Australien - ich komme!
The mustering
Eine Santa Gertrudis Kuh...
... und ein kleines, süßes Kalb
Direkt nach Ostern ging's dann los: mustering the cattle: zweimal im Jahr werden die verschiedenen Weiden (wir sagen hier einfach Paddocks), die Namen haben wie Wombat-Paddock, Big Buffel-Paddock, Bullock-Paddock, Whoolshed-Paddock, The Springs, Bore Paddock, Top-Paddock, Strasburg... (der größte Paddock ist ca. 7000 ha groß) gemustert. Das heißt alles Vieh, was sich in diesem Paddock befindet - in der Regel Kühe mit ihren Kälbern und ein paar Zuchtbullen - wird zusammen getrieben und dann in einer großem Herde in die Yards getrieben.
Die Yards morgens, leer...
...und abends gefüllt mit über 900 Rindern
Soweit es möglich ist, treiben wir die Herde entlang eines Zaunes. Der begrenzt dann zumindest zu einer Seite, sodass ein Reiter die Herde "anführt" und sie stoppen oder das Tempo etwas unter Kontrolle bringen kann, falls sie mal ins laufen kommt (meistens starten nur die fitten Kühe ohne Kälber (dry cows) vorne mal durch, hinten sind die Kühe mit ihren ganz kleinen Kälbern, oder auch mal ne lahme Kuh). Wenn nämlich das Tempo vorne in der Meute (the mob) schneller ist, als hinten, bedeutet dies, sie wird immer länger und länger...
Ein weiterer Reiter reitet hinter den letzten Kühen und versucht sie mit der Stimme und dem Pferd vorwärts zu treiben. Klingt easy, ist es aber nicht immer, denn die Mütterkühe sind sehr besorgt um ihr Kälber und wenn sie diese in der Aufregung in der Herde nicht sehen oder hören können, denken sie, ihre Kinder sind verloren gegangen und versuchen ständig umzudrehen und zurückzulaufen. Also muss man absolut hochkonzentriert sein und die Truppe immer vorwärts pushen und Druck auf sie ausüben, weiter zu gehen. Wenn sie auch nur den geringsten Eindruck erwecken, sich möglicherweise jeden Moment umzudrehen: sofort aggressiv auf sie zu reiten, denn wenn sie sich bereits umdrehen, ist es so gut wie zu spät und man muss ihnen über Stock und Stein nachjagen und sie zurück zur Herde jagen... Und diese Rasse (Santa Gertrudis) ist verdammt schnell, sie ist für diese Klima geschaffen. Selbst wenn es absolut heiß draußen ist, können sie so schnell rennen wie Pferde, oder schneller.
Zwei bis drei weitere Reiter reiten an der Seite entlang der Meute und begrenzen, damit keine Kühe ausbrechen können.
Die Yards befinden sich ca. hundert Meter hinter dem Haus, bestehend aus Metallpfosten und Stangen, und beinhalten ca. 8 verschieden große Abteile. Die Herde wird in der Regel durchsortiert nach Kühen (cows), kleinen Kälbern mit Brand (calves), Kälbern ohne Brand (cleanskins), älteren Kälbern/ Absetzer (weaner), und den Zuchtbullen (bulls).
Die Cleanskins kriegen dann ihr Boongoondoo-Brandzeichen: 1GP und eine Ziffer darunter, die uns zeigt, in welchen Jahr das Kalb geboren wurde (dieses Jahr also eine 7), dadurch wissen wir immer, wie alt jede einzelne Kuh ist. Zusätzlich wird ein kleiner Schnipsel an einer bestimmten Stelle aus dem Ohr als weiteres Erkennungszeichen herausgecuttet. Außerdem wird ihnen eine Ohrmarke mit einem Chip und einer zu Boongoondoo gehörenden Nummer ins Ohr geknipst. Wenn sie einen Hornansatz haben (nicht allen wachsen Hörner) wird dieser weiträumig ausgeschnitten - mit einem Dehorner. Blutige Angelegenheit, denn manchmal spritzt das Blut nur so. Sieht aber schlimmer aus, als es ist... ungefährlich für die Kleinen. Etwas desinfizierendes Öl draufgepinselt und fertig. Eine ebenfalls blutige Angelegenheit ist das kastrieren ... die kleinen männlichen Kälber werden ohne Narkose oder anschließendes Nähen kastriert. Schnipp -schnapp mit dem Skalpell. Aber es wird nichts verschwendet...alles was herausgeschnitten werden musste, fliegt im hohen Bogen über den Zaun und die Arbeitshunde freuen sich über eine Leckerei. Klingt ekelig, ich weiß... aber so ist es auf dem Lande. Geht auch alles ganz schnell. Wenn wir zu viert sind, hat jeder seine Aufgabe (kastrieren muss ich zum Glück nicht!) schnell zu erledigen und wir benötigen pro Kalb 2-5 min. Wenn wir nur zu zweit sind macht jeder alles. Muss halt schnell gehen, wenn hundert oder hundertfünfzig Kälber warten... Einmal hatte ich gerade die Ohrmarke eingeknipst, als plötzlich ein blutiger Hoden auf meinem Hut landete, der hatte in der Eile irgendwie die Richtung verfehlt.... Schönen Dank auch!! Seit dem habe ich einen Fleck auf meinem Hut, der aber sowieso schon gelitten hat und nicht mehr wirklich sauber ist...
