Grönland / Island - Wo Europa wild wird
13.08. Kârale Gletscher
Als ich aufwache, wird das Zelt mal wieder hell erleuchtet. Heute muss einfach besseres Wetter als gestern sein. Wieder geht Stimmung sofort den Bach runter, als ich draußen die dunkle Suppe am Himmel sehe. Ich nehme mir fest vor, morgen falle ich nicht mehr auf diese Illusion herein.
Unsere Wanderung führt uns heute bis um Ende des Fjords, zum mächtigen Kârale Gletscher. Wir laufen, so weit es möglich ist, am Ufer entlang, bis ein großer Felsvorsprung uns den Weg abschneidet und wir über einen nicht zu unterschätzenden Pass steigen müssen. Die Aktion dauert etwa eine Stunde. Noch ist es kein Problem, da wir ausgeruht sind, aber ich fürchte schon jetzt den Rückweg, denn hier müssen wir heute Abend auf jeden Fall noch einmal rüber, wenn wir so richtig müde und kaputt sind.
vergletscherte Berge zwischen dem Knud Rasmussen- und dem in diesem Bild weiter links liegenden Kârale Gletscher
Bei den anstehenden Bachüberquerungen bin ich wirklich froh, mit langen Beinen ausgestattet zu sein. In vielen Fällen reicht etwas Anlauf und ein weiter Schritt. Heute ist mal Wolfgang an der Reihe, sich nasse Füße zu holen. Das entsprechende Gewässer taufe ich sofort einmal "Wolfgang Creek". Bis zum Ende der Tour werde ich wohl alle unsere Namen vergeben haben.
Nach etwa 3 Stunden machen wir unsere erste Mittagspause. Der Kârale-Gletscher ist schon ein gutes Stück näher gekommen. Wir müssen "nur" noch bis dahinten. Oh, wie man sich doch in weglosem Gelände mit den Entfernungen verschätzen kann. Und wir müssen uns hier nicht durch dichtes Buschwerk kämpfen, sondern einfach nur über Berge klettern. So langsam bekomme ich tiefen Respekt vor Pionieren, die zum Beispiel Monate unterwegs waren und einen Weg quer durch den amerikanischen Kontinent gesucht haben.
Nach einer weiteren Stunde, inzwischen hat es auch leicht angefangen zu regnen, sind wir noch immer weit vom Kârale-Gletscher entfernt. Noch hätten wir die Kraft, weiter zu laufen, aber man muss ja auch an den Rückweg denken, der mit jedem Schritt länger wird. "Die Kunst des Umkehrens".
Wir befinden uns auf einer Art Strand, wo Künstler, wahrscheinlich Mrs. N. Atur, ein paar Eisskulpturen ausgestellt hat. Von hier kann man zwei verschiedene Gletscherzungen überblicken, die vor einigen Jahren noch verbunden gewesen sind. Leider ist schon ziemlich viel Eis abgeschmolzen, so dass sich der Gletscher immer weiter zurückzieht.
Forscher sind davon begeistert, da sie nun an tiefer liegende Eiskernproben gelangen können, die Aufschluss über das Wetter von vor über Tausend Jahre geben können. Mich würde das Wetter von morgen viel mehr interessieren. Man sagt Ostgrönland ziemlich konstantes Wetter nach, mit anderen Worten, wir hätten morgen wieder eine ähnliche Suppe zu erwarten. Wirklich schade, dabei hatte alles so schön sonnig und warm am ersten Tag begonnen.
Zurück geht es diesmal so ziemlich denselben Weg wie hin. Natürlich kann man sich bei den vielen Bächen nicht die Punkte merken, wo man sie eben erfolgreich überquert hat und so kommt es, dass wir an einem flachen, aber ziemlich breiten Strom zum Stehen kommen. Die ersten springen von einem Stein zum nächsten, bis ich dann an die Reihe komme. Ich nehme einen flachen Stein vom Ufer, werfe ihn in den Bach und laufe gemütlich von einem Stein zum nächsten. Ist doch so einfach, Leute!
Kurz vor meinem gefürchteten Pass treffen wir auf einen weiteren Zeltplatz. Zwei Männer aus Deutschland haben sich vier Wochen Auszeit genommen und erkunden nun mit Kajaks dieses unglaublich schöne Fjordsystem. Da stellt sich doch wirklich die Frage, warum wir hier nicht zelten. Wir hätten dann zweimal diesen anstrengenden Pass gespart und hätten es dann auch tatsächlich bis zum Kârale-Gletscher geschafft.
Der Anstieg zum Pass ist wie erwartet recht anstrengend, so dass wir oben erneut Pause machen. Ívar läuft ein wenig vor und gibt uns Handzeichen, die wir allerdings nicht richtig deuten können. Will er uns den besten Weg zu sich zeigen oder will er uns sagen, wir sollen einen anderen Weg nehmen?
Ein Teil unserer Gruppe läuft in seine Richtung. Thomas bleibt ein wenig zurück und ist wieder mit seinem GPS beschäftigt. "Also der Hinweg liegt wesentlich näher zum Wasser, also müsste man da hinten um den Berg herumkommen". Ich bin sowieso in diese Richtung unterwegs und diese Worte bestätigen meine Absicht. Unsere Gruppe ist nun also geteilt. Einige folgen Ívar, einige anderen Thomas und seinem GPS und versuchen, den Weg von heute früh wieder zu finden.
Ich bin auf Thomas' Weg unterwegs und komme endlich einmal in den Genuss, als erster am nächsten Rastplatz zu sein. Und um wie viel leichter Thomas' Weg ist, wird erst jetzt richtig deutlich. Die Gruppe um Ívar versteigt sich in einem steileren Gelände und es dauert unheimlich lange, bis sie wieder zu uns aufschließen können. Diese anstrengende Kletterpartie musste doch nun wirklich nicht sein.
Übernachtung: Zelten gegenüber des Knud Rasmussen Gletscher wie gestern
Aufbruch: | 09.08.2005 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 28.08.2005 |
Island