Zürich-Chisinau-Zürich

Reisezeit: Juli 2008  |  von Roland E.

Im Schmugglerzug

Pünktlich fährt mein Zug ein und dummerweise ist der Schaffner meines Wagens ein Mann und keine Frau und dementsprechend garstig ist er. Da sind die Moldawier doch wesentlich netter. Ich finde mein Bett, es ist das erste des Wagens, der ein Grossraumwagen ist und aus lauter Liegen besteht. 4 auf der Seite und 2 am Fenster, dazwischen der Gang. Ich finde diese Wagen eine Supersache. Doch auf meinem Bett liegt einer und das finde ich gar nicht super. Ich gehe zum Schaffner und der macht diesem gleich mal sehr aggressiv Beine. Ich bekomme Bettwäsche und ab auf die Toilette, die ist abgeschlossen und bis er sie aufschliesst leide ich Höllenqualen

Ich sitze im Zug Kiev-Przemysl, der einige polnische Wagen nach Wroclaw angehängt hat. Es ist dies der einzige Zug nach von Lvov nach Polen. Schnell schlafe ich ein.

Ich bin am Bahnhof Lvov. Ich habe richtig Spass an der Ukraine bekommen und möchte nun doch noch zwei Nächte einschalten. Es regnet aber nicht nur ein bisschen, sondern sehr stark. Ich bin noch etwas verschlafen und habe keinen Lust auf Regen. Also ändere ich meinen Plan wieder und will ein Ticket nach Przemysl kaufen und habe dazu noch rund 25 Minuten Zeit.

Zu meiner Überraschung geht das ganz einfach. Am ersten Schalter sagt mir eine lächelne (!) Bähnlerin auf Englisch, dass ich an den zweiten Schalter soll und dort kann ich auf englisch mein Ticket kaufen. Das war bei meinem Besuch vor zwei Jahren noch richtig grausam garstig, damals war ich kurz vor dem aufgegeben! Ich bereue es nun schon fast, nicht hierzubleiben, aber nun habe ich ein sehr teures Ticket, fast 20 Euro für die kurze Strecke (3x mehr wie Chisinau-Lvov!), für den gleichen Zug, nur einen Wagen nebendran, wieder bei einem garstigen Schaffner, der jedesmal wenn ich aufstehe nervt und sagt irgendwas von sto, tuda meschto. was irgendwie Was machst du? Setz dich hin! heisst. Vielleicht ist er auch nervös, denn im Zug wimmelt es von Zigarettenschmugglern, die sich nun an die Arbeit machen. An die Arme, an die Beine um den Bauch, überall werden die Zigaretten mit Klebeband festgemacht und weite Kleider darüber gezogen.

Der ukrainische Zöllner ist männlich und seine Klappe noch grösser als sein Hut. Er nimmt meinen Pass und fragt mich barsch etwas. Ich mache ihm klar, dass ich ihn nicht verstehe. Der wird richtig sauer und seine Stimme schon sehr barsch und herrisch, sein Gesicht sieht nicht gerade nach "gut Kirschen essen" aus. Meine Nachbarn rufen Schwizarja. Aha, er hat tatsächlich nach meiner Nationalität gefragt. Der ist ja nur in 5 Sprachen angeschrieben. Doch die Befragung geht jetzt erst richtig los und er wiederholt immer den gleichen Satz und ich habe keine Ahnung was er meint. Ich habe jetzt auch die Schnauze voll von seinem Getue, er weiss doch, dass ich ihn nicht verstehe und fange an gelangweilt dazusitzen. Wenn er russisch reden würde, könnte ich vielleicht noch ein paar Brocken raushören, aber ukrainisch versteh ich nunmal gar nicht. Irgendwie weiss er nun auch nicht, was er mit mir noch anfangen soll. Er steht so ein bisschen da und irgendwann nimmt er den Pass und verschwindet mit seinem Riesenhut - Hier werden alle Pässe eingesammelt und später wieder zurückgegeben.

Am polnischen Grenzort darf niemand aus den Zug steigen. Mich erstaunt das, denn hier muss man wie am Flughafen durch so einen Zoll laufen, mit Röntgenapparat und 10 Leuten, welche die Koffer durchwühlen, wenn sie denn wollen. Wie kommen die ukrainischen Zigarettenschmuggler hier durch?

Ich stehe mit ein paar anderen im Gang und der Schaffner ist immer noch beschäftigt mit "na tuda meschto" oder sowas. Mittlerweile ignoriere ich ihn und bleibe, wie die anderen auch, stehen. Plötzlich heisst es, dass alle Polen rausdürfen. Ja und ich? Ich darf auch mit. Aha, niemand soll also sehen, wie sich die Zöllner mit Zigaretten schmieren lassen Aber ist ja auch nicht schlimm. Die Ukrainer verdienen etwas Geld, sollen sie doch.

Also durch den Röngenapparat. Ich will meinen Rucksack hinlegen, aber der Kerl hinterm Bildschirm ruft "nein". Also auf den Rücken mit ihm und weiterlaufen, aber jetzt ist er sauer. Also zurück mit mir. Rucksack doch aufs Band.

© Roland E., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Zugsreise nach Moldawien und zurück.
Details:
Aufbruch: Juli 2008
Dauer: unbekannt
Heimkehr: Juli 2008
Reiseziele: Serbien
Bulgarien
Rumänien
Moldau
Ukraine
Polen
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.