Jedenfalls, wenn wir die Kälber abgehakt haben sind die Mütterkühe dran: die werden einmal im Jahr gegen zwei verschieden Krankheiten geimpft. Dazu benutzen wir eine Spritze, oder eine Art Spritzpistole, an der sich ein Schlauch und ein Beutel mit dem Impfstoff befinden. Das Impfen muss sehr, sehr schnell gehen, denn die Kühe werden in kleinen Gruppen in eine Art engen Gang aus Metallpfosten und -stangen getrieben, wo sie hintereinander aufgereiht stehen. Man muss quasi nur einmal an der Außenseite entlanggehen und allen hintereinander die Spritze verpassen, die zum Glück von selbst nachlädt. Dummerweise sind die Kühe nicht wirklich an den Menschen gewöhnt, wenn sie nur zweimal im Jahr Kontakt zu ihnen haben und sie sind etwas aufgeregt und verängstigt, was dazu führen kann, dass sie in dem Moment, in dem sie die Nadel spüren, entsetzt hochspringen. Man sollte so schnell sein, dass man in diesem Moment die Hand mit der Spritze wieder in sicherer Entfernung hat, sonst passiert es, wie es mir passiert ist, dass die Hand zwischen Kuh und Eisenstange eingeklemmt ist. Und so eine Kuh hat echt Masse und Kraft. Nachdem ich meine Hand wieder hatte, schwoll sie innerhalb von Minuten auf das doppelte Volumen an. War zum Glück nichts gebrochen... nach ein paar Minuten mit einem Eispack drauf - dass wir glücklicherweise in den Yards hatten, weil der Impfstoff kühl gehalten werden soll - habe ich die Zähne zusammen gebissen und weiter gespritzt. Allerdings deutlich vorsichtiger und schneller... Damit wir später immer sicher sein können, welche Kühe geimpft wurden, wird ihnen das Schweifhaar etwas gestutzt. Kühe, die kein Kalb bei sich haben und auch keines erwarten und richtig schön fett und rund gefressen sind, weil sie kein Kalb miternähren müssen, oder einfach alte Kühe (8-10 Jahre) werden an die Meatfactory verkauft, spricht geschlachtet...
Die größeren Kälber (6-8 Mon. alt) werden von ihrem Müttern abgesetzt, weil diese in absehbarere Zeit ihr nächstes Kalb erwarten. Die Absetzer oder Weaner behalten wir für einige Wochen in den Yards und warten bis wir alle von allen Paddocks zusammen haben und sie sich nach der Trennung ein wenig beruhigt haben und füttern sie mit Heu. Während die Mütter (und die kleinen, jüngeren Kälber) zurück gebracht werden zu ihren Weiden. Die große Gruppe der Weaner ist ein bisschen wie ein Kindergarten. Allerdings sind die kleinen, verrückten, unerzogenen Dinger echt schreckhaft. Einer pupst und alle rasen davon... Ich erinnere mich, als wir so 300 von ihnen in den Yards hatten, kamen wir eines Sonntag nachmittags, um sie zu füttern und alles was wir sahen, war ein plattgemachter Zaun, der aber sehr robust gewesen war - Stahlpfosten und Stahlstangen miteinander verschweißt. Jedenfalls irgendwas musste sie erschreckt haben und alle 300 waren auf und davon... in alle Windesrichtungen und in alle angrenzenden Paddocks verstreut. Auf ihrem Weg dorthin haben sie noch einige Stacheldraht-Zäune dem Erdboden gleichgemacht und unsere Laune war definitiv im Keller, denn wir haben den ganzen Montag damit zugebracht, die kleinen Shittybums wieder "einzusammeln".
