Solo durch Jamaika
The Pulse of Kingston
01. November 2007
Ich stehe um 5:30 Uhr auf und gehe erst einmal duschen. Dann mache ich mich auf die Suche nach einer Bank. Die nächste befindet sich gleich um die Ecke, stelle ich fest, doch wie nicht anders zu erwarten gibt's auch heute keine Kohle. Ich will erst mal ins etwa zwei Kilometer entfernte Pegasus-Hotel mein Konto checken, vielleicht finde ich etwas heraus. Es schifft mal wieder, zu Fuß wird das also nichts. Das Gästehaus bestellt mir ein Taxi und handelt auch gleich einen angemessenen Preis aus.
Der Kontostand: unverändert und von der Dispo-Erhöhung keine Spur. Ich warte auf eine kurze Regenpause und gehe dann zu Fuß zurück ins Gästehaus.
Um 8:00 Uhr steht Jimmy vor meiner Tür und verkündet, die Straßen nach Westen seien überflutet, die Wassermassen hätte der Tropensturm Noel hinterlassen. Heute hätten wir keine Chance, vielleicht morgen. Das kommt mir ehrlich gesagt nicht ganz ungelegen, denn erstens habe ich keine Kohle, ihn zu bezahlen und zweitens möchte ich erst mal die Geschichte mit der Bank aufklären.
Ich will mir eine Phonecard kaufen, steige aber nicht durch, welche ich denn nun brauche. Zu allem Überfluss verabschiedet sich noch mein Feuerzeug. Ich versuche an der Tanke und in diversen Supermärkten Ersatz zu beschaffen und zwar erfolglos. Haile Selassie noch mal! Womit stecken die sich denn hier alle ihre Joints an? Unterwegs kommt mir ein Geistesblitz: Ich könnte ja mal mit der EC-Karte versuchen, am Automaten etwas abzuholen. Das kostet mich zwar ein Vermögen, dafür hätte ich aber endlich ein paar Kröten in der Tasche. Es funktioniert! 30.000 J$ habe ich erst mal im Sack, allerdings immer noch kein Feuerzeug.
Ich versuche mein Glück bei einem Straßenhändler. Er will 28 J$. Ich gebe ihm 30 und während ich so grübele, was ich noch so anstelle, quatscht mich Baeaek alias Couib von der Seite voll. Die haben hier alle Nicknamen, unter dem sie auf den Straßen bekannt sind. Von Ganja über "good jamaican girls" bis hin zur Dancehall-Session in Tivoli hat der wirklich alles im Programm, ya mon! Die Girls brauche ich nicht, davon habe ich ein besonders wertvolles Exemplar zu Hause und für Tivoli habe ich keine schusssichere Weste im Gepäck. Ich weiß auch nicht wieso, aber ich habe eine Schwäche für ihn. Wir gehen einen Appleton-Rum trinken, dann macht er mir das "unschlagbare Angebot", für 2.000 J$ eine Wochenration Gras zu beschaffen. Viel zu teuer, wie ich später wissen werde, aber ich willige ein und während wir einen dampfen, erklärt er mir sein Programm.
"Wir nehmen diesen Bus", sagt er einige Zeit später. Bin noch nicht wirklich vertraut mit den Kingstoner Minibussen, aus deren Boxen bassstark Reggae oder Dancehall dröhnt, je nach dem, was gerade auf Irie-FM läuft; ein Wunder, dass die hier noch nicht alle taub sind. An der offenen Tür steht der "Doorman", so taufe ich den mal, und preist seinen Bus an. Sekunden später latscht der Affe da vorne dermaßen aufs Gas, dass ich durch den ganzen Bus purzele. Will mich irgendwo festhalten und lange mit der Hand zum Griff an der Decke. Scheiße! Das war gar kein Griff, sondern ein Duftbaum, den habe ich nun in der Hand.
Die Fahrt geht nach Uptown, in der Nähe des Half-Way-Trees steigen wir aus, gehen erst mal was essen. Dann zeigt er mir eine Bar, wo wir ein paar Runden Billard spielen und noch den einen oder anderen Appleton weg zwiebeln. Ich erzähle ihm, dass ich noch ein paar CDs kaufen will. Wir dampfen noch einen und ziehen uns das bunte Treiben an der Tanke gegenüber rein, coole Optik, ya mon! Dann führt er mich in einen Hinterhof-Markt, wo in diversen Mini-Buden alles Mögliche vertickt wird. In einer der letzten Buden treffen wir dann seinen Kumpel, der seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf selbst gebrannter CDs verdient. Diesem erkläre ich, was ich so in etwa haben will. Ich setze mich in die Hütte und höre mir ein paar Tracks an. Couib quatscht mit ihm irgendwas auf Patois. Dass ich nichts verstehe, gefällt mir irgendwie nicht. Nichtsdestotrotz kaufe ich fünf CDs und lasse die frisch gebrannten Scheiben natürlich noch einmal anspielen, bevor ich ihm die Dollars gebe. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, doch mit den CDs ist alles in Ordnung.
Inzwischen ist es später Nachmittag. Couib will noch irgendwo abfeiern gehen, doch dazu bin ich inzwischen zu müde. Wir regeln das Geschäftliche, seine Forderung von 20 US$ halte ich angesichts dessen, dass er sich schon den ganzen Nachmittag bei mir durchschlaucht für überzogen. Ich gebe ihm 600 J$. Er macht auf beleidigt, das ist mir aber egal. Irgendwann gibt er sich dann doch zufrieden und zeigt mir noch, welchen Bus ich nehmen muss.
Ich nehme in der letzten Reihe Platz. Der Bus füllt sich in Sekundenbruchteilen und die Klappsitze im Gang werden aktiviert. Bin mal gespannt, wie man hier wieder raus kommt. In diesem Bus gibt es so etwas wie Halt-Knöpfe. Ansonsten brüllt man "one stop, please!", wenn man raus will, beziehungsweise hier in Kingston: "next stop", da die Busse in der Regel nur an den Haltestellen anhalten, vorausgesetzt, man schafft es, die Bässe zu überschreien.
Doch das bleibt mir erspart, denn vor dem Einsteigen hatte ich mich vergewissert, dass der Bus in Richtung Emancipation Park fährt, genau dort hält der Fahrer auch an und will mich raus lassen. Zu früh, denn ich muss noch etwa einen Kilometer weiter. Egal, ich steige aus und geh den Rest zu Fuß. Immerhin hat es mal kurz aufgehört zu schiffen.
Zurück im Gästehaus treffe ich dann noch einen Gast aus den Bahamas in der Lobby. Er wollte heute zurück fliegen. Wegen des Wetters fliegt aber gerade nix und so sitzt er in Kingston fest, genau wie ich. Er war in Downtown zum abhängen, Uptown sei ihm zu spießig, erzählt er mir. Na ja, der fällt ja da auch nicht ganz so auf wie ich.
Hole im Supermarkt noch 'nen Sixpack. Die Kassiererin kennt mich inzwischen und fragt mich, ob der von gestern schon alle ist. Ya mon, natürlich ist der alle, diese Hitze macht halt sehr durstig.
In meinem Zimmer schmeiße ich erst mal den Ventilator an. Dann genehmige ich mir noch 'nen Spliff und ein paar Red Stripe. Ich lege mich aufs Bett und lese noch ein wenig. Das Gehupe draußen verstummt langsam, ebenso das Gebrülle aus dem Wettbüro von nebenan. Irgendwo in der Ferne höre ich noch ein paar Reggae-Beats, bevor ich in einen tiefen und erholsamen Schlaf falle.
Aufbruch: | 31.10.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 19.11.2007 |