Grönland / Island - Wo Europa wild wird

Reisezeit: August 2005  |  von Markus Keune

17.08. Vík - Fjaðrá Canyon - Eintúnaháls Farm

Sonne! Und diesmal ist es keine Illusion, es scheint wirklich die Sonne. Die Nacht haben wir auf einem offiziellen Campingplatz im Ort Hveragerði verbracht. Irgendwo in der Wildnis wäre es mir lieber gewesen, aber das hat wohl logistische Gründe, denn gleich wird der Überlandbus 12 von Reykjavík nach Hofn extra für uns einen Umweg fahren und uns hier abholen. Die Gesellschaft, für die Ívar arbeitet, ist der größte Kunde des Busunternehmens und wo der Kunde König ist, wird auch mal ein unplanmäßiger Zwischenstopp eingelegt. Das scheint dem Fahrer allerdings nicht so sehr zu gefallen, wie sein Gesichtsausdruck verrät, als er unsere Gepäcklawine sieht. Von den übrigen Fahrgästen ernten wir nur neugierige Blicke. Obwohl es anfangs nicht so aussieht, geht aber dennoch unser gesamtes Gepäck in den Bus und jeder von uns kann sogar einen Sitzplatz ergattern. Unvorstellbar, was wäre, wenn gerade heute noch eine Gruppe auf die Idee käme, mit dem Bus zu reisen?

Landschaft auf Island

Landschaft auf Island

Heute sehen wir Island also vom Busfenster aus. Nach etlichen Wandertagen auch mal eine schöne Abwechslung. Für die ländlichen Verhältnisse ist das Busnetz ziemlich gut ausgebaut. Wir halten in jedem größeren Kaff und wo immer eine größere Straße abzweigt, steht auch schon ein Anschlussbus bereit.
Eine Haltestelle liegt ziemlich direkt an einem schönen Wasserfall und wir nutzen die kleine Pause für ein paar Fotos. Ungeduldig hupt schon der Busfahrer und wir müssen weiter. Tja, nicht verwechseln, es handelt sich um einen Linienbus und der fährt nach Fahrplan.

Irgendwie muss meine Kamera vom gestrigen Regen einiges abbekommen haben. Das Display gleicht einem Aquarium. Als ich das Batteriefach öffne, tropft noch einiges Wasser heraus. Na toll, die ist doch gerade neu. Ich habe aber großes Glück im Unglück, denn nach einigen Reinigungsversuchen bleibt vorerst nur das Display unbenutzbar. Wie sich aber herausstellt, das Herzstück einer Digitalkamera, denn jetzt können nur noch blind durch den Sucher Fotos gemacht werden.

Unterwegs auf der Ringstraße 1, die einmal um die gesamte Insel führt und in etwa 3 Tagen bewältigt werden kann, begegnet uns irgendwann der Gegenbus und wir beide bleiben mitten auf der Straße stehen. Fahrerwechsel ist angesagt. Sehr praktisch: der Fahrer, der heute früh in Reykjavík losfuhr, ist heute Abend wieder bei sich zu Hause.
Die Gegend wird immer ländlicher. Grüne Berge steigen zur linken Seite auf und in jeder Ritze bahnt sich ein Fluss den Weg zum Meer. Wir passieren eine Menge kurze und lange Brücken und können eine Menge Wasserfälle ausmachen. Zahlreiche Tiere wie Pferde, Kühe und natürlich Schafe stehen auf den Weiden. Wir erklimmen einen kleinen Pass und können nun einen Blick auf Island's Gletscher werfen, die sich hinter der ersten Hügelreihe in den höheren Bergen verstecken.

Der Linienbus über die südliche Ringstraße, hier irgendwo zwischen Vík und Kirkjubaejarklaustur, wo unser Gepäck ausgeladen wird und wir zu unserem Trekking starten

Der Linienbus über die südliche Ringstraße, hier irgendwo zwischen Vík und Kirkjubaejarklaustur, wo unser Gepäck ausgeladen wird und wir zu unserem Trekking starten

Irgendwo zwischen Vík und Kirkjubaejarklaustur biegt der Bus in einen Feldweg ein, wo schon ein Pickup samt Anhänger auf uns wartet. In Windeseile laden wir das Gepäck um, damit der Bus weiterfahren kann. Leider erwischen wir dabei einen Schlafsack zuviel und merken es erst, als der Bus schon hinterm Horizont verschwunden ist. Ist aber nicht weiter tragisch, denn der Bus wird im nächsten Ort fahrplanmäßig mehrere Minuten stehen und soviel Zeit hat jetzt unser Gepäckfahrer, den überzähligen Schlafsack seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen.
Wir starten unterdessen unsere Nachmittagswanderung. Bei der Hunkubakkar Farm kreuzen wir die Skaftá, dem mächtigsten Fluss Islands, die nach Vulkanausbrüchen schon mehrfach vom erkalteten Lavastrom unterbrochen, aufgestaut oder umgeleitet wurde.

