Zürich-Chisinau-Zürich
Durch Moldawien
Viele Züge fahren nicht mehr ab dem Bahnhof Chisinau. Nach Süden sowieso nicht, denn diese Eisenbahnhlinie führt durch diese Pseudorepublik Transnistrien und die lassen keine moldawischen Züge mehr nach Süden durch.
Nach Norden sieht die Sache schon besser aus. Hier verkehren zwei Züge nach Oknica an der ukrainischen Grenze. Dazu kommen die interntionalen Züge: Einer fährt nach Bukarest, drei nach Moskau, einer nach St.Petersburg und jeder zweite Tag hat es direkte Wagen nach Lvov und Warschau.
Die Moskauer Züge sind so ne Sache. Einer fährt nach Osten, über Transnistrien, was für Ausländer bedeutet, hohe Schmiergelder an der Grenze liegenzulassen. Ein anderer nach Norden hält überall. Um 11.50 fährt aber ein Schnellzug der moldawischen Eisenbahnen nach Moskau über Ocnitsa und der hat jeden zweiten Tag direkte Wagen nach Lvov und Warschau hat. Aber heute nicht.
Ich wäre gerne von Ocnitsa durch die Karpaten nach Lvov gefahren. Dort fahren aber zu meinem Bedauern kaum mehr Züge und so bleibt mir nur der Weg über Tschmerinka.
Ich plane somit ein grosses Abenteuer. Ich will mit dem 11.50 Uhr Zug Richtung Moskau bis Tschmerinka in der Ukrainbe fahren. Tschmerinka ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Von dort plane ich dann in einen Zug nach Lvov umzusteigen. Was soll daran abenteuerlich sein? In der Ukraine ist Bahnfahren alles andere als einfach!
Ich gut organisierten Bahnhof stehe ich am internationalen Schalter in der Schlange. Ein Herr versucht sich diskret vor mich zu drängeln, wie ich es schon oft in der ehemaligen Sowjetunion erlebt habe. Bald bin ich dran. Ich gehe an den Schalter und begehe eine Dummheit. Ich sage der freundlichen Verkäuferin, dass ich ein Ticket Chisinau-Tschmerinka und Tschmerinka-Lvov will. Sowas würde hier niemand verlangen, die Verkäuferin muss mich falsch verstanden haben, weil sie mit sowas einfach nicht rechnet. Einerseits steigt in Russland niemand um, andererseits kann sie sowieso nur Tickets ab Chisinau verkaufen. Und so sagt sie etwas und ich verstehe sie nicht. Ich glaube, sie sagt, der Zug sei ausverkauft, dabei meint sie, es hat keine direkten Wagen nach Lvov. Tja und so stehe ich etwas konsterniert da und muss nachdenken. Ratlos betrachte ich den Abfahrtsanzeiger, doch plötzlich werde ich zurückgerufen. Es ist fast unglaublich. Die Kundin nach mir diskutierte mit der Verkäuferin über mich. Es scheitn, dass die Kundin hinter mir erahnt hatte, wie ich nach Lvov reisen will und so stehe ich völlig unerwartet mit einem Ticket nach Tschmerinka in der Hand da! Ich habe fast den Eindruck, wir alle drei sind glücklich.
Der Zug sieht am Anfang gar nicht heimelig aus. Die Wagen alt und heruntergekommen. Aber in der ehemaligen Sowjetunion weiss man, wie man Bahnfahren gemütlich machen kann. Es gibt hier nur Liege- oder Schlafwagen. Ich bin in einem Viererabteil, dass auf den ersten Blick gar nicht einladend wirkt. Das Fenster geht nicht auf, aber das Abteil ist voller Fliegen, alt und zerschliessen. Ich bekomme saubere Bettwäsche, wir scheuchen die Fliegen raus und bald haben wir - ich und mein russischer Mitreisender, uns bald sehr gemütlich eingerichtet. Ich bin begeistert von diesem Komfort. Wenn es nur nicht so heiss gewesen wäre. Der Wagenschaffner verzweifelt mitunter an mir, weil ich einfach nichts verstehe. Dann lacht er und gibt nicht auf. Ich schäme mich ein bisschen.
Die Russen, Moldawier, Ukrainer und woher sie auch immer kommen, betreten fein angezogen den Zug, gehen ins Abteil, ziehen sich um und danach tragen alle Trainerhosen und lassen ihre Bäuche entblösst umherschwabbeln.
Vom Zug aus wirkt Moldawien idylisch. Zumeist menschenleer, ab und zu kleine Dörfer. Sie bestehen aus Holzhäusern, haben Garten, Vieh, Gänse, Ziegen, Schafe, Hühner, Pferde, Feldwege. Doch was hat diesem Land angetan? Gestört wird dieses Landleben nämlich von unzähligen riesigen Industriekomplexen, die nun alle vor sich hinrosten. Ich vermute mal, dass es in Moldawien kaum mehr Industrie gibt. Die Menschen überleben dank Zahlungen von Emigranten und etwas Selbstwirtschaft. Je nach Quellen macht das Geld, das Emigranten nach Moldawien schicken, bis zu 70% des BSP aus!
In Balti, bei dieser Stadt sieht man um den Bahnhof herum nur riesige hässliche Industrieanlagen, von denen wohl keine mehr in Betrieb ist, kommt ein Moldawier in unser Abteil. Er wirkt sehr gestresst. Der Moldawier zeigt auf mein Bett und motst was rum. Ich verstehe kein Wort, er wirkt aber nicht sehr freundlich und scheint unruhig zu sein. Erst ein paar Stunden später erklärt sich seine Unruhe. Er glaubt, mein Bett sei sein Bett und er will sich hinlegen. Das kann er aber nicht, weil mein Rucksack dort liegt. Nun wird das ganze lustig. Obwohl wir verschiedene Sprachen reden, scheinen wir uns nun zu verstehen und nach einem kurzen moldawisch-schweizerdeutschen Gespräch begeben wir uns zum Schaffner: Der Moldawier sitzt im falschen Wagen. Er entschuldigt sich bei mir herzlich und geht nun glücklich in den nächsten Wagen.
Ocnitsa, kurz vor der ukrainischen Grenze. Dieser Ort wirkt von Bahnhof aus sehr schön, eigentlich die schönste Siedlung, die ich seit Chisinau in Moldawien gesehen habe. Keine hässlichen Industriekomplexe, eher gut gebaute Häusschen. Der unglaublich lange Zug hält an und los gehts. Viele Frauen aller Alterskategorien schlendern dem Zug entlang und verkaufen alles mögliche. Getrockneten Fisch, Bier, Erdnüsse und was weiss ich. Und es wird auch reichlich gekauft. Nach rund 30' fährt der Zug los Richtung Ukraine, dem Dnjestr entlang, der hier sehr viel Wasser führt. Ist es dieses Wasser, dass in ein paar Tagen den Süden überschwemmt?
Aufbruch: | Juli 2008 |
Dauer: | unbekannt |
Heimkehr: | Juli 2008 |
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