Nach mehreren Wochen und fast allen gemusterten Paddocks hatten wir über 800 Weaner zusammen. Wir haben sie zwischen jungen Kühen (heifers) und jungen Ochsen (steers) getrennt. Alle weiblichen Tiere behalten wir für ein weiteres Jahr und schauen, wie sie sich entwickeln. Die besseren behalten wir dann für die Zucht und die anderen werden verkauft.
Die männlichen Tiere werden verkauft. Sie sind zwar noch nicht viel wert, weil recht klein und nur ca. 280 kg schwer, aber wir können sie nicht behalten, weil wir eine Zuchtfarm (breeding) sind, keine Aufzuchtfarm (fattening) sind.
Die jungen Kühe, die 2006 geboren wurden, also schon ein Jahr älter als die Weaner sind, haben wir gut durchsortiert: alles was unseren Vorstellungen von einer großen, kräftigen, zukünftigen Mutterkuh entsprach, haben wir behalten, sie werden hoffentlich Ende nächsten Jahres ihr ersten entzückenden Kälber bekommen. Alles, was wir aussortiert haben, weil zu klein, zu kurz, lahm, halbblind oder einfach potthässlich haben wir der Meatfactory überlassen.
Transportiert werden die Tiere mit riesigen Trucks, die Road Trains genannt werden, weil sie sehr lang sind. War sehr aufregend für mich, als ich das erste mal gesehen habe, wie die Tiere verladen werden und wie groß diese Road Trains sind...
Drei Road-Trains hintereinander...
Road-Train and die Yards angedockt....
Verladen bei Sonnenaufgang, solang es kühl ist...
Auch alle Bullen haben wir "durchsortiert": alte und lahme, die offensichtlich ihren Job nicht mehr machen können: Meatfactory. Alle anderen: Impfung, Schweifhaar gestutzt und zurück an die Arbeit. Das war schon etwas beängstigend: all die Zuchtbullen in den Yards. Kann mich erinnern, einmal war ich gerade dabei, einen Teil der Yards mit einem Wasserschlauch zu besprenkeln, weil der Boden sehr, sehr staubig war und plötzlich kommt einer der Zuchtbullen zielstrebig auf mich zu. Gott, mein Herz raste, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte, denn schnelles Wegspringen oder -laufen würde ihn höchstwahrscheinlich dazu aufforden, mich zu jagen. Stehen bleiben schien mir auch nicht sicher. Also richtete ich den Wasserschlauch wie eine Waffe auf ihn: das war offensichtlich genau was er wollte - er musste sehr durstig gewesen sein und er schleckte genüsslich das Wasser.
Einen Bullen gibt es hier, der zahm ist und den man anfassen kann, wenn er zu einem kommt: er hat eine Ohrenmarke in seinem Ohr: Nr. 150. Manchmal, wenn wir den Lick-Run machen und den Tieren ihre Mineralien zufüttern, kommt er zum Trog und schaut uns zu und man kann ihn anfassen. Dies sollte man aber nur machen, wenn man sicher ist, es ist Nr. 150 (sie haben keine Namen oder so), denn alle anderen würden einen zum Teufel jagen!!!
Bin auch schon kräftig getreten worden. Das passiert schnell in den Yards, wenn man mit dem Vieh auf engem Raum arbeiten muss. Einmal hat eine Kuh voll nach mir ausgetreten, konnte mich gerade noch umdrehen, sodass sie mich mit beiden Beinen in den Hintern getreten hat. Hatte gute blaue Flecke und Schwellungen, so stark war die Wucht hinter dem Tritt. Tat so weh, dass ich den nächsten Tag echt nicht reiten mochte und konnte. Ein anderes Mal hat eine Kuh mich beim Impfen voll erwischt und mich ins Schienbein getreten, hab noch immer eine kleine Beule.
Aufbruch: | 27.02.2007 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 26.10.2007 |