Grönland / Island - Wo Europa wild wird

Reisezeit: August 2005  |  von Markus Keune

22.08. Brunnárgljúfur Canyon -Vík - Reykjavík

Da ich absolut nicht zu den Frühaufstehern gehöre und wir hier auch keine festen Frühstückszeiten haben, ist es wichtig, die Geräusche ringsherum richtig deuten zu lernen. Inzwischen bin ich darin richtig gut geworden. So kann man z.B. im Zelt liegend schon bestimmen, wie viele Personen sich im Küchenzelt aufhalten und daraus eine Wahrscheinlichkeit berechnen, ob es bald Frühstück gibt oder ob man sich noch einmal umdrehen kann. Ein weiterer markanter Hinweis ist auch das Geräusch des Gaskochers, wobei man hier unterscheiden muss, ob gerade Kaffee zubereitet wird (Geräusche einer scheppenden Kelle) oder ob das Wasser für andere Zwecke gebraucht wird (längere Schüttgeräusche).
Ja, lacht nur, aber mir ist jede Minute Schlaf kostbar. Morgens zumindest.

Delta des Hverfisfljót Fluss

Delta des Hverfisfljót Fluss

Gut ausgeruht geht es auf unsere letzte Wanderung. Laut Programm handelt es sich um eine leichte Wanderung zu einer beeindruckenden Schlucht. Nur niemand hat je erwähnt, dass sich diese Schlucht auf einem Hochplateau befindet. Also kraxeln wir den Basaltberg hinter der Farm fast senkrecht nach oben. Bald können wir das gesamte Flussdelta überblicken, wo wir uns gestern einen Weg zur Straße erkämpft haben. Die Aussicht war jedenfalls die Mühe wert.

Delta des Hverfisfljót Fluss

Delta des Hverfisfljót Fluss

Ívar ist mal wieder hinter einem Stein verschwunden (den Armen hat's wirklich schlimm erwischt) und als er uns eingeholt hat, haben wir uns schon satt gesehen und sind praktisch schon auf dem Rückweg, denn wir müssen ja auch wieder runter und der Bus, der uns nach Reykjavík bringen soll, wird sicher nicht auf uns warten. Mag Ívar's Arbeitgeber noch so sehr der größte Kunde des Busunternehmens sein, wir können doch nicht den ganzen isländischen Fahrplan durcheinander bringen.
Aber Ívar ist die Ruhe in Person und wir schließen uns ihm an, doch noch den kleinen Brunnárgljúfur Canyon zu besuchen und einen anderen Weg ins Tal zu nehmen.

Brunnárgljúfur Canyon

Brunnárgljúfur Canyon

Letztendlich war unsere Furcht, unpünktlich zu sein, völlig unbegründet. Obwohl wir am Morgen getrödelt haben, haben wir nun noch eine halbe Stunde Zeit, bis wir von der Núpar Farm zur Straße vorgehen müssen, wo uns der Bus abholen soll. Mal wieder ein unfahrplanmäßiger Halt.
Dafür stehen wir vor der Bewältigung eines neuen Problems: Es beginnt stark zu regnen, der dann auch noch in dicken Hagel übergeht. Wir verkriechen uns in den alten Stall und auf dem Wellblechdach geht es ordentlich lärmend zur Sache. So hat man wirklich den Eindruck, als ob die Welt gleich untergehen würde.

Hagelschauer, als wir gerade das Gepäck verladen haben

Hagelschauer, als wir gerade das Gepäck verladen haben

Die vereinbarte Abholzeit rückt näher und so stellt sich nun die Frage, ob es Sinn macht, für den kurzen Spaziergang zur Straße wieder alle Regenklamotten herauszukramen, die man gerade für die anstehende Busfahrt so schön verstaut hatte. Ich hoffe immer noch auf das Beste und entschließe mich etwas spät, doch die Regenhose überzuziehen, als die Gruppe sich in Bewegung setzt und ich mit unserem Transporter alleine zurückbleibe. Um den verlorenen Boden wieder gut zu machen, darf ich kurzerhand noch einmal im Pickup mitfahren. Ich genieße die leicht neidischen Blicke, als wir die Gruppe überholen.

Vorne an der Straße packt uns erstens die Langeweile und zweitens bemerken wir, dass wir noch überhaupt kein Gruppenfoto gemacht haben. Also kramen wir noch einmal alle Klappstühle heraus und bauen diese an der Straße auf in einer Reihe auf. Den Blicken vorbeifahrender Autofahrer kann man richtig ansehen, was für ein ulkiges Bild wir doch abgeben müssen. Wir dagegen genießen diesen kurzen Anflug von Aufmerksamkeit.

unsere Gruppe

unsere Gruppe

Die Fahrt mit dem Bus ist wieder äußerst kurzweilig. Nach einigen anstrengenden Wandertagen genieße ich es mal wieder, mich einfach nur zurücklehnen zu brauchen. Keinesfalls bereue ich die letzten Tage, aber es ist schön zum Abschluss, dass man sich die Landschaft noch einmal in aller Ruhe ansehen kann, ohne über den nächsten Schritt nachdenken zu müssen. Erst jetzt fällt es mir auf, was ich die letzten Tagen wirklich vermisst habe: Bäume! Auf Island gibt's keine natürlichen Bäume mehr. Als einst die Wikinger hierher kamen, holzten sie die Wälder gnadenlos ab, um sich Hütten zu bauen und Feuerholz zu haben. In dieser rauen Natur wachsen die Wälder aber nicht so schnell und leicht nach. Die wenigen vorhandenen Bäume und Kleinstwälder sind nachträglich vom Menschen angepflanzt, gehegt und gepflegt worden.