Dieser Straße werden wir den nächsten Tagen mehr oder weniger zum Laki-Krater folgen

Dieser Straße werden wir den nächsten Tagen mehr oder weniger zum Laki-Krater folgen

Es ist angenehm warm, so dass mich mal wieder von meiner Jacke befreien kann. Heute kann man wenigstens auch wieder die schöne Landschaft genießen. Ein besonderes Highlight des Tages ist der Fjaðrá Canyon. Hierbei handelt es sich um eine vielleicht 20m tiefe Schlucht, durch die der Fluss allerdings erstaunlich gerade hindurchfließt. Ist fast so, als ob der Fluss zuerst da war und erst nachträglich am Ufer die Schluchtwände aufgestellt wurden.

Fjaðrá Canyon

Fjaðrá Canyon

Weiter geht es oberhalb der Schlucht und am Ende des Weges mitten durch die Wiesen hinunter zum Fluss. Heute steht unsere erste richtige Flussdurchquerung an, für die wir auch eigens Badelatschen mitgebracht haben. Nur leider hat fast keiner damit gerechnet, dass diese ausrechnet am Busfahrtag gebraucht werden. Und so verfolgen wir ein ganz neues Prinzip des Recyclings. Wer am anderen Ufer angekommen ist, wirft einfach die Schuhe wieder zurück auf die andere Seite. An so einem sonnigen Tag ist das kalte Fußbad wirklich angenehm.

die erste größere Flussdurchquerung

die erste größere Flussdurchquerung

Da es schon ein wenig später ist und wir für Ívar scheinbar doch ein wenig zu langsam sind (man erinnere sich, er hält den Rekord im Besteigen des höchsten Bergs von Island), macht er den Vorschlag, dass er schon einmal zum Zeltplatz vorläuft und Suppe kocht. "Einfach nur über diesen Berg und immer geradeaus." Die Erklärung scheint relativ einfach. Als erstes müssen wir aber wieder einen Weg über den nächsten Fluss finden. Mit meinen langen Beinen, etwas Anlauf, einem beherzten Sprung und etwas Glück lande ich nach relativ kurzer Zeit trocken auf der anderen Seite. Der Rest der Gruppe sucht noch etwas länger nach einer geeigneten Überquerung, während ich schon mal den Berg erklimme. Oben erwartet mich ein geschotterter Fahrweg. Was ist jetzt nur mit "geradeaus" gemeint? Den Weg immer weiter geradeaus? Aber in welche Richtung? Oder den Weg überqueren und dahinter durch die Wiese weiter geradeaus? Da ist guter Rat teuer und ich wage mal eine Expedition in eine Richtung. In der Ferne glaube ich schon, unsere Zelte zu sehen, aber als die sich dann aufmachen, davonzurennen, erkenne ich, dass es sich wohl um Schafe handeln muss. Warum haben wir denn keine leuchtend roten Zelte?

Wasserfall im Verlauf der Sela

Wasserfall im Verlauf der Sela

Inzwischen hat mich der Rest der Gruppe eingeholt und wir stehen nun gemeinsam ziemlich ratlos an einer Weggabelung. Ein Schild weist in Richtung Laki, 45km. Da wollen wir zwar hin, aber erst in 3 Tagen.
In jede Himmelsrichtung machen sich daher kleinere Grüppchen auf, nach unseren Zelten zu suchen. Nach einigen resignierten Versuchen entscheiden wir uns dann doch dafür, dem Weg nach Laki Vertrauen zu schenken. Ein weiteres Schild weist uns darauf hin, dass auf dieser Strecke ein Geländewagen unbedingt zu empfehlen sei und nach einiger Zeit erfahren wir auch, warum. Die nächste Flussdurchquerung steht an. Wir haben langsam richtig Hunger, als wir am Ufer entlang wandern, immer auf der Suche nach der Stelle, wo sich ein Sprung über den Fluss anbietet. Die Schafe, die uns nachsehen, müssen wohl auch glauben, wir seien bescheuert. "Leute, warum leidet ihr Hunger? Ist doch genügend Wiese da!" Echt ein Vorteil, wenn man Pflanzenfresser ist. Mir wäre ein warmer Teller Suppe jetzt aber lieber.

Endlich finden wir eine geeignete Stelle, nicht zu breit und nicht zu tief. Am besten sind daher Inseln im Fluss, wo der Weg zum anderen Ufer dann nicht mehr ganz so weit ist.
Ziemlich genervt erreichen wir unsere Zelte, die wir jetzt schleunigst aufbauen müssen, da es mal wieder anfängt zu regnen. Wo ist nur das schöne Wetter geblieben, dass uns den ganzen Tag den Schweiß auf die Stirn getrieben hat?
Um 9 Uhr gibt es endlich etwas zu Essen und wir lauschen im Schein einer Taschenlampe isländischen Sagen & Märchen.

Übernachtung: Zelten bei der Eintúnaháls Farm
Bewertung der Lage: durchschnittlich

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Viele sehen in Grönland nur Eis. Da muss es doch unglaublich kalt sein. Es stimmt zwar, dass der Sommer hier nicht ganz mit dem Mitteleuropäischen konkurrieren kann, aber dass man da außer Schnee nichts sehen könnte, mit dem Vorurteil wollte ich endlich aufräumen. In Grönland waren wir an verschiedenen Stellen Zelten und haben uns dazwischen per Boot durch die bizarre Welt der Eisberge gekämpft. Anschließend sind wir auf Island über diverse Lavafelder gekraxelt. Ein aufregendes Erlebnis!
Details:
Aufbruch: 09.08.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 28.08.2005
Reiseziele: Grönland
Island
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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