet noch immer und mir vergeht langsam echt die Lust.
Nachdem wir jeden Winkel des Ortes abgesucht haben und mit verschiedenen Leuten gesprochen haben, die uns alle in andere Richtungen geschickt haben, erreichen wir doch noch unseren Zeltplatz, doch leider stehen fast noch keine Zelte. Was haben die die ganze Zeit gemacht?
Ein Blick ins Küchenzelt verrät es: auf Island benutzen wir andere Zelte als in Grönland, wo wir an Gepäck sparen mussten. Nur diese Superhightechzelte sind unglaublich schwer aufzubauen und das Außenzelt kommt separat über das Innenzelt. Da aber das Innenzelt nicht nass werden sollte, werden die Zelte im engen Küchenzelt zusammengebaut. Was für eine aufwendige Prozedur.

Ich denke, jetzt haben wir uns ein Besuch im Freibad redlich verdient. Anders als in Deutschland, wo das Wasser angewärmt werden muss, damit man sich im Becken wohl fühlt, muss es hier stark heruntergekühlt werden. Eine Mitarbeiterin kontrolliert alle paar Minuten die Temperatur. Bei uns hätte das sicher schon Kollege Computer übernommen, aber hier laufen die Uhren halt noch anders.

Zuerst wärmen wir uns im 40° heißen Becken auf, das sogar über einen Massagestrahl verfügt, der aber überraschend kräftig ist, wie uns Thomas mit einem gekonnten Urwaldschrei wissen lässt.
Auf die Dauer ist das 40° Becken allerdings schon ein wenig zu heiß, so dass wir rüber ins 38° Becken wechseln. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel die 2° weniger doch ausmachen.
Nachher gesellt sich auch Ívar zu uns und irgendwie kommt das Gespräch auf das Thema Präsenz im Internet. Ich hatte vor Abflug die Namen der Mitreisenden bei Google eingegeben, um zu sehen, ob ich schon etwas über diese Leute in Erfahrung bringen kann. Leider habe ich dabei Ívar ausgelassen, obwohl sich gerade das überaus gelohnt hätte. Er hält zur Zeit den Rekord in der Besteigung des Hvannadalshnúkur, dem mit 2119m höchsten Berg Islands. Und wir haben die Ehre, von ihm bekocht zu werden.

"Trinken wir aus und gehen heim" meint dann Thomas, denn es wird Zeit, zum Abendessen rüber in unsere Tropfsteinhöhle zu gehen. "Im Zelt ist es genauso nass, nur nicht so warm". Eine wunderschöne Voraussage. Wir duschen, trocknen uns ab und machen uns auf dem Heimweg, wobei wir noch durchnässter ankommen. Warum haben wir uns überhaupt abgetrocknet?

Übernachtung: Zelten in der Ortschaft Hveragerði
Bewertung der Lage: naja, wir zelten in einer Ortschaft. Irgendwo mitten in der Natur wäre mir lieber gewesen, im Ort könnte man auch in eine Pension gehen.

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Viele sehen in Grönland nur Eis. Da muss es doch unglaublich kalt sein. Es stimmt zwar, dass der Sommer hier nicht ganz mit dem Mitteleuropäischen konkurrieren kann, aber dass man da außer Schnee nichts sehen könnte, mit dem Vorurteil wollte ich endlich aufräumen. In Grönland waren wir an verschiedenen Stellen Zelten und haben uns dazwischen per Boot durch die bizarre Welt der Eisberge gekämpft. Anschließend sind wir auf Island über diverse Lavafelder gekraxelt. Ein aufregendes Erlebnis!
Details:
Aufbruch: 09.08.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 28.08.2005
Reiseziele: Grönland
Island
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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