einige Impressionen von der Überlandbusfahrt nach Reykjavík

einige Impressionen von der Überlandbusfahrt nach Reykjavík

einige Impressionen von der Überlandbusfahrt nach Reykjavík

einige Impressionen von der Überlandbusfahrt nach Reykjavík

Zurück in Reykjavík wird unser Gepäck wie gehabt zur Pension gebracht und wir trotten hinterher. Im Bus hatten wir eine Kleinigkeit für Ívar gesammelt und eine Karte vorbereitet, die wir ihn nun überreichen. Wir halten diese Geste für Selbstverständlich, aber scheinbar ist das auf Island gar nicht so Gang und Gebe. Ívar ist jedenfalls zutiefst gerührt. Er möge mir an dieser Stelle verzeihen, dass ich die Gelegenheit genutzt habe, noch ein paar dänische Kronen (offizielle Währung auf Grönland) hier losgeworden zu sein. Er wird sicher eher wieder nach Grönland kommen als ich und kann sich dann eine dicke Hose kaufen, die ihn warm hält, damit er nicht mehr sooft austreten muss.

Eine Kleinigkeit gibt es dann aber doch noch für ihn zu tun. Die Pension, in der wir heute gelandet sind, will uns nur Mehrbettzimmer geben. So war das aber nicht abgemacht. Ich habe prinzipiell nichts dagegen, mit anderen mein Zimmer zu teilen. In Grönland hat das ja auch funktioniert, aber immerhin habe ich dafür Geld bezahlt, dass ich an gewissen Orten ein Einzelzimmer bekomme.
Also hängt sich Ívar noch einmal ans Telefon und wenig später macht sich ein Teil unserer Gruppe auf den kleinen Spaziergang herüber zur inzwischen gewohnten Pension. 4 Etagen hat das Häuschen und während unserer 3 Besuche wohne ich jedes Mal in einer anderen.

Natürlich gehe ich auch heute Abend auch noch einmal auf einen Sprung in die Innenstadt und weiter hinaus zum Meer, um mich von hier zu verabschieden. Ist das jetzt schon wieder eine Woche her, wo ich das letzte Mal hier stand und wehmütig rüber Richtung Grönland geschaut habe?

Übernachtung: Gästehaus Snorri, zum dritten Mal

23.08.2006 Reykjavík - Frankfurt - Düsseldorf

Sehr früh geht es raus aus dem Bett. Eigentlich hat die Küche um diese unchristliche Zeit noch nicht geöffnet, aber für uns hat man gestern Abend noch einige Kleinigkeiten zusammengestellt. Die Auswahl war aber selbst beim Resteessen im Zelt noch größer gewesen. Eine neue Diskussion Gästehaus vs. Zelt könnte nun angezettelt werden, aber sind wir doch froh, dass wir überhaupt etwas bekommen. Im anderen Gästehaus gibt's übrigens auch nicht viel mehr.

Gästehaus Snorri in Reykjavík

Gästehaus Snorri in Reykjavík

Wie kommen wir aber nun zum Flughafen? Am Straßenrand vor "meiner" Pension steht die zweite Hauser Gruppe, die, die sich ausschließlich auf Island aufgehalten haben. Wir gehen davon aus, dass wir in deren Bus mitfahren werden.
Etwa zeitgleich kommen zwei Busse an: einer für die nur Islandtouristen, der andere wäre für uns bestimmt, aber da wir zusammen mit der anderen Gruppe warten, fällt das niemanden auf. Also fährt der zweite Bus zum anderen Gästehaus durch.
Wir sitzen also praktisch im falschen Bus. Im anderen Bus fehlen folglich ein paar Leute und der gute Busfahrer dort bekommt flatternde Nerven. Er kann doch nicht mit der Hälfte der Leute am Flughafen ankommen. Man versucht, ihn zu beruhigen, wir wären sicherlich mit der anderen Gruppe unterwegs und er möge jetzt endlich abfahren.
Beide Busse kehren daraufhin zum Busbahnhof zurück und nachdem alle Klarheiten beseitigt sind, können wir endlich zum Flughafen aufbrechen, wo wir uns dann alle wieder treffen.

In Frankfurt gelandet beginnt dann das große Abschiednehmen. Wir tauschen E-Mail Adressen aus und wünschen uns gegenseitig eine gute Weiterreise. Jeder, der seinen Koffer bekommen hat, verzieht sich in eine andere Richtung.
Als ich den Bahnhof erreiche, sind wir fast alle wieder vereint. Können wir uns doch noch nicht so schnell voneinander und unserer Gemeinsamkeit trennen, ans Ende von Europa gereist zu sein, dorthin, wo Europa wild wird?

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Viele sehen in Grönland nur Eis. Da muss es doch unglaublich kalt sein. Es stimmt zwar, dass der Sommer hier nicht ganz mit dem Mitteleuropäischen konkurrieren kann, aber dass man da außer Schnee nichts sehen könnte, mit dem Vorurteil wollte ich endlich aufräumen. In Grönland waren wir an verschiedenen Stellen Zelten und haben uns dazwischen per Boot durch die bizarre Welt der Eisberge gekämpft. Anschließend sind wir auf Island über diverse Lavafelder gekraxelt. Ein aufregendes Erlebnis!
Details:
Aufbruch: 09.08.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 28.08.2005
Reiseziele: Grönland
Island